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Nach 100 Jahren ist erstmal Schluss: Traditionelles Krippenspiel abgesagt

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Von: Klaus Bunte

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Ein Bild aus der Vergangenheit, das es möglicherweise in Zukunft nicht mehr geben wird: das Krippenspiel in der Hohnekirche.
Ein Bild aus der Vergangenheit, das es möglicherweise in Zukunft nicht mehr geben wird: das Krippenspiel in der Hohnekirche. © Peter Dahm

Nach fast 100 Jahren wird das traditionelle Soester Krippenspiel in der Hohnekirche erstmals abgesagt. Ob es jemals wieder aufgeführt werden kann, ist wegen verschiedener Faktoren unklar.

Soest – 1920 uraufgeführt, wäre in diesem Jahr der 100. Geburtstag des Soester Krippenspiels nachgeholt worden, nachdem es zweimal der Pandemie zum Opfer gefallen war. Somit könnte in diesem Jahr also doch wieder alles wie vor Corona sein. Kann es aber nicht, weil eben nicht alles wie vor Corona ist – sondern noch viel schlimmer. Und so wurde das Krippenspiel, das für viele Soester einen bedeutenden Teil ihres Weihnachtsfests bedeutet, am vergangenen Wochenende abgesagt.

Es ist die Eskalation einer jahrzehntelangen Entwicklung. Eigentlich sollten es Schüler sein, die stets am Donnerstag vor Heiligabend zu zwei Vorstellungen in die Hohnekirche einziehen. Doch in den vergangenen Jahren war das Krippenspiel keine schulische Veranstaltung mehr.

Keine schulische Veranstaltung mehr: Kontakte brachen weg

Der Kontakt zum Aldegrever-Gymnasium versickerte nach der Verrentung des früheren Spielleiters Heinz Hengst – er verstarb im März 2013 im Alter von 91 Jahren, sein Ruhestand liegt also fast 40 Jahre zurück. 2011 übernahm für ihn David Selle, als Leiter eines ganzjährig und bundesweit tourenden Schulzirkusses ist er jedoch kein Lehrer. Musiklehrerin Raynhild Hartung-Weier, seit 1979 die musikalische Leiterin, verließ das Archi-Gymnasium vor sieben Jahren.

Von da an war das Krippenspiel endgültig keine schulische Veranstaltung mehr – schon aus versicherungsrechtlichen Gründen ein großes Problem. Eine schriftliche Anfrage in diesem Jahr an die drei Gymnasien, ob sie nicht willens wären, die Traditionsveranstaltung komplett zu übernehmen, wurde vom Archi mit einer höflichen Ablehnung quittiert und von den anderen beiden Einrichtungen komplett ignoriert.

Generationenspiel in Hohnekirche: Ehemalige helfen immer mehr aus

Die Emmaus-Gemeinde als Gastgeber sprang als Veranstalter in die Bresche. Was das Hauptproblem nicht beseitigte: die Nachwuchssorgen. Über die vergangenen drei Jahrzehnte fanden sich immer weniger Schüler, die mitwirken wollten, und so nahm der Anteil Ehemaliger, die einspringen und aushelfen, stetig zu. Selle prägte dafür den Begriff „Generationenspiel“, hatte der älteste Mitwirkende doch bereits die 70 passiert. Auch ein Aufruf Ende Oktober im Anzeiger brachte nur spärliche Reaktion.

Im aktuellen Ensemble fanden sich nur noch vier Schüler. Die jüngsten der Ehemaligen, die am 22. Dezember das Krippenspiel bestritten hätten, befinden sich in Ausbildung oder Studium, die etwas älteren bereits im Beruf, haben zum Teil schon Familien gegründet, viele leben gar nicht mehr in Soest, sodass die Proben von den angestammten Terminen an den Werktagen auf die Wochenenden verlegt werden mussten.

Doch die räumlichen Distanzen, Urlaubspläne und andere terminliche Verbindlichkeiten, hauptsächlich aber die aktuell grassierenden Erkältungs- und Lungenkrankheiten sorgten dafür, dass immer nur ein kleiner Teil aller Mitwirkenden an den Proben teilnehmen konnte.

Reißleine wird gezogen: Zu viele Krankheitsfälle und zu wenig Zeit für Solisten

Am dritten Adventswochenende schließlich zog Hartung-Weier im Einvernehmen mit Ludwig Dörr, der in diesem Jahr als Spielleiter einsprang, die Reißleine: „Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich hätte sie ja auch schon früher fällen können, hatte aber noch Hoffnung, und so schnell gebe ich auch nicht auf. Am Samstag waren aber wieder nur wenige Leute da, weil so viele krank waren. Da mache ich auch niemanden einen Vorwurf.

Ich habe dadurch aber bislang kaum mit den Solisten proben können, auch Schauspielproben fanden kaum statt. Darunter leidet auch die Qualität. Und es kommt ja nicht allein darauf an, dass wir unseren Spaß haben, es muss auch gewisse Ansprüche erfüllen – und das wäre diesmal nicht gegeben. Vor allem aber ist die Gefahr zu groß, dass zu den Aufführungen wieder so viele Leute krank sind.“

Wieder-Aufführung ist unklar: Enttäuschung bei allen groß

Die Enttäuschung bei den Spielern ist groß – in doppelter Hinsicht. Denn da hiermit die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte einen traurigen Höhepunkt gefunden hat, steht zu Recht die Frage im Raum, ob das Krippenspiel denn im kommenden Jahr wird stattfinden können – dann wären seit der letzten Aufführung von 2019 vier Jahre ins Land gezogen.

Doch eine Besserung der Lage ist ja nicht in Sicht, im Gegenteil: Obendrein wird ein neuer Regisseur gesucht, da David Selle sich aus beruflichen Gründen dazu nicht mehr in der Lage sieht. Und wie motiviert die Gruppe sein wird, zu den Proben zu erscheinen, wenn doch mehr denn je eine erneute Absage droht, steht auf einem weiteren Blatt. Sie hofft vielmehr, dass vielleicht einheimische Fans des Krippenspiels ihre Plätze vor dem Hohne-Altar einnehmen möchten. Das Mindestalter betrug zuletzt elf Jahre, geprobt wird immer nur ab Ende der Herbstferien.

Aber die Mitwirkenden bleiben dennoch optimistisch, hoffen quasi auf eine Art Weihnachtwunder: „Ich denke auch, dass die Chancen für das nächste Jahr gerade nicht ideal aussehen, aber andererseits hat dieses Jahr auch gezeigt, dass es viele engagierte Leute gibt, denen viel am Krippenspiel liegt. Und es haben sich tolle Leute für die Organisation und Grundsatzfragen eingesetzt“, beschreibt es Stefanie Vedder, eine frühere Maria-Darstellerin – übrigens Abi 2010. Heute lebt sie in Kassel.

Kontakt

soester-krippenspiel.de.

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