Tradition zum Leben erweckt: Steffensknechte gehen wieder von Haus zu Haus

Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause lebt der alte Brauch des Stephanus-Singens wieder auf. Bis auf Völlinghausen findet das Stephanus-Singen in den Orten der Gemeinde statt, die die Tradition seit jeher pflegen.
Möhnesee – Am Zweiten Weihnachtstag, 26. Dezember, dem Tag des Hl. Stephanus, findet in vielen Orten der Gemeinde Möhnesee das traditionelle Stephanus-Singen und die anschließende Versteigerung nach zwei Jahren Corona-bedingter Zwangspause wieder statt. Gesammelt werden nach altem Brauch Naturalien: Eier, Würste, Speck, Schinken und gerne auch Wein, Schnaps und Sekt.
Steffensknechte: Brüllingsen und Ellingsen
In Brüllingsen sind alle ab 16 Jahren eingeladen, sich morgens um 10 Uhr am Pfarrheim im Ort zu treffen. Von dort aus geht es über die Haar in die Ostheide, ab 13 Uhr nach Ellingsen und später am Tag nach Brüllingsen. Corona machte der Tradition, dessen Ursprung weit in die Vergangenheit reicht, einen Strich durch die Rechnung: Im Jahr 2020 wurde gar nicht gesammelt. Im Jahr 2021 konnten die Knechte zwar losziehen, sammelten allerdings nur Geld; das ist in diesem Jahr aber nicht zielführend, denn: Was die Knechte eingesammelt haben, wird am selben Tag abends ab 20 Uhr im Gasthof Griese in Brüllingsen versteigert. „Die Versteigerung ist ein Stück Kultur im Ort“, sagt Auktionator Stefan Hüttenschmidt. „Die Versteigerung ist eine so angenehme, unterhaltsame, ja launige und kurzweilige Veranstaltung, die muss man einfach erleben“, heißt es im neuesten Pfarrbrief. Der Erlös kommt dem Erhalt der Dreikönigskirche im Ort zugute.
Steffensknechte: Wamel
In Wamel treffen sich die Steffensknechte um 13 Uhr am Feuerwehrgerätehaus im Ort. Die Knechte sind nicht ausschließlich männlich: Auch Mädchen und Frauen sind zum Mitsingen herzlich eingeladen, berichtet Pastor Ludger Eilebrecht. Das Gesammelte wird am Mittwoch, 28. Dezember, um 20 Uhr in der Hubertushalle in Wamel versteigert. Der Erlös soll größtenteils der Soester Tafel zugutekommen; ein kleinerer Teil soll dem Erhalt der St.-Elisabeth-Kirche Wamel dienen, erklärt Eilebrecht.
Steffensknechte: Völlinghausen
In Völlinghausen fällt das traditionelle Stephanus-Singen auch dieses Jahr zum dritten Mal nach Ausbruch der Pandemie aus. Bisher hätten sich keine Knechte finden können, erklärt Eilebrecht das Ausfallen des Brauchs. Der