Für Karsten Gerlach, Geschäftsführer des Soester SPD-Unterbezirks, ist klar, dass die Gründung einer eigenen, mit der SPD konkurrierenden Fraktion, mit der Satzung der Partei unvereinbar ist. „Es bleibt uns auf Kreisebene gar nichts anderes übrig, als die Angelegenheit aufzugreifen und an den Landesverband weiterzuleiten“, erklärt er.
Dort werde dann „sehr wahrscheinlich“ ein Parteiordnungsverfahren gegen Wollny, Michel und Bunke eingeleitet, das ebenfalls „sehr wahrscheinlich“ mit einem Ausschluss der Drei aus der SPD enden werde.
Um das Verfahren auf den Weg zu bringen, wird sich der Unterbezirksvorstand am Donnerstag, 26. Januar, zu einer Sondersitzung treffen.
Auslöser für diesen Schritt war die vom Ortsvereins-Vorstand um den Vorsitzenden Marcus Schiffer bereits nach der für die Soester SPD desaströs verlaufenen Kommunalwahl im September 2020 angemahnte „Regeneration der Fraktion“, sprich eine Verjüngung. Die sollte nun angesichts der zur Halbzeit der Ratsperiode turnusmäßig fälligen Neuwahl des Fraktionsvorstandes konkret werden: Fraktionschef Roland Maibaum (75) erklärte sich bereit, sein Mandat zurückzugeben – wenn denn Benno Wollny (71) und Armin Bunke (73) ebenfalls aus dem Rat ausscheiden würden.
Eine entsprechende Erklärung von Maibaum veröffentlichte Schiffer über Parteikanäle – obwohl weder Wollny noch Bunke, beide seit Jahren Kritiker von Maibaum, einem Verzicht auf ihr Ratsmandat zugestimmt hatten oder auch nur – so ihre Aussage – dazu gefragt worden waren.
„Das ist leider typisch für die Art und Weise, wie Roland Maibaum in den vergangenen Jahren zum Niedergang der Soester SPD beigetragen hat“, erklärt Benno Wollny. Er selber und Armin Bunke fühlten sich ausgegrenzt und „gemobbt“, sowohl von der Fraktionsmehrheit, als auch von der Spitze des Ortsvereins, bei der sie wiederholt vergeblich Unterstützung gesucht hatten bei ihrem Bemühen, Maibaum als Fraktionschef abzulösen.
Der sei wesentlich dafür verantwortlich, dass das Arbeitsklima in der SPD-Fraktion „vergiftet“ sei, so Wollny, Bunke und Bernd Michel (60), der sich dem Duo angeschlossen hat und vorerst als Sprecher der neuen Fraktion SKW fungieren wird.
Das sieht Marcus Schiffer anders. „Roland Maibaum hat seit der Wahl den Erneuerungsprozess der Soester SPD aktiv unterstützt und bereits unmittelbar nach der Wahl erklärt, nach der Hälfte der Periode den Weg für eine Neuaufstellung der Fraktion freimachen zu wollen“, erklärte der Parteichef gegenüber dem Anzeiger.
Wollny und Bunke und mit ihnen auch Michel hätten sich dieser „Regeneration“ dagegen verweigert und ihrerseits „zu einer Atmosphäre der Lähmung“ in der Fraktionsarbeit beigetragen.
Einig sind sich beide Seiten immerhin darin, dass es bei dem inzwischen lange schwelenden Streit nicht um politische Positionen in Sachfragen gegangen sei.
Ungeachtet der (Fast)-Halbierung der einstmals zweitgrößten Fraktion im Rat soll deren personelle Erneuerung, so Marcus Schiffer, wie beabsichtigt zügig umgesetzt werden. Gegenüber dem Anzeiger bestätigte Roland Maibaum allerdings lediglich seine Bereitschaft, auf den Fraktionsvorsitz verzichten zu wollen – sein Ratsmandat aber „zumindest vorerst“ zu behalten. Er hoffe, so Roland Maibaum, dass jetzt wieder die durchaus erfolgreiche Arbeit der Soester SPD stärker in den Mittelpunkt rücken werde.
Für den Fraktionsvorsitz will nach Anzeiger-Informationen Mehmet Tavus kandidieren, er gehört mit Lavinia Haupt bereits jetzt dem Fraktionsvorstand an.
Welche weiteren Veränderungen die neue SKW-Fraktion für die Ratsarbeit bis zur nächsten Kommunalwahl 2025 mit sich bringen wird, darüber berät der Ältestenrat am Mittwochabend, 25. Januar, in einer Sitzung. Dann wird es unter anderem darum gehen, wie sich die Zusammensetzung der Fachausschüsse angesichts der veränderten Fraktionsstärken entwickeln wird.
Die SPD hat ihrerseits bereits angeboten, den drei Ex-Kollegen ihre Sitze zu lassen – Bernd Michel ist zum Beispiel Vorsitzender des Schulausschusses. Es ist aber auch möglich, dass die Sozialdemokraten angesichts ihrer radikalen Schrumpfung eine ganze Reihe von Ausschusssitzen verlieren werden.
VON ACHIM KIENBAUM
In dem unappetitlichen Gebräu, das jetzt zur Sprengung der SPD-Ratsfraktion geführt hat, fehlt bezeichnenderweise eine Zutat: unüberbrückbare Differenzen in politischen Positionen. Wann immer sich die Hauptbeteiligten an dieser Entwicklung in die vorzugsweise grauen Haare kriegten – es ging deutlich mehr um persönliche Animositäten, angesammelte Verletzungen von Egos und das Begleichen alter Rechnungen als um das Ringen darum, wofür die SPD in Soest denn nun eigentlich stehen sollte.
Dabei wäre das eine lohnende Betrachtung: Grüner als die Grünen sein zu wollen und linker als die Linken – dieses Politikmodell, für das nicht zuletzt auch die drei Rebellen und, allen voran, Roland Maibaum als Dominator der Ratsfraktion standen, hat die Roten zur grauen Maus in der Gunst der Soester Wähler gemacht.
Aber es war – und ist – nicht nur diese inhaltliche Auffassung von Politik, die die SPD in den vergangenen Jahren in den Dauerclinch mit allen anderen Fraktionen und an den Rand der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit geführt hat. Während auf der Parteiebene im Ortsverein unter dem Eindruck der deprimierenden Ergebnisse der Kommunalwahl 2020 ein Neuanfang sowohl personeller Natur als auch stilistisch vollzogen wurde, war der in der Darstellung der Ratsfraktion nicht erkennbar: die alten Köpfe, die alten ritualisierten Boshaftigkeiten, vorzugsweise vorgetragen vom Vorsitzenden, der unveränderte Ersatz von Argumentation und dem Bemühen um politische Mehrheiten durch blanke Demagogie.
Und ganz offensichtlich erschöpfte sich dieses zunehmend nervende Verständnis von kommunalpolitischer Auseinandersetzung nicht auf den Umgang mit den politischen Gegnern, sondern galt auch für die Diskussionskultur in der Fraktion selber.
Ob die sich nun mit dem Abgang von drei der acht Mitglieder nachhaltig verbessern wird, das muss sich erst noch erweisen. Schließlich will mit Roland Maibaum der Hauptprotagonist für diese Verrohung der sozialdemokratischen Sitten das parlamentarische Feld noch nicht gänzlich räumen. Dabei hat er schon zu viele Jahre heftigst nach allen Seiten ausgeteilt – es wäre an der Zeit, jetzt einstecken zu lernen. Und einzupacken. Endlich.