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Vorsitzende meint: Menschen mit Behinderung müssen sich mehr einmischen

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Von: Heyke Köppelmann

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Caterina David, Vorsitzende der Behindertenarbeitsgemeinschaft Kreis Soest. © Dahm

Soest. Was bedeutet Inklusion? „Eine uneingeschränkte Zugehörigkeit“, könnte die Antwort lauten. Oder auch: „Gleiche Chancen für alle.“ Caterina David, die Vorsitzende der Behindertenarbeitsgemeinschaft im Kreis Soest (BAKS), sagt immer wieder: „Es geht um Rechte, nicht um Gefälligkeiten.“ Damit „Schlagworte nicht Schlagworte bleiben“ lädt diese Interessenvertretung am Internationalen Tag für Menschen mit Behinderung (3. Dezember) zu einer Podiumsdiskussion mit Politik und Selbsthilfe ein.

Gerade hat der Sozialausschuss der Stadt Soest den Aktionsplan verabschiedet – ein strategisch ausgerichtetes Handlungsprogramm, das konkrete Ziele und deren Umsetzung aufzeigt, um die Lebensqualität von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Heyke Köppelmann sprach mit Caterina David über die aktuelle Lage und die Vision einer barrierefreien Stadt. 

Lange wurde dran gearbeitet. Nun hat der Aktionsplan den Soester Sozialausschuss passiert. Was bedeutet diese Vereinbarung für Menschen mit Behinderung, die in Soest wohnen? 

Wir haben jetzt endlich eine Grundlage mit inhaltlichen Schwerpunkten. Diese Leitlinie, an der wir als Akteure mitgearbeitet haben, legt die Schritte zu einer Teilhabe von Menschen mit Behinderung fest. Die sind jetzt festgeschrieben, und wir haben etwas in der Hand, auf das wir verweisen können. Wir haben gemeinsam eine Abmachung getroffen, was alles gemacht werden muss. Der Aktionsplan ist nicht statisch, sondern wird nach Bedarf und aktuellem Anlass fortgeschrieben. Zwar ist nichts in Stein gemeißelt, aber wir haben ein verbindliches und von der Politik abgesegnetes Instrument, um das Thema Inklusion systematisch als Querschnittaufgabe zu verankern. Als Beteiligte haben wir Wert auf verbindliche Formulierungen gelegt.

Was raten Sie Behinderten, wie sie am besten ihre Interessen durchsetzen? 

Sie müssen sich selber aktiv beteiligen und sich einmischen. Sie müssen sich durchsetzen und dürfen sich nicht zurückdrängen lassen. In ihrem Alltag gibt es viele Themen, die sie ansprechen könnten, und das sollten sie auch tun. Gleichberechtigte Teilhabe heißt: Menschen mit Behinderung haben einen Anspruch darauf, ohne Hindernisse am öffentlichen Leben teilzuhaben. Es geht um die Wahrung von Rechten. Es gibt nicht den einen typischen Behinderten, jeder hat seine individuellen Probleme, ein Rollstuhlfahrer andere als ein blinder oder hörgeschädigter Mensch. Es kommt darauf an, diese Probleme aus persönlicher Perspektive zu benennen. 

Was liegt in Soest im Argen? Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

 Das ist der Klassiker – es gibt zu wenig barrierefreie preiswerte Wohnungen, die für Rollstuhlfahrer geeignet sind. Dringlich ist ein guter öffentlicher Personennahverkehr, das ist vor allem für Leute, die auf den Dörfern wohnen, wichtig. Auf einem guten Weg ist die Stadt mit der barrierefreien Gestaltung von Bushaltestellen. Das ist wirklich reibungslos gelaufen. Ich habe Verständnis für Diskussionen um eine teure Sanierung des Marktplatzes. Allerdings ist das Pflaster in der Innenstadt für mobilitätseingeschränkte Menschen einfach schlimm. Beim Ausbau der Rathausstraße wurde indes eine gute Lösung umgesetzt. Manchmal wird noch gefragt, ob im öffentlichen Raum der technische und finanzielle Aufwand für die Barrierefreiheit im Verhältnis zum Nutzen steht. Geht es dabei um Kleinigkeiten, dann werde ich stinkig. Behinderte haben verbriefte Rechte auf uneingeschränkte und selbstverständliche Teilhabe. Durch die Anerkennung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung besteht eine Selbstverpflichtung. 

Welche Schwerpunkte setzt der Aktionsplan? Wünschen Sie weitere?

 Da der Aktionsplan sehr praxisorientiert ist, werden die Schwerpunkte klar auf die Bereiche gelegt, die die Stadt umsetzen kann, sozusagen auf die bauliche Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, was sicherlich auch sinnvoll ist und wo in Soest schon einiges passiert ist. Was ich mir noch wünsche, wäre der Bereich der politischen Teilhabe. Wie es gelingen kann, auch gerade Menschen mit Behinderung verstärkt auf diesem Gebiet einzubinden – angefangen mit der Frage, ob auch ein tauber Mitbürger an dieser Bürgerversammlung teilnehmen kann (Ist ein Gebärdendolmetscher da?) oder der, ob auch Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung keinen Führerschein haben, zu dieser Veranstaltung kommen können. Sie sind Vorsitzende der Behindertenarbeitsgemeinschaft – was motiviert sie für diese oft mühselige Arbeit? Es stimmt schon, man braucht ein dickes Fell und Durchsetzungsvermögen. Doch Politik macht einfach Spaß, und es ist zum Beispiel schön durch die neue Rathausstraße zu gehen und zu erkennen: Toll, das haben wir durch unseren Einsatz geschafft. Der BAKS ist es gelungen, das Bewusstsein zu schärfen und den Blick für die Belange behinderter Menschen zu weiten. Allerdings passiert es auch immer wieder, dass Behinderte aus Gedankenlosigkeit zu Veranstaltungen eingeladen werden, die im oberen Stockwerk liegen und daher für sie nicht zu erreichen sind. Oder sie wissen nicht, wie sie spätabends nach Hause kommen sollen.

Was erhoffen Sie sich vom geplanten Diskussionsabend am 3. Dezember im Haus der Diakonie?

 Ich erhoffe von der Veranstaltung, dass Betroffenen mal äußern können, wo wirklich „der Schuh drückt“, mal abseits der großen Themen der Behindertenpolitik der letzten Jahre (als Schlagwörter seien nur das Museum Wilhelm Morgner und die Rathausstraße genannt). Angefangen bei der viel zitierte Bordsteinkante, die das alltägliche Leben schwer macht oder die Frage, ob mein Kind lieber den gemeinsamen Unterricht oder die Förderschule besuchen sollte. Die BAKS ist letztendlich auch nur ein Sprachrohr und kann sicherlich nicht alle Probleme der Betroffenen im Blick haben. Vielleicht kommt so ein sachlicher Dialog zustande, in dem auch die sogenannten Stillen im Lande einmal zu Wort kommen und der vielleicht sogar Lust macht, sich über diese Veranstaltung hinaus in die Behindertenpolitik einzubringen.

Podiumsdiskussion

Die Behindertenarbeitsgemeinschaft Kreis Soest lädt am 3. Dezember zu einer Podiumsdiskussion mit Politik und Selbsthilfe ein. Das Thema lautet „Behindertenpolitik in der Stadt und im Kreis Soest“. Beginn ist um 19 Uhr im Haus der Diakonie, Wiesenstraße 15.

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