An diesem Kirmesmittwoch ist es der dritte Falschparker, den Miroslaw Truch aus den Gassen der Altstadt holt. Bis Sonntag dürften es bis zu dreimal so viele sein, schätzt Jens Mertens. Der 50-Jährige macht den Job des „Politeurs“ – er selbst bleibt gern bei der Berufsbezeichnung „Politesse“ – seit zwölf Jahren. Das Team des Soester Ordnungsamtes zählt drei Köpfe, neben Mertens noch Jürgen Kemper und eine Kollegin. Seit einem halben Jahr ist Kemper dabei, er ist also Kirmes-Novize. Immerhin eine Ahnung von dem, was ihm bevorsteht, hat er schon in den Aufbautagen bekommen, „da haben wir schon an der ein oder anderen Stelle abgeschleppt.“
Mit dabei ist an diesem Abend auch Stefan Meyer, eigentlich Leiter der Abteilung Finanzen im Rathaus. Zur Kirmes werden alle Verwaltungsabteilungen in den kirmesrelevanten Bereichen eingesetzt. Meyer hat sich für die Parkraumüberwachung eingetragen, „ich hab’s schon dreimal probiert, jetzt hat’s geklappt“, freut er sich auf Einblicke in die Arbeit der Kollegen. Er ist Begleitperson, dafür da, Zeuge zu sein, wenn es ans Knöllchen verteilen und letztlich ums Abschleppen geht. Die andere Seite, quasi den „Innendienst“, wird er am Sonntag bei seinem Dienst im Sicherheitsbüro kennenlernen. Die Suche nach Falschparkern unternehmen die Drei vom Ordnungsamt mit dem Auto. An normalen Diensttagen kommt Jürgen Kemper auf 15 bis 20 Kilometer täglich, zu Fuß. Jens Mertens hat die Autoroute über die Kirmes mit den Jahren immer weiter optimiert. Er kommt an den üblichen Schwerpunkten vorbei, ist aber auch schnell überall da, wo Rettungswege versperrt oder private Parkplätze belegt sind.
Zuerst stoppt er an der Ecke Severinstraße/Osthofenstraße. Er winkt die Jungs vom externen Sicherheitsdienst ran, die hier darauf achten sollen, dass kein Unbefugter durchfährt. „Gerade habt ihr einen durchgelassen“, sagt Jens Mertens, „guckt bitte genau hin!“ Die beiden geloben Besserung, Mertens macht das Fenster wieder hoch. Immer wieder könne sich doch ein Auswärtiger an den Posten vorbeimogeln berichtet er. Das beste Beispiel wird er etwas später in der „Grünen Hecke“ finden. Der erste „Fall“ an diesem Abend ist aber ein Anwohnerfahrzeug, das in der Wilhelmstraße zu weit in der Einmündung steht. Fünf Meter Abstand vom Scheitelpunkt der Kurve heißt hier die Regel. Bevor Jürgen Kemper zu schreiben beginnt, wird telefoniert. Die Kollegen im Rathaus haben Kontaktdaten von allen Anwohnern. Parkt einer falsch, wird er erst angerufen, dann aufgeschrieben. „Wenn wir ihn erreichen und er kommt sofort, kriegt er kein Knöllchen.“ Die Halterin dieses Pkw ist schnell genug da. Statt Knöllchen kriegt sie von Jens Mertens sogar einen Tipp, wo sie zumindest bis zum nächsten Morgen um 7 Uhr stehen kann.
Wenn sie eins nicht seien, dann Abzocker, betonen Mertens und Kemper. „Wir versuchen immer, die beste Lösung zu finden.“ Manchmal sogar dann noch, wenn der falsch geparkte Wagen schon (fast) am Haken hängt. 55 Euro Bußgeld werden fällig, wenn ein Auto im absoluten Halteverbot steht. 100 Euro kostet die Anfahrt des Abschleppers. Schleppt er wirklich ab, bekommt er bei Abholung 200 Euro. Jens Mertens ist in der Stadt bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Er kennt die Faschparker-Spots – „in der Haarhofsgasse ist eigentlich immer was“ –, und er kennt die Autos. Im Idealfall ist nach einem kurzen Gespräch die Kuh vom Eis. Natürlich gucken sie genau hin, das müssen sie auch. Fotos werden gemacht, es wird auch mal genau nachgemessen. Und es wird, auch und gerade zur Kirmes, auch mal ein Auge zugedrückt.
Den Kleinwagen, der in der Thomästraße zwischen Baum und Hauswand auf dem Gehweg klemmt, hat Mertens durchaus gesehen. Aber ein kurzer Blick genügt: Keine Behinderung, er lässt es gut sein. Das geht nicht immer. Und nicht immer reicht es, den Falschparkern ins Gewissen zu reden. Die Stimmung sei allgemein aggressiver geworden, berichten die beiden Politessen. Mancher fährt erst zähneknirschend weg. Und dann im Kreis, um sich gleich wieder hinzustellen. „Man erkennt sie am Gang“, scherzt Mertens, der versichert: „Ich kann auch sehr gut im Kreis fahren.“
In der Ulrich-Jakobi-Wallstraße steht ein BMW in der Rettungsbedarfsfläche. „Den kenn ich“, sagt Mertens, „der holt sich bestimmt grad einen Döner.“ Kollege Jürgen steigt nur kurz aus, schon fährt die Limousine weg. Ein paar Meter weiter erinnert sich die Politesse an eine schöne Begebenheit: Genau hier, vor einem Fachwerkhaus, stand ein Suzuki. Mertens warf seinen fachmännischen Blick: „Alles okay.“ Stunden später sprach ihn ein Ehepaar am Potsdamer Platz an: „Wir können unser Auto nicht finden.“ Zwei gezielte Fragen später konnte Mertens den beiden genau beschreiben, wo sie es wiederfinden können. „Das war wirklich ein irrer Zufall.“