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Vor mehr als 100 Jahren wurden in Soest Autos gebaut 

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Von: Dirk Wilms

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Im Aufenthaltsraum ihres Autoservice-Betriebes präsentiert Julia Wins die
Im Aufenthaltsraum ihres Autoservice-Betriebes präsentiert Julia Wins die Fotos hinter den Fenstern, die auf die Historie des Gebäudes am Westenhellweg hinweisen. Neben dem Autoservice sind mit der Dekra, dem ADAC, dem Beulendoktor Delka, Aufbereiter Pedro Miranda und Chamaeleon Design weitere Firmen, die rund ums Auto agieren, in dem Komplex angesiedelt, wo einst die Feldmann-Werke Autos produzierten. ©  Foto: Dirk Wilms

Vor über 100 Jahren wurden von den Feldmann-Werken Fahrzeuge in Soest hergestellt. Bis heute sind Teile des Komplexes am Westenhellweg vorhanden.

Soest – Für Julia und Alexei Wins ist es Ehrensache. Sie sind zwar ganz neu vor Ort. Doch wollen sie die Geschichte, die mit dem Standort ihrer jungen Firma verbunden ist, in Erinnerung halten. In dem Autoservice-Betrieb am Westenhellweg schmückt daher eine Darstellung jenes Gebäudes die Wand des Aufenthaltsraumes, das vor über 100 Jahren Sinnbild der beginnenden Ära des Autos auch in der Börde würde.

Denn damals wurden von der Westfälischen Automobil-Gesellschaft Bernhard Feldmann und Co. in jenen Gebäuden Autos gebaut, die seither, wenn auch in abgewandelter Form, den westlichen Rand der Soester Kernstadt prägen. Julia und Alexei Wins knüpfen mit ihrem Service-Betrieb damit an jene Tradition an, die Anfang des 20. Jahrhunderts an der damaligen Jakobi-Chaussee begründet wurde.

Die Feldmann-Werke produzierten in diesem Gebäude um das Jahr 1910 herum Automobile. Bis heute sind Teile des Komplexes am Westenhellweg vorhanden.
Die Feldmann-Werke produzierten in diesem Gebäude um das Jahr 1910 herum Automobile. Bis heute sind Teile des Komplexes am Westenhellweg vorhanden. © stadtarchiv

Vor mehr als 100 Jahren wurden in Soest Autos gebaut 

Die Westfälische Automobilgesellschaft, die in Minden beheimatet war, hatte 1905 mit dem Bau von Modellen begonnen. Prototypen hatten sich der Überlieferung nach als „praktisch und betriebssicher“ erwiesen. Zum 1. Januar 1906 wurde sie vom Soester Fabrikanten Bernhard Feldmann übernommen und als offene Handelsgesellschaft im Handelsregister eingetragen. Am 22. August 1906 beantragte die Automobil-Gesellschaft Feldmann bei der Soester Bauaufsichtsbehörde den Bau einer Autofabrik vor den Toren der Bördemetropole.

Auf einem etwa 15000 Quadratmeter großen Gelände gegenüber dem damaligen Schützenhof sollte jener Komplex entstehen, in dem Fahrzeuge vielfältiger Art auf die vier Räder gestellt werden sollten. Schon 1906 hatte Feldmann begonnen, von der Aachener Firma Fafnir unter dem Namen Omnimobil produzierte Bausätzte für ein eigenes Fahrzeug zu nutzen, das als „Nixe“ bei der Internationalen Automobil-Ausstellung in Berlin debütierte.

Dabei handelte es um einen offenen Viersitzer, damals Torpedo genannt, mit einem Zwei-Zylinder-Motor mit 800 Kubikzentimetern Hubraum, dessen 6 PS den Wagen bis auf 50 km/h beschleunigten. Auch Zweisitzer und Lieferwagen wurden in dem Soester Werk gebaut.

