Was Wolfgang Wendelmann vom NRW-Innenministerium da anschaulich im Sitzungssaal des Kreishauses ausrollte, war die beeindruckende Dokumentation einer kriminellen Karriere, wie sie leider viel zu häufig verläuft – auch im Kreis Soest. Bestrafung alleine, das lehrt die Erfahrung, beeindruckt längst nicht alle Kinder und Jugendliche genug, um ein Leben ohne Straftaten zu führen.
Dabei wäre das nicht nur für sie persönlich gut, auch die Gesellschaft hätte große Vorteile davon: Jeder Intensivtäter verursacht rein statistisch Folgekosten in Höhe von 1,7 Millionen Euro, nicht zu beziffern ist das Leid der Opfer dieser Straftaten.
Kein Wunder also, dass Nordrhein-Westfalen mit seinem Programm „Kurve kriegen“ große Aufmerksamkeit findet – etwas Vergleichbares gibt es weder in einem anderen Bundesland noch im EU-Ausland. Der Kreis Soest ist seit einem Jahr dabei – eine gute Gelegenheit.
Eine erste Bilanz fällt positiv aus – obwohl die insgesamt zehn betreuten Kinder und Jugendlichen nicht von einem Tag auf den anderen gesetzestreue Leben führen. „Die Erwartungshaltung bei den Kollegen der Polizei, aber auch bei Eltern und an den Schulen ist hoch“, weiß Christine Müller, die mit ihrem Kollegen Michael Remmert auf Seiten der Kreispolizei mit den beiden Pädagogischen Fachkräften Nanette Niggemann und Katharina Neubert zusammenarbeitet. Die beiden Letzteren sind für die intensive Betreuung der neun Jungen und einem Mädchen in mehreren Kommunen im Kreis zuständig.
Ihre Arbeit ist anstrengend und intensiv, persönliche Gespräche mit den jungen Leuten und Menschen aus ihrem Umfeld kennen grundsätzlich keine Wochenenden oder frei Abende. Aber es lohnt sich. „Nach einem Jahr können wir feststellen, dass noch niemand das Programm verlassen musste“, erklärt Nanette Niggemann – ausgelegt sind die Betreuungszeiten normalerweise auf jeweils zwei Jahre (siehe Infokasten).
Zielgruppe von „Kurve kriegen“ sind Kinder und Jugendliche von 8 bis 17 Jahren. Voraussetzungen für eine Teilnahme, die kostenlos ist, sind mindestens eine angezeigte Gewalttat und/oder drei angezeigte Eigentumsdelikte sowie verschiedene Risikofaktoren.
Die Sorgeberechtigten müssen zustimmen, Polizei und Pädagogen entscheiden gemeinsam über eine Aufnahme. Finanziert wird das Programm vom Land NRW.
Landesweit, rechnete Wolfgang Wendelmann im Kreishaus vor, gelten nach inzwischen zwölf Jahren 1000 Absolventen als „erfolgreich“. Sie haben einen Weg gefunden heraus aus kriminellen Milieus oder Teufelskreisen, die sie oft genug irgendwann auch selber maßgeblich mit in Gang gesetzt haben.
Dass sie die Kurve gekriegt haben, macht keine Schlagzeilen – bewahrt aber vor einem Leben mit einer langen Liste von Verurteilungen.