So klangen die Gesänge der Dominikanerinnen aus Paradiese

Soest - Wie lässt sich die Musik von Ars Choralis Coeln beschreiben, deretwegen Hunderte von Menschen am Sonntagmittag in die Kirche Neu-St. Thomä geströmt waren? Sie ist etwas Besonderes, klingt fremd und vertraut zugleich.
Herbe Klänge sind es, die durch die klaren, hohen Frauenstimmen ein wenig von ihrer Strenge verlieren. Die Melodien schwingen in unendlichen Arabesken mal syllabisch, mal mal melismatisch. Gelegentlich erklingen sie mehrstimmig. Instrumente wie Portativ, Rahmentrommel und Glocken bereichern den Gesang.
Es ist Musik für Spezialisten. Und es ist Musik von Frauen für Frauen. Mit dem Konzert stellte die Frauenschola Weisen vor, wie sie ein Wissenschaftlerteam in den Handschriften der Dominikanerinnen aus Paradiese gefunden und erforscht hat. Mittelalter-Spezialistin Maria Jonas, Leiterin und Sängerin des Ensembles, hat diese Weisen bearbeitet und machte sie jetzt mit sechs Kolleginnen hörbar. Gesänge aus der Liturgie, Psalmen, Antiphone, Hymnen schwebten durch die gotische Halle. Die Kirche Neu-St. Thomä war der perfekte Aufführungsort für diese Gesänge, hat sie doch genau die richtige Portion Nachhall, um den Klosterweisen eine sphärische Wirkung zu schenken.
Musik bestimmte damals das Leben der Nonnen, erläuterte Maria Johnas dem Publikum. Stundengebete und Messen strukturierten den Tagesablauf. Beten bedeutete damals immer singen. Aber dass dieser Gesang in Paradiese so klang wie gestern in Neu-St. Thomä, darf getrost bezweifelt werden. Weder waren die Stimmen der Nonnen so geschult und schön wie die der Ars Choralis-Sängerinnen, noch war ihr Zusammenklang so ausgewogen wie bei dem Ensemble. Schließlich mussten die Dominikanerinnen zu nachtschlafender Zeit ebenso singen wie tagsüber, wenn sie mitten aus der Arbeit gerufen wurden.
Schon gar nicht werden die Nonnen solche Instrumente benutzt haben, wie gestern in Neu-St. Thomä erklangen. Die Schwestern verstanden es sicherlich, das Portativ zu spielen, eventuell wurden auch Glocken eingesetzt. Aber das Tamburin war in der mittelalterlichen Kirche verboten. Gleichwohl: Die Gesänge, mit denen die Nonnen seinerzeit das Gotteslob und Heiligengeschichten erschallen ließen, in neuzeitlicher Form zu hören, war ein Genuss.
Und die Bewunderung für die Frauen, die solche Musik in Zeiten allgemeinen Analphabetentums notiert hatten, wuchs. Denn die Dominikanerinnen aus Paradiese verstanden nicht nur Latein, sondern konnten Noten schreiben und demzufolge auch lesen. Das war singulär damals.
Als Zugabe sang Ars Choralis Coeln einen Hymnus von Hildegard von Bingen, ebenfalls einer einzigartigen mittelalterlichen Frau. Begrüßt hatte Prof. Dr. Monika Dobberstein das große Publikum. Sie zeigte sich erfreut, dass so viele Interessierte gekommen waren und beschrieb, wie sie als Leiterin des Soest-Marketings gemeinsam mit Günter Kükenshöner vom Heimat- und Geschichtsverein dieses Konzert zur Soester Fehde initiiert hatte. Anschließend sprach Ilse Maas-Steinhoff 30 Minuten lang über die Entdeckung und die Forschung an den Paradieser Codices, bevor das Konzert begann.