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ChatGPT in der Schule: Müssen Prüfungen an die digitale Wirklichkeit angepasst werden?

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Von: Sarah Hanke

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Auch an den Hochschulen ist das Phänomen „ChatGPT“ bereits angekommen.
Auch an den Hochschulen ist das Phänomen „ChatGPT“ bereits angekommen. © Schröder

Stammt der Aufsatz aus der Feder des Schülers? Oder ist der Text von einem technischen Helferlein geschrieben worden. „ChatGPT“ stellt Unterricht und Lehre vor neuen Herausforderungen, was Hausaufgaben und Facharbeiten angeht. Was Soester Schulen und die Fachhochschule zu ChatGPT sagen.

Soest – Der von der US-Firma Open AI entwickelte Text-Roboter „ChatGPT“ ist Gesprächsthema an Schulen und Hochschulen. Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) lassen sich Referate oder Aufsätze über Goethe schreiben. Nutzen oder verbieten, Hilfe oder Risiko?

„Man sollte das Thema nicht verteufeln, aber auch vorsichtig sein“, sagt Kerstin Haferkemper, Schulleiterin der Hannah-Arendt-Gesamtschule. „Die Gesellschaft ist im digitalen Wandel, und es gilt, die Schüler darauf vorzubereiten.“

Daher mache es keinen Sinn, Schülern die Nutzung des Text-Roboters „ChatGPT“ zu verbieten. „Es ist eine tolle Erfindung, die sicher auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben wird. Warum auch nicht?“, sagt sie. Vielmehr komme es darauf an, Schüler schrittweise an einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technik heranzuführen, sie sinnvoll als Hilfe zu nutzen und nicht das Denken gänzlich an die Technik abzugeben. Dabei sei es umso wichtiger, mit den Schülern auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Noch sei zwar niemand an der Soester Gesamtschule damit aufgefallen, dass er seine Facharbeit von einem Chatbot hat schreiben lassen. Noch steckt die Entwicklung aber im Anfangsstadium. Einen Leitfaden vom Ministerium zum Umgang mit dem Thema haben die Schulen aber bereits erhalten.

ChatGPT: Mündliche Prüfung bei Facharbeiten erforderlich

Dennoch sei eine Modifikation der Prüfungsformate nötig: Weg von der reinen Wissens-Abfrage, hin zu Formaten, bei denen mehr Denkleistung erforderlich ist. „Bei Facharbeiten ist eine mündliche Leistungsüberprüfung angebracht, um zu überprüfen, ob sich der Schüler selbst mit dem beschäftigt hat und es auch verstanden hat“, so Haferkemper. Mit dem Update auf die nunmehr vierte Version habe der Chatbot einen Entwicklungssprung hingelegt. „Man dachte ja erst, es wäre mehr ein Papagei, der alles nachplappert“, sagt die Schulleiterin. „Der Leistungsumfang wird ja immer größer.“ Abitur-Prüfungen würden jedenfalls nicht mit ChatGPT geschrieben. Handys und Tablets müssten ohnehin für die Zeit der Prüfung abgegeben werden.

Am Hubertus-Schwartz-Berufskolleg hat man sich ebenfalls mit dem Thema auseinandergesetzt. Schulleiter und Mathelehrer Thomas Busch hat das Programm selbst getestet und das Programm Gleichungen lösen lassen. Es spuckte die falsche Lösung aus.

Der Schulleiter ist sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die richtige Lösung geliefert wird: „KI wird ja immer besser.“ Mit den Lehrern und den Klassen habe man deshalb schon über das Thema gesprochen. Eine konkrete Vorgehensweise sei jedoch noch nicht erarbeitet worden. „Das Thema kocht ja auch erst seit etwa sieben Wochen hoch“, sagt Busch. Künftig werde es darauf ankommen, noch sensibler bei Leistungsüberprüfungen zu werden. Busch: „Es stellt sich die Frage, welche Formate künftig überhaupt noch zugelassen werden können.“

ChatGPT stellt Aufgabenstellungen an Hochschulen infrage

Dass sie angepasst werden müssen, daran lässt der Schulleiter keinen Zweifel. Wer sich mit den Schülern beschäftigt, könne ihren Schreibstil von dem eines Computers unterscheiden.

Auch an den Hochschulen ist das Thema bereits angekommen. Dr. Heiner Giefers, der das Lehrgebiet Cloud Computing im Fachbereich Informatik und Naturwissenschaften an der Fachhochschule Südwestfalen, vertritt, meint in einem von der FH veröffentlichten Interview, es sei davon auszugehen, dass die Nutzung von Werkzeugen wie Chat GPT erheblichen Einfluss darauf haben werde, wie Studenten bei der Bearbeitung von Aufgaben vorgehen. Fraglich sei auch, ob die Aufgabenstellungen zur Überprüfung von Fachkompetenzen künftig noch angemessen sein würden. Er weist außerdem darauf hin, dass bereits Möglichkeiten existieren, um mit GPT erstellte Texte zu erkennen.

„Die App GPT Zero analysiert die Wortwahl eines Textes nach statistischen Gesichtspunkten und kann so auf einen von Chat GPT erstellten Text schließen“, erklärt er. Andere Ansätze würden ganz ähnliche „Neuronale Netze“ verwenden, wie sie in Chat GPT selbst stecken, um generierte und von Menschen verfasste Texte zu unterscheiden.

ChatGPT erfindet Quellenangaben

Giefers blickt differenziert auf das Thema. Auch, weil ChatGPT noch Schwachstellen hat. „Was bei ChatGPT völlig fehlt, ist der Nachweis von Informationen durch die Angabe von Quellen. Schlimmer noch, das Programm erfindet auf Nachfrage Quellenangaben.“ Herausforderung der Hochschulen sei es deshalb, „Studierenden nachhaltig eine wissenschaftliche Arbeitsweise zu vermitteln, die sie in die Lage versetzt, Fachtexte korrekt zu verfassen.“

Was ist ChatGPT eigentlich?

Bei ChatGPT, Abkürzung von „Chatbot Generative Pre-trained Transformer“, kann der Benutzer über Texteingabe mit dem Computer menschenähnlich kommunizieren. Das Besondere ist, dass der Chatbot aus der Unterhaltung lernt. Er kann zum Beispiel komplizierte Sachverhalte einfach erklären, Gedichte, Nachrichten oder kurze Texte schreiben. Dafür wurde ChatGPT mit Millionen von Texten aus dem Internet, aus sozialen Medien, Online-Foren, Zeitungsartikeln und Büchern trainiert. Mithilfe eines Filters soll die Ausgabe von falschen oder schädlichen Inhalten vermieden werden.

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