Pilar geht es nicht darum, die einzige Soester Künstlerin zu würdigen, die damals inmitten einer reinen Männerwelt (alle anderen Exponate stammen von Männern) Ruhm und Anerkennung fand. Schon gar nicht geht es ihr um die Verherrlichung einer Ideologie oder darum, einem Personenkult anzuhängen. Sandra del Pilar will vielmehr das Gespür dafür wecken, wie vielschichtig und schwierig die Aufarbeitung des Phänomens Hedwig Maria Ley ist.
Und sie will den Schnitt verdeutlichen, den die Machtübernahme der Nationalsozialisten für die Moderne bedeutete. Das Netzwerk Soester Künstler zerriss, sie wurden von der Avantgarde abgehängt. Sie durften nicht mehr frei schaffen. Viele ihrer Arbeiten verkamen zur NS-Propaganda.
Die Soesterin Barbara Köster entwirft in ihrem Buch „Lebenswege Soester Frauen im 19. und 20. Jahrhundert“ ein differenziertes Bild von Hedwig Maria Ley. Die Künstlerin studierte an der Münchener Kunstgewerbeschule, machte eine Steinmetzausbildung, besuchte eine Holzschnitzerschule und absolvierte die Meisterschule für Bildhauerei – ein Metier, das für Frauen damals unüblich war. Auch für Literatur und Schauspiel interessierte sich die junge Frau. Obwohl sie in München und später in Düsseldorf lebte, wurde sie in der heimischen Presse „Soester Künstlerin“ und „Tochter unserer Stadt“ genannt. Den „Durchbruch“ erlebte sie mit der Hitler-Büste und bekam daraufhin zahlreiche weitere Aufträge, unter anderem von Paul von Hindenburg und Gottlieb Daimler. Die Stadtväter schwammen auf dieser Erfolgswelle gerne mit. Ende der 30er-Jahre zog sich Hedwig Maria Ley aus der Öffentlichkeit zurück.
Das dreidimensionale Ausnahmewerk ist in einer Vitrine zu sehen. Diese steht erhöht, so wie es bei Büsten der Fall ist. Den Hintergrund bildet ein damals sehr bekanntes Foto der Bildhauerin Ley mit der Hitlerbüste. Davor hat Sandra del Pilar einige für ihr Arbeiten typischen zarte Gaze-Vorhänge gespannt, auf denen sich dieses Foto wiederfindet – fragil, fein, leicht. Auf dem Boden liegt eine kleine Hitlerbüste.
Nichts ist für den Betrachter genau erkennbar, nichts ist fassbar, alles scheint mehr Erinnerung und Ahnung zu sein als Wissen. Das duftige Arrangement setzt einen Kontrapunkt zur klotzigen NS-Monumentalkunst der damaligen Zeit, wirkt wie eine ironische Anmerkung. Blickt man durch die auf der Scheibe markierte Jahreszahl 2021 erkennt man gegenüber 1932 – das Jahr, in dem Hedwig Marie Ley mit der Arbeit an der Hitlerbüste begann. Sie kannte den „Führer“ persönlich und soll die Erste gewesen sein, für die er Modell saß. Die Partei autorisierte das Bildnis, das später vielfach reproduziert wurde und der Bildhauerin höchste Aufmerksamkeit bescherte.