1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Soest

9-Euro-Ticket endet - in Soest gibt es schon eine Alternative

Erstellt:

Von: Kathrin Bastert

Kommentare

9-Euro-Ticket am Hansaplatz in Soest.
Einstieg Hansaplatz: Nur noch bis einschließlich Mittwoch, 31. August, ist die Fahrt mit dem 9-Euro-Ticket möglich. Das Angebot endet nach drei Monaten. © Peter Dahm

Was kommt nach dem 9-Euro-Ticket? In Soest gibt es schon eine Alternative, sie gilt allerdings nur innerhalb der Stadtgrenzen. Auch ein Sozialticket für den Kreis ist schon etabliert.

Soest – Allein von den Verkaufszahlen her war das 9-Euro-Ticket ein Renner, das gilt im Kreis Soest wie deutschlandweit. Ob es den beabsichtigten Effekt hatte? Mindestens hatte es Effekte. So beobachtet Michael König, Leiter der Soester Sozialberatungsstelle, dass die günstige Möglichkeit, Bus und Bahn zu fahren, für seine Klienten „eine ganz enorme Erleichterung“ war. Arztbesuch, Behördengang, auch Wohnungs- oder Arbeitssuche: Wer kein eigenes Auto hat – „und die Leute, mit denen wir zu tun haben, haben kein eigenes Auto“ – konnte drei Monate lang durchatmen. Und vom Fleck kommen.

Wer beruflich pendelt, mag sein ganz eigenes Fazit ziehen. Der ein oder andere könnte den ÖPNV für sich entdeckt haben. Andere werden womöglich resümieren, dass die Anbindungen keine Alternative zum Auto darstellen. Forderungen nach einer Anschlusslösung fürs 9-Euro-Ticket jedenfalls liegen auf dem Tisch. Eine Initiative mit dem Titel „9-Euro-Ticket-weiterfahren“ rief unter der gleichlautenden Webadresse am Samstag (27. August) bereits zu einem bundesweiten, dezentralen Aktionstag auf.

Diskutiert wird auch über ein 365-Euro-Ticket. Immerhin: So etwas gibt es längst in Soest. Wer innerhalb der Stadtgrenzen und bis in die Ortsteile fährt, ist für 1 Euro am Tag dabei. Die Stadt subventioniert das RLG-Angebot, Voraussetzung ist, dass das 30-Euro-Ticket im Monatsabo gekauft wird. Im Mai, vor Einführung des 9-Euro-Tickets, nutzten 182 Soester das Angebot. Die Abozahlen dürften stabil bleiben, weil die Differenz zum 9-Euro-Ticket erstattet wurde. Wer allerdings regelmäßig weiter fahren muss als zur Ortsgrenze, muss nachlösen.

Für Empfänger von Sozialleistungen gibt es seit 2016 eine Alternative. Wer im Kreis Soest wohnt, kommt mit dem „Mobiticket“ der RLG für 37 Euro im ganzen Heimatkreis herum, 27 Euro kostet das „Sozialticket“ innerhalb der eigenen Stadt oder Gemeinde. 1150 Menschen nutzen das Ticket nach Angaben der RLG. Vorteil des Mobitickets ist, dass es in Bus und Bahn gilt.

Dass es noch keine echte Alternative für alle sei, gibt Michael König zu bedenken: „Ich würde sagen, dass ein Ticket für vielleicht 15 Euro ein Modell sein kann. 30 Euro, das ist für viele einfach schon zu viel.“ Dabei ist rein rechnerisch, ein Betrag für „Verkehr in den Hartz-IV-Satz eingepreist, wie das Jobcenter auf Nachfrage erklärt: „Im Regelsatz für Erwachsene wird der Pauschalbetrag von 41,13 Euro für den Punkt ‘Verkehr’ vorgesehen. Darunter fallen auch Reparaturen für Fahrräder usw. Für die Nutzung des ÖPNV gehen wir von ca. 30 Euro/Monat aus. Fahrten zu Bewerbungsgesprächen, zum Jobcenter etc. werden zusätzlich vom Jobcenter übernommen.“

Matthias Hehl ist Geschäftsführer der Tarifgemeinschaft Münsterland – Ruhr-Lippe und damit verantwortlich für den Westfalentarif, der in Bus und Bahn im Nahverkehr gilt. Im vergangenen November präsentierte er dem Verkehrsausschuss des Kreises Soest ein 365-Euro-Modell. Dass es einmal ein 9-Euro-Ticket geben könnte, war damals nicht einmal vorstellbar. Hehl rechnete der Kreispolitik damals vor, dass allein im Kreis Soest mit der Einführung einer „1-Euro-amTag“-Lösung ein Mindererlös von rund 10,4 Millionen Euro realistisch wären, gleichzeitig aber die Fahrgastzahlen um 28 Prozent steigen könnten. Der entscheidende Unterschied zum 9-Euro-Ticket bliebe, dass es nicht über die Tarifgrenzen hinaus gelten würde. „Der Preis ist nur eines der Kriterien, die Kunden zur ÖPNV-Nutzung bewegen“, betont Matthias Hehl. Noch vor dem Preis stünden fehlende oder nicht bekannte Angebote, schlechte Verfügbarkeit, zu lange Fahrtdauer und geringer Beförderungskomfort. „Der Preis allein regelt das Problem nicht.“

Das heimische Nahverkehrsunternehmen RLG bilanziert für seinen Wirkungsbereich (Kreise Soest und Hochsauerland) 45 973 verkaufte 9-Euro-Tickets. Wieviele ihr Ticket in der Bahn kauften, lässt sich nicht regional darstellen. „Trotz starker Nachfrage reichte das normale Fahrtangebot aus. Es waren weder zusätzliche Busse noch zusätzliche Fahrpersonale notwendig, um die Nachfrage abzudecken“, sagt RLG-Sprecherin Annette Zurmühl. Auf die Frage nach einer Nachfolgelösung verweist sie auf den Vorschlag des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen auf Einführung eines – bundesweit gültigen – 69-Euro-Tickets. Ab 1. September gilt aber erstmal wieder der Westfalentarif mit all seinen Angeboten für Dauerkunden. Auch ein 30-Tage-Ticket ist darunter, in der Preisgruppe 1M zum Beispiel könnten Soester für 82,20 Euro bis Bad Sassendorf pendeln, für 103,40 Euro bis Werl.

Insgesamt bewerte die RLG das 9-Euro-Ticket positiv, sagt Zurmühl. „Das Ticket ist bestechend einfach und zusammen mit dem günstigen Preis hat das viele Menschen überzeugt.“

Auch interessant

Kommentare