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Soester Allerheiligenkirmes heißt: Taxifahren extrem

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Von: Kathrin Bastert

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Claudia Gröschler erwartet – wie ihre Taxifahrerkollegen – anstrengende Kirmestage.
Claudia Gröschler erwartet – wie ihre Taxifahrerkollegen – anstrengende Kirmestage. © Daniel Schröder

Für Soests Taxifahrer stehen mit der Kirmes die anstrengendsten Tage des Jahres ins Haus. Zwei von ihnen erzählen.

Soest – Kirmes ist Ausnahmezustand. Diese Behauptung hat Gültigkeit für fast jeden, der an den fünf tollen Tagen in Soest wohnt oder arbeitet. Für manche aber mehr als für andere. Für Taxifahrer zum Beispiel. Claudia und Michael Gröschler fahren schon seit Jahrzehnten Kirmesgäste nach Hause (und auch hin zur Kirmes, natürlich). Sie macht das hauptberuflich, in diesem Jahr an drei Tagen jeweils zwölf Stunden lang. Ihr Ehemann fährt nur nebenbei, seit 30 Jahren schon. In diesem Jahr setzt er zur Kirmes allerdings aus – „mein Führerschein geht im November auf Urlaub“, verrät er – ärgerliche Folge eines kurzen Kontakts mit einem bayerischen Radargerät. Immerhin beschert es dem Soester aber die Möglichkeit, seit langem mal wieder richtig zu feiern.

Kirmes fängt für die Berufsfahrer nicht erst am Mittwoch nach Allerheiligen an. Kirmes ist, sobald es die ersten Sperrungen gibt und die ersten Fahrgeschäfte mit dem Aufbau beginnen. Dann wird es (noch) schwieriger, Ärzte in der Innenstadt zu erreichen, und manchen Umweg müssen die Taxen in Kauf nehmen. Ab Mittwoch geht innerhalb der Wälle dann nichts mehr ohne eine Durchfahrtbescheinigung. Die stellt der Kreis als zuständige Behörden für die Lizenzierung der Taxen aus. Damit kommen sie an (einigen) relevanten Sperrpunkten vorbei. Für 38 Soester Taxen hat der Kreis in diesem Jahr Durchfahrtbescheinigungen ausgestellt. Auswärtige Fuhrunternehmen können eine zeitlich und räumlich begrenzte Ausnahmegenehmigung für die Kirmestage beantragen und dann ebenfalls in Soest ihre Fahrdienste anbieten.

Taxifahren auf der Allerheiligenkirmes: 38 Soester und mindestens 15 externe Taxen im Einsatz

2022 nehmen das fünf Firmen aus Nachbarorten im Kreis mit sechs Fahrzeugen in Anspruch, weitere vier Firmen mit Betriebssitz außerhalb des Kreises (vorrangig aus dem HSK) hatten bis Donnerstagnachmittag eine entsprechende Lizenz für neun Autos beantragt – „es werden noch Anträge erwartet“, sagte ein Kreissprecher: „Hier gilt der Grundsatz, dass für nicht mehr als ein Drittel des Taxi-Fahrzeugbestandes eines Betriebes eine solche Ausnahmegenehmigung beantragt werden kann.“ Auch diese Taxen erhalten die Durchfahrtbescheinigungen. Wer keine Genehmigung hat, darf nicht fahren. Tut er es doch, kann der Kreis ein Bußgeld erheben. Rückblickend auf den Zeitraum der letzten fünf Jahre habe es – anonym oder durch Mitbewerber – Hinweise auf Lizenzverstöße gegeben, teilt der Kreis auf Nachfrage mit. „Die jedoch nicht geahndet werden konnten, da die Beweislage nicht aussagekräftig genug war.“ Das gilt übrigens auch für Privatfahrer, die die Kirmes als günstige Gelegenheit sehen, sich schwarz ein paar Euro zu verdienen. Erlaubt ist das nicht – „aber wohl schwer nachzuweisen“, vermutet Michael Gröschler.

In der Zentrale von Taxi Schulte, für die auch die Gröschlers fahren, ist Inhaber Bernhard Mense nervös: „Es ist eine gewisse Anspannung da vor der Kirmes.“ Seit sieben Jahren ist Mense Inhaber des Soester Taxiunternehmens. Bevor es richtig losgeht, bangt er vor allem um die Einsatzfähigkeit seiner Fahrer. Natürlich gibt es eine Urlaubssperre. Aber allein vier Mitarbeiter stünden ihm wegen einer Corona-Infektion zurzeit nicht zur Verfügung. Er hofft, dass er zumindest 18 seiner 20 Autos von Mittwoch bis Sonntag durchgehend im Einsatz haben wird.

