Und: Nicht mal alle kommen zur Tafel. Auf ein Drittel, vielleicht sogar nur ein Viertel der Menschen, die das Angebot nutzen könnten, schätzt König ihre Zahl. Und doch sind das bereits so viele, dass die Helfer reagieren und die Ausgabe auf 14-tägig reduzieren mussten.
„Wir haben eine Gruppe A und eine Gruppe B“, beschreibt Maike Oesterhaus, wie die Tafel den Ansturm seither bewältigt. Eine Gruppe kann in den geraden, die andere in den ungeraden Wochen bei der Tafel einkaufen. Die Kunden müssen nachweisen, dass sie bedürftig sind. Das heißt, dass sie einen Nachweis vorzeigen müssen, wonach ihnen Sozialgelder zustehen. Das kann Wohngeld sein, Grundsicherung, Asylbewerberleistungen. Wer einen Bescheid hat, darf den Tafelschein beantragen.
Viele, die kommen, nehmen dafür einiges auf sich. „Wer zu Fuß von der Unterkunft Eilmser Wald losläuft, um Lebensmittel bei der Tafel zu bekommen, den muss man nicht fragen, ob er das wirklich braucht“, sagt König.
Dabei sehen sich die Tafeln ausdrücklich nicht als Versorger. „Unser Ziel ist es nicht, jeden Menschen satt zu machen“, sagt Oesterhaus, „wir können nur unterstützen.“ Und aufklären. Denn „es gibt viele, die die Realität nicht kennen“, glaubt die Koordinatorin. Ein Beweis für die These ist die scharf geführte Debatte um das Bürgergeld und die damit einhergehende Erhöhung der Bezüge um 50 Euro. 50 Euro mehr im Monat, das sind gerade einmal 12,50 Euro mehr pro Woche, 1,78 Euro am Tag. Was „gönnt“ man sich von so viel Geld? Nicht mal ein Stück Butter, um es genau zu sagen. Die kostet im Discounter inzwischen 2,29 Euro, und die Butter ist so etwas wie der Inbegriff der Inflation, denn hier zeigt sie sich besonders deutlich.
Die Budgets eines Hartz-IV-Empfängers sind genau kalkuliert. Wer Grundsicherung erhält, der hat zum Beispiel 37,26 Euro für Bekleidung und Schuhe monatlich „über“, weiß Michael König und überlegt laut, wie viele Kleidungsstücke, inklusive Unterwäsche, sich jeder von nicht mal 450 Euro im Jahr wohl anschaffen kann.
Die Debatte um die Erhöhung empfindet er als unwürdig, „beschämend“, nennt sie seine Kollegin. Nicht zuletzt, weil sie ein Menschenbild offenbare, das die Menschen, die die finanzielle Unterstützung brauchen, als Schmarotzer hinstellt, zu faul, um sich eine Arbeit zu suchen. Mithin, erinnert König, war es kein Geringeres als das Bundesverfassungsgericht, das den bisherigen Hartz-IV-Regelsatz für zu niedrig erklärt hat.
Es ist tröstlich zu sehen, dass viele Menschen diese Ansicht offenkundig nicht teilen. Das weiß, wer in dem Meer aus Tüten und Paketen steht, die sie alle in den „Schiefen Turm“ getragen haben, um die Weihnachtspäckchen-Aktion der Tafel zu unterstützen. „Bestimmt 1400“ Tüten und Pakete bedecken den Boden. Samstag war Ausgabetag.
Die Tafel hatte verschiedene Zeiten ausgegeben, sodass sich keine langen Schlangen bildeten. Von 9 bis 17 Uhr herrschte steter Betrieb. Die Helfer – fast 50 über den Tag verteilt – gaben anhand der Familiengröße die Päckchen aus. „Wir werfen immer einen Blick rein und füllen auch mal auf, wo es nötig ist“, sagt Maike Oesterhaus.
Viele Spender haben sich große Mühe gegeben, ihre Päckchen zu gestalten. Karten sind dabei, oft eingepackte Geschenke. Für die Kleinen legt die Tafel Spielzeug dazu, das die Firma Hasbro gestiftet hat.
Leuchtende Kinderaugen sind also gewiss. Darauf freut sich auch Irina. Sie kommt aus der Ukraine, lebt mit ihren beiden Kindern seit Kriegsausbruch in Soest. „Wir spüren, dass die Menschen hier sich Sorgen machen“, sagt sie. „Diese Aktion ist wie ein eigener Feiertag. Es ist eine Hilfe – und es macht so vielen Menschen eine Freude.“