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Viel mehr als ein Alltagsprodukt: Sie ist eine von nur neun Brot-Sommelièren

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Von: Gabi Bender

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Die Bäcker- und Müllermeisterin Elisabeth Vielhaber darf sich seit ihrer bestandenen Prüfung vor der Handwerkskammer auch Geprüfte Brot-Sommelière nennen.
Die Bäcker- und Müllermeisterin Elisabeth Vielhaber darf sich seit ihrer bestandenen Prüfung vor der Handwerkskammer auch Geprüfte Brot-Sommelière nennen. © Gabi Bender

Brot kann viel mehr sein als nur ein Alltagsprodukt. Das weiß in Deutschland kaum jemand besser als Elisabeth Vielhaber. Sie ist Bäcker- und Müllermeisterin - und darf sich jetzt auch Brot-Sommèliere nennen.

Kreis Soest – Vom kräftig-holzigen Bouquet über eine fruchtig-blumige Note bis zum leicht erdigen Abgang reichen die ausschweifenden Beschreibungen für Wein. Sein kulinarischer Sparringspartner Brot, der bei Weinproben traditionell mit verkostet wird, muss sich dagegen oft mit einem schlichten „lecker“ zufriedengeben. Dieses Ungleichgewicht möchte Elisabeth Vielhaber ändern und ist dafür bestens gerüstet. Denn die 30-Jährige, die seit März 2020 gemeinsam mit ihrem Vater die Geschäfte der Mühlenbäckerei Vielhaber leitet, ist nicht nur Bäckermeisterin und Müllermeisterin, sondern seit neuestem auch Geprüfte Brot-Sommelière. Eine von insgesamt neun Brotexpertinnen in ganz Deutschland. „Für die meisten Menschen ist Brot ein Alltagsprodukt und gehört daher für viele selbstverständlich zum Frühstück und zum Abendbrot dazu“, sagt die 30-Jährige. „Aus dieser Gewohnheit heraus wird oft völlig vergessen, dass Brot auch gleichzeitig ein Genussmittel ist und zwar eins, das man täglich genießen kann.“

Für die acht jeweils dreitägigen Module ihrer Ausbildung zur Geprüften Brot-Sommelière reiste Elisabeth Vielhaber regelmäßig zur Bäckerakademie nach Weinheim – derzeit die einzige Möglichkeit in Deutschland, diese berufsbegleitende Fortbildung zu machen. In den insgesamt 480 Stunden lernte sie nicht nur zahlreiche verschiedene regionale Brotspezialitäten aus Deutschland sowie aus anderen Ländern kennen, sondern schärfte auch ihre Sinne. „Vor der Ausbildung hatte ich gedacht, ich weiß schon das meiste über Brot, aber während der einzelnen Module habe ich beeindruckt feststellen müssen, dass es noch eine ganze Menge gibt, was ich noch nicht weiß“, verrät die Bäckermeisterin. „Daher musste ich auch ganz schön viel lernen.“ Wobei es bei der Ausbildung nicht nur um Fachwissen wie zum Beispiel über die Zusammensetzung von Broten, die verschiedenen Backverfahren und die deutsche Brotkultur geht, sondern auch um sensorische Fähigkeiten.

Leidenschaft für Brot: Gewürze erkennen, Brotzutaten herausfinden

„Man muss beispielsweise verschiedenste Gewürze erkennen, anhand des Geruchs unterschiedliche Brotzutaten herausfinden und beschreiben sowie von einer flüssigen Lösung durch bloßes Schmecken unterschiedliche Salzgehalte bestimmen.“ Auch das Thema Food-Pairing spielt bei der Ausbildung zum Geprüften Brot-Sommelier eine wichtige Rolle. „Man sollte die Kunden beraten können, welche Käsesorten, Fleisch- und Wurstwaren sowie Weine und Biere am besten zu welchen Brotsorten passen.“ Ein weiterer Schwerpunkt ist eine umfangreiche Projektarbeit, die jeder Teilnehmer am Ende präsentieren muss. Im Rahmen dieser Arbeit hat Elisabeth Vielhaber die sogenannten Roggis entwickelt – drei Brötchen, die sie nach vielen Umfragen speziell auf die Wünsche und Bedürfnisse von Eltern und Kindern abgestimmt hat.

Die Leidenschaft für Brot und Brötchen hat Elisabeth Vielhaber schon mit in die Wiege gelegt bekommen, denn sie ist die siebte Generation Vielhaber, die ihr Herzblut in den Handwerksbetrieb steckt. Als ihr Vorfahr Konrad Vielhaber die Mühle vor über 200 Jahren vom Grafen von Plettenberg gekauft hat, wurde das Brot noch mit Pferdekutschen herumgefahren. Mittlerweile hat das Unternehmen rund 30 Filialen – unter anderem in Soest und Werl. Derzeit gibt es gerade mal neun Geprüfte Brot-Sommelièren, wie die weibliche Form heißt, und 159 Geprüfte Brot-Sommeliers in ganz Deutschland. Die Ausbildung ist nur an der Bäckerakademie in Weinheim möglich und nur die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald darf die Prüfung abnehmen. Voraussetzung für die Fortbildung ist die Meisterprüfung im deutschen Bäckerhandwerk, das übrigens von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe gewählt wurde, oder vergleichbare Vorkenntnisse.

Bei der Fortbildung lernen die Brotexperten auch die sogenannte Weinheimer Brotsprache kennen, mit der sich die Unterschiede der rund 3200 in Deutschland eingetragenen Brotsorten sowie die über 300 Brotaroma, die bereits wissenschaftlich nachgewiesen wurden, in aussagekräftige Worte fassen lassen. Und mit der richtigen Beschreibung stellt vielleicht beim nächsten Wein-Tasting ein frisches Roggenvollkornbrot mit seinen edel-würzigen Röstaromen, die eindrucksvoll mit der karamelligen Geschmacksnote der Kruste und der kräftig-malzigen Krume harmonieren, sogar das rote, alkoholhaltige Getränk in den Schatten. - Gabi Bender

Zum Abschluss ihrer Ausbildung zur Geprüften Brot-Sommelière war Elisabeth Vielhaber mit ihren Kursteilnehmern bei Sternekoch Johann Lafer (links) zu Gast.
Zum Abschluss ihrer Ausbildung zur Geprüften Brot-Sommelière war Elisabeth Vielhaber mit ihren Kursteilnehmern bei Sternekoch Johann Lafer (links) zu Gast. Nach dem gemeinsam gekochten Vier-Gänge-Menü erhielten die Geprüften Brot-Sommeliers ihre Zeugnisse. © Vielhaber

So hält das Brot länger

Tipps zur Aufbewahrung von Brot hat Elisabeth Vielhaber auch noch auf Lager. „Brot sollte man nicht in den Kühlschrank legen, denn dort altert es sehr schnell“, sagt die 30-Jährige. Wo es am besten für die Nacht gelagert wird, hängt vom eigenen Geschmack ab. „Wer sein Brot eher weich mag, kann es in einer Tupperdose oder in einer Plastiktüte aufbewahren. Über Nacht wandert dann die Feuchtigkeit aus dem Brotinneren nach außen und weicht die Kruste auf. Wer eine harte Kruste bevorzugt, kann es in der Brötchentüte lassen oder – für den perfekten Wasserausgleich – in einem Römer- oder einem Steinguttopf aufbewahren.“

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