Corona ist ein Thema, das auch Claudia Gröschler unruhig macht. Dass die Maskenpflicht – immerhin noch vorhanden in allen öffentlichen Verkehrsmitteln – zu vielen Diskussionen führen wird, damit muss sie fest rechnen. „In der Regel lassen wir unsere Fahrgäste hinten einsteigen“, beschreibt Bernhard Mense die immer noch gültigen Corona-Maßnahmen in seinen Taxen. Das geht natürlich nicht, wenn vier Fahrgäste in einer Limousine Platz nehmen wollen. Und auch dann nicht, wenn jemand aufgrund von Größe oder Umfang nicht in den Fond passt. Dann hilft die Verbundglasscheibe, die Fahrer und Passagier noch voneinander trennt, auch nicht weiter. Große Erwartungen knüpft Claudia Gröschler also für die kommenden fünf Tage nicht an den Corona-Schutz. „Jeder, der zur Kirmes geht, kann für sich selbst entscheiden, ob er sich der Enge aussetzen und das Risiko eingehen will. Ich kann das aber nicht.“ Was ihr bleibt, ist, sich selbst mit FFP2-Maske zu schützen. Ihr werde ein bisschen mulmig, wenn sie daran denke, sagt sie.

Und es ist nicht das Einzige im Zusammenhang mit der Kirmes, auf das sie sich wenig freut. „Schwierig ist auch immer die Toilettenfrage, gerade für uns Frauen.“ Allzu viele Möglichkeiten ergeben sich nicht. An normalen Arbeitstagen kann sie die sanitären Anlagen in den Arztpraxen nutzen, die sie mit ihren Fahrgästen anfährt. Die sind zur Kirmes zu. Und der Zeitfaktor spielt natürlich auch eine Rolle. Denn Kirmes heißt: Fahrt auf Fahrt. „Wenn ich dazwischen mal schaffe, eine Zigarette zu rauchen, ist das viel.“ Nicht nur die Soester fahren übrigens gern mit dem Taxi nach Hause. Bis Paderborn, Dortmund: Selten kommt es nicht vor, dass die Kirmesbesucher deutlich weiter entfernte Ziele angeben. „Gerade dann, wenn wieder ein Zug nicht fährt, ist das Taxi erste Wahl“, weiß Michael Gröschler. Sehr beliebt sei es auch, mit dem Taxi das eigene Auto zu suchen, berichtet er, und seine Frau lacht zustimmend: „Das steht immer an einer grünen Mauer und in der Nähe einer Kirche.“ Einen ganzen Vormittag lang ist Michael Gröschler mal am Kirmessonntag mit einem Auswärtigen durch die Stadt getingelt, bis der Parkplatz endlich gefunden war.

An großen Ärger mit betrunkenen Fahrgästen können – oder wollen – sich die Gröschlers nicht erinnern. „Klar gibt es das immer wieder mal“, sagt Claudia, „unangenehm ist es einfach, wenn sie extrem laut sind.“ Die meisten allerdings „wollen einfach nach Hause“, ergänzt Michael Gröschler. „Das größte Problem haben wir dann, wenn sie einschlafen.“ Weil sie dann schwer wach zu bekommen sind – oder der Taxifahrer im Blindflug ist, weil er nicht weiß, wo er den Gast absetzen soll.

A propos absetzen: Eine Anekdote fällt dem Soester doch noch ein. Da war vor etlichen Jahren mal ein Fahrgast, den er an den Warsteiner Stuben einsammeln und zu einem gewissen Etablissement in Lippetal fahren sollte. Nun hatte der Herr mit dem gewissen Bedürfnis schon ordentlich getankt, erinnert sich Gröschler. Vor dem Bordell stieg er aus, der Taxifahrer blieb noch eine Weile stehen, um abzurechnen. Und beobachtete, wie der Gast zunächst an ein parkendes Auto pinkelte. Um dann an der Tür zu klopfen – und eine Abfuhr zu kassieren. „Die Puffmutter gab ihm gleich zu verstehen, dass es ihr Auto war, an dem er sich erleichtert hatte.“ Also stieg der Gast nicht im Freudenhaus ab, sondern wieder ins Taxi ein. Und fragte Gröschler, wo er sonst noch landen könnte an diesem Abend. „Mir fiel dann die kleine Bude an der Walburgerstraße ein, die es damals noch gab“, erinnert er sich. Dort angekommen lernte der Chauffeur, dass Kirmes offenbar auch für andere Branchen Ausnahmezustand heißt: „Der Mann stellte sich dann brav in eine Reihe mit sieben, acht anderen. Und wartete, bis er dran war...“

Endlich wieder Kirmes: Alle relevanten Informationen fassen wir in unserem Countdown zusammen.

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