Doch nicht nur das: „Die Tiere müssen vorher schon sehr schlecht gehalten worden sein. Sie waren voller Milben und Bisswunden.“
Am Montag dann der nächste Schock für die Tierheim-Mitarbeiter: Am Montag konnte durch einen Zeugen ein weiteres Meerschweinchen entdeckt werden, das sich offenbar versteckt hatte, berichtete Polizeisprecher Holger Rehbock. Das Tierheim und auch der Veterinärdienst des Kreises wurden hinzugerufen. „Das Tier lag vier Tage lang ohne Wasser und Nahrung in der Wohnung. Es war mehr tot als lebendig“, schilderte Birgit Oberg. Aufgrund des „katastrophalen Zustands“ müssen das am Montag gefundene und ein weiteres Meerschweinchen zwangsernährt werden.
Der Kreis Soest, dessen Amts-Tierärztin Dr. Katharina Bonitz am Montag nach dem Meerschweinchen-Fund in der Brandwohnung vor Ort gewesen war, erklärte: „Momentan lässt sich noch keine sichere Aussage dazu treffen, ob alle fünf Tiere überleben werden. Durch das Feuer verbrannten das Fell und die Tasthaare im Gesicht der Meerschweinchen. Auch die Haut an den Füßen und die Nasen wiesen Verbrennungen auf. Inwieweit die Atemwege durch Rauchgase dauerhaft und/oder ernsthaft geschädigt wurden, lässt sich derzeit ebenfalls noch nicht sagen.“
Die Amts-Tierärztin bestätigte zudem, dass die Tiere bereits im Vorfeld nicht artgerecht gehalten worden waren: „Zudem leiden die Tiere offenbar schon länger unter Milbenbefall. Mehrere weisen Verletzungen an den Ohren durch gegenseitiges Beißen auf. Letzteres verwundert bei der gemeinsamen Haltung von unkastrierten Böcken und einem weiblichen Tier allerdings wenig. Die Tierheimmitarbeiterinnen und die behandelnden Tierärzte bemühen sich nunmehr aber, den Tieren die bestmögliche Pflege angedeihen zu lassen.“
Die „psychisch auffällige“ Bewohnerin, die für den Brand und das Leiden der Tiere verantwortlich sein soll, kam nach ihrer Festnahme im Rahmen einer Zwangseinweisung in eine Psychiatrie. Sie soll in Zukunft keine Tiere mehr halten dürfen: „Der Brand entwickelte sich nach hiesigem Kenntnisstand im Bereich der Meerschweinchen. Dabei kam eins der Tiere ums Leben, andere wurden verletzt. Deshalb wurden die Tiere der Halterin formal fortgenommen und sie wurden im Tierheim pfleglich untergebracht. Der Erlass einer Haltungs- und Betreuungsuntersagung für Tiere wird geprüft“, erklärte Wilhelm Müschenborn, Sprecher des Kreises Soest.
Er fügte hinzu: „Durch das Inbrandsetzen der Wohnung wurden den Tieren länger anhaltende, erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt. Die Staatsanwaltschaft, die den Sachverhalt vorrangig wegen der Brandstiftung und der Gefährdung der Hausmitbewohner bearbeiten wird, wird das Tierschutzvergehen sicherlich gleichfalls mitahnden.“
„In den Jahren habe ich schon die komischsten Sachen erlebt. Aber dass jemand sagt: ‚Ich will die nicht mehr haben, ich fackel die jetzt ab‘ – sowas gab es noch nicht.“
Nadine Alex, seit fast zehn Jahren Mitarbeiterin des Soester Tierheims, war am Montag ebenso in der betroffenen Wohnung und kümmert sich um die Meerschweinchen. Der Fall nimmt sie spürbar mit: „In den Jahren habe ich schon die komischsten Sachen erlebt. Aber dass jemand bewusst seine Tiere umbringen möchte, dass jemand sagt: ‚Ich will die nicht mehr haben, ich fackel die jetzt ab‘ – sowas gab es noch nicht.“
Nach ersten Erkenntnissen soll die Bewohnerin brennendes Papier, das zuvor an einer elektrischen Herdplatte entzündet worden war, zu den Meerschweinchen gelegt haben: „Das Meerschweinchen, das den Brand nicht überlebt hat, ist vermutlich erstickt“, sagt Alex und blickt auf ein Meerschweinchen, das durch den Brand schwer traumatisiert ist: „Es schreit immer so. Das ist so schlimm. Wenn ich mir vorstelle, wie die Tiere in der Wohnung in Todesangst geschrien haben..“
Nadine Alex und Birgit Oberg verstehen nicht, warum die Frau vor der Tat keinen Kontakt zum Tierheim gesucht hat: „Wir haben noch nie Leute mit Problemen vor der Tür stehen lassen“, betont Alex. Oberg betont: „Ein Anruf hier hätte gereicht und wir wären hingefahren und hätten die Tiere geholt.“
Die Tiere werden nun gepflegt und sollen bald neue Besitzer finden. „Meerschweinchen sind eigentlich gut zu vermitteln. In diesem Fall ist es aber wichtig, dass die Leute sich sehr gut mit den Tieren auskennen. Die Kleinen müssen mehr gepflegt werden als im Normalfall. Meerschweinchen sind super nette Tiere und nicht aggressiv, wenn man sie vernünftig hält.“