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Puschel und Krümel als Brücke zu den Patienten

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Von: Dirk Wilms

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Barbara Adrian bietet mit Puschel (links) und Krümel Therapien vor allem für Patienten in der Geriatrie an.
Barbara Adrian bietet mit Puschel (links) und Krümel Therapien vor allem für Patienten in der Geriatrie an. © Peter Dahm

Für Barbara Adrians Mutter gehörte ein Hund nicht in die Wohnung, geschweige denn ins Bett. Sie war in der Landwirtschaft groß geworden; da war früher ein Hund Aufpasser auf dem Hof, der Chef unter den Tieren, aber nicht Teil der Familie. Umso berührender waren die Momente, die die Soesterin vor sechs Jahren erlebte.

Soest - Ihrer betagten Mutter ging es gar nicht gut. Täglich besuchte die Tochter die alte Dame, stets in Begleitung ihres Hundes Leo. Der kleine Malteser hockte brav im Schlafzimmer auf dem Boden. „Doch eines Tages legte Leo eine Pfote auf ihr Bett“, erzählt Barbara Adrian. „Sie nahm die Pfote und streichelte sie, sodass Leo schnell eine zweite Pfote aufs Bett legte. Da forderte sie ihn auf, sich doch auf ihr Bett zu legen. Mit Leo an ihrer Seite ist sie dann verstorben.“

Dieses Erlebnis hat die Soester Schmerztherapeutin so stark berührt, dass sie ihre Überlegungen zur Ausbildung eines Therapiehundes verstärkte. Der besondere Zugang, den Hunde offenbar für Menschen entwickeln, hatte sie fasziniert. Offenbar hatte Leo gemerkt, dass der Todeszeitpunkt der alten Dame nicht mehr fern ist. Leo war aber zu alt, um noch ins Training als Therapiehund einzusteigen.

Drei Jahre später aber entpuppte sich ein neuer kleiner Vierbeiner in der Familie Adrian als geeigneter Kandidat für eine solche Ausbildung. Barbara Adrians Sohn und seine Freundin hatten Puschel als knapp dreijährigen Havaneser zu sich genommen. Die Hundedame vertrug sich bestens mit Leo. Und zu Barbara Adrian entwickelte Puschel eine besondere Bindung.

Also kam die Idee, mit Puschel die Therapieausbildung zu beginnen. Das Ausbildungszentrum für Tiergestützte Therapie Oberhausen schien die geeignete Einrichtung, um das Vorhaben umzusetzen. Trotz der bald beginnenden Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen gelang es. „Wir haben in 15 Monaten bis April 2021 viel online gemacht“, schildert Barbara Adrian. Am Ende hielt sie das Zertifikat in den Händen, das Puschel die Eignung als Therapiehund bescheinigt. Grundlegender und erweiterter Grundgehorsam waren ebenso gefordert wie Medical Training und Körperpflege-Übungen, wie Leinenführigkeit und Fußfolge und auch der individuelle Einsatz. Ebenso war richtiges Verhalten bei der Begegnung mit Artgenossen erforderlich.

Puschel bestand mit Barbara Adrian die Prüfung mit Bravour, kann nun in der Therapie von Patienten in der Geriatrie eingesetzt werden. Auch für Schmerzpatienten kommt ein Einsatz in Frage, ebenso im palliativen Bereich. „Tiere sind eine Brücke zum Patienten“, führt sie einige Beispiele an. So öffnete sich eine aus Polen stammende Patientin erst bei der Begegnung mit dem Hund, sprach plötzlich fließend Deutsch, nachdem sie zuvor vorgegeben hatte, dies nicht zu können.

So erlebte Barbara Adrian, wie ein Herr im Walpurgis-Heim in Soest nur noch apathisch gelegen habe. „Als er Krümel an der kurzen Leine gesehen und der Hund sich bei ihm eingekuschelt hatte, ging ein Lächeln über sein Gesicht, das bis zum Abend andauerte“, beschreibt die Therapeutin, wie groß und schnell die Wirkung eines Hundes sein kann.

Krümel ist als sechswöchiger Welpe zur Familie Adrian gestoßen. Der Rüde, eine Mischung aus Havaneser und Malteser, ist gerade einmal elf Monate jung und zeigt schon jetzt sein Talent als Therapiehund. „Er sprang einer jungen Patientin, die von suizidalen Gedanken getrieben war, sofort auf den Schoß und kuschelte sich ein. Er merkt, wenn es jemandem nicht gut geht“, so Barbara Adrian, die Krümel jetzt selber ausbildet, ehe er mit 15 Monaten seine praktische Prüfung ablegen kann.

Eine andere Patientin legte im Beisein von Puschel die Angst ab, mit einem Rollator zu laufen. Offenbar machen Hunde auch Mut. Gleichwohl sind die beiden Adrian-Schützlinge keine Assistenzhunde. Vielmehr kommen sie als Therapiehunde zum Einsatz, damit zum Beispiel demente Menschen bestimmte Abläufe mithilfe der Hunde erkennen. „Da geht es um Ressourcen-Arbeit. Manche Menschen erinnern sich dann, dass sie auch mal einen Hund hatten.“

Im Klinikum möchte Barbara Adrian die Therapie in Absprache mit der ärztlichen Leitung in kleinen, maximal drei Personen umfassenden Gruppen zunächst ehrenamtlich arbeitend anbieten. Das freut auch Frank Beilenhoff. „Dazu bedarf es aber noch eines Hygienekonzepts, das vom Gesundheitsamt abgesegnet wird“, betont der Klinikum-Sprecher. Denn normalerweise dürfen Tiere das Krankenhaus nicht betreten.

Die Therapiestunden würden dann auch in den Räumlichkeiten der Schmerzklinik im Erdgeschoss stattfinden, sodass ein direkter Kontakt mit den Stationen nicht gegeben wäre. „Die Dauer der Einheit hängt dann immer von den Patienten und den Hunden ab“, so Barbara Adrian weiter. Denn beide Seiten dürfen nicht überfordert werden. Mehr als zwei Therapieeinheiten pro Woche kommen für die Hunde daher auch nicht in Frage.

„Man muss erkennen, wann der Hund sich nicht mehr wohlfühlt. Wenn Hunde sich die Pfote lecken oder sich schütteln, stehen sie unter Stress“, will die Therapeutin ein solches Szenario auf jeden Fall vermeiden. Davon hätten auch die Patienten nichts mehr. Die profitieren nur von Puschel und Krümel, wenn es den Hunden gut geht. Es beruht eben auf Gegenseitigkeit.

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