Bernhard Feldmann steuert auf diesem auch in Gerhard Köhns Buch veröffentlichten
Bernhard Feldmann steuert auf diesem auch in Gerhard Köhns Buch veröffentlichten © einen Wagen aus eigener Produktion; hinten im Wagen sitzen seine Schwestern und seine Mutter. foto: stadtarchiv

Wie Gerhard Köhn in seinem Buch „Das Auto erobert die Stadt“ schrieb, produzierte Feldmann auch einen 6-Liter-Typ mit 14 PS und einen 10-Liter-Typ mit 18 PS. Seiner Vermutung zufolge stammten die Bauteile von anderen Autofabriken und wurden in Soest zusammengebaut, um damit eigene Konstruktionen mit teilweise zugekauften Fahrwerken anzutreiben. Andere Quellen schreiben von Vierzylinder-Motoren mit 20, 25 oder 40 PS. Der stärkste Motor hatte 2,1 Liter Hubraum und sorgte für eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.

Feldmann, der schon 1868 sein Unternehmen als Maschinengeschäft gegründet hatte, baute Köhn zufolge auch Modelle des amerikanischen Herstellers Studebaker. Auf dem Werksgelände entstand direkt an der alten Handelsstraße, der späteren Reichs- bzw. Bundesstraße 1, die erste Tankstelle in Soest – in Köhns Buch als Benzinzapfstelle bezeichnet. 50000 Liter Benzin und Öl wurden in den Tanks gelagert.

Schon 1912 aber endete die Ära des Automobilbaus der Marke Feldmann. Denn das Unternehmen musste Konkurs anmelden. Aus der Konkursmasse ging die Feldmann Automobil-Gesellschaft m.b.H hervor, die sich fortan auf die Fertigung von Automobilteilen spezialisierte. Im 1. Weltkrieg musste Feldmann die Produktion umstellen, Artilleriegeschosse waren jetzt gefragt.

Nach dem 1. Weltkrieg nahm Feldmann die Produktion von Ersatzteilen für Automobile auf, ebenso für Motorräder, wie Kurbelwellen, Kolben und Zylinderscheiben. Das Unternehmen am Westenhellweg kümmerte sich um das Lackieren von Karosserieteilen, um das Polstern der Sitze, um das Vulkanisieren der Reifen und letztlich auch um den Verkauf von „nur erstklassigen Automobilen für alle Zwecke“, wie Gerhard Köhn eine Werbung aus dem Jahr 1925 zitiert. Auch Motorräder der Marke Flottweg wurden von Feldmann verkauft.

Gründung 1868

Bernhard Feldmann senior hatte als Schlossermeister im Jahre 1868 die Firma an der Wiesenstraße gegründet, wie aus einer Rechnung hervorgeht, die 1914 ausgestellt worden war. Im Briefkopf taucht das Gründungsdatum auf. Bernhard Feldmann war 1842 in Soest geboren und starb hier 1919. Das hat Gerhard Köhn, im dritten Band seiner Reihe „Soest in alten Bildern“ festgehalten. Er steht unter dem Untertitel „Das Auto erobert eine Stadt“.

1925 eröffneten die Feldmann-Werke auch die erste offiziell anerkannte Fahrschule in Soest. Bernhard Feldmann jun., der 1964 in Soest verstarb, führte sie auch nach dem 2. Weltkrieg weiter. Die Produktion von Ersatzteilen aber endete laut Köhn 1928, anderen Quellen zufolge schon ein Jahr früher, als Karl Feldmann nach Detmold wechselte.

Im nun leer stehenden Gebäude wurden zunächst pharmazeutische Produkte hergestellt. Doch schon 1932 kehrte das Auto wieder in die Hallen zurück, denn Egon Ludewig richtete hier sein Autohaus ein. 1937 wurde der Komplex von der Firma Rosenthal und Rustemeier übernommen. Der Opel-Händler prägte über Jahrzehnte den Standort. Gebäudeteile aus der Gründerzeit waren in der Zwischenzeit umgebaut worden.

Nach dem Wechsel des Opel-Händlers ein paar hundert Meter weiter gen Westen wurde der Komplex verkauft und in die viele kleine Einheiten unterteilt. Das Auto hat aber dort weiter seinen Platz; wie eben auch bei Julia und Alexei Wiens in ihrem Autoservice-Betrieb.

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