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Allerheiligenkirmes: Die Grenzen des Wachstums sind erreicht

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Von: Achim Kienbaum

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Allerheiligenkirmes Soest Happy Sailor
Ein paar Runden im „Happy Sailor“ gehörte für große und kleine Kirmesfans einfach zu einem gelungenen Bummel. Diese Runden müssen jetzt ausfallen. © Peter Dahm

Die Soester Allerheiligenkirmes verändert sich. Das war schon immer so. Diesmal allerdings ist aufgefallen, dass viele „Stammgäste“ fehlten. Warum das so ist - und wie es sich entwickeln wird.

Soest – Die Allerheiligenkirmes ist auch nicht mehr das, was sie mal war? Stimmt! Und das war schon immer so – eins der Erfolgsrezepte für eine derartige Großveranstaltung ist es schließlich, mit der Zeit zu gehen. Was aber im Vergleich zu früheren Jahren tatsächlich in diesem Jahr spürbar anders war, das ist die Richtung, in die es geht: Die Zeiten des stetigen Wachstums sind vorbei, stattdessen geht die Fahrt rückwärts. Fünf Tage lang mag die Allerheiligenkirmes für viele Besucher eine Insel sein, auf der sie den Sorgen des Alltags entfliehen können – für die Schausteller, die dieses Vergnügen möglich machen, ist es genau anders herum: Das ist der Alltag, mit all seinen Herausforderungen. Und die sind so groß geworden, dass sie kaum mehr oder gar nicht zu meistern sind.

Dass das nach den harten letzten Jahren, vor allem geprägt von der Pandemie, keine Einzelfälle sind, zeigte sich auch auf der Allerheiligenkirmes 2022: Eine ganze Reihe von „Stammgästen“, die vielen Besuchern mit den Jahren ans Herz gewachsen sind, fehlten in diesem Jahr. Es gab unübersehbare Lücken, besonders sichtbar in der Brüderstraße, wo die „Spezialistenmeile“ im Vergleich zu früheren Jahren merklich ausgedünnt erschien – ein Eindruck, der nicht täuscht: „Das Schrumpfen der Kirmes hat begonnen“, beschreibt das Marktmeister Klaus Matteikat, intimer Kenner der Branche und deshalb alles andere als überrascht von der bundesweit zu beobachtenden Entwicklung. Für die gibt es ganz unterschiedliche Gründe.

Was die Spezialisten betrifft, streichen viele Beschicker angesichts der schier übermächtigen Konkurrenz im Online-Handel die Segel. „Es gibt ja nichts mehr, was Kunden nicht auch im Internet kaufen können“, erklärt Klaus Matteikat. Selbst ausgefallene Kuriositäten, früher fast ausschließlich bei den mobilen Händlern auf Volksfesten zu bekommen, werden heute online angeboten und auch gekauft. Zu spüren war diese Entwicklung auf der Kirmes auch auf dem merklich geschrumpften Topfmarkt auf dem Vreithof. Viele Schausteller leiden mit ihren Betrieben aber vor allem unter einem eklatanten Mangel an Mitarbeitern. Das betrifft nicht nur die ganz großen Fahrgeschäfte, die eine große Crew möglichst erfahrener Helfer zum Auf- und Abbau sowie zum Transport ihrer Anlagen benötigen, sondern auch die kleinen Familienbetriebe, oft mit gastronomischen Angeboten.

So suchte man in diesem Jahr unter anderem Veteranen der Allerheiligenkirmes wie die Familie Lemoine mit ihrem Crèpes-Stand auf der Dominikanerstraße oder Willi Kebbens Bratwurststand unweit der Wiesenkirche vergeblich – wie der „Happy Sailor“ von Schausteller Manfred Howey oder der „Hau den Lukas“ und andere schafften sie es nicht, rechtzeitig auf anderen Volksfesten ab- und in Soest wieder aufzubauen. Und ihnen dürften in den nächsten Jahren weitere vertraute Gesichter folgen – weil ohnehin ein Generationswechsel in der Schaustellerschaft zu beobachten ist, weil der Personalmangel in der Branche bleiben wird und, genau, sowieso nichts im Leben bleibt, wie es war.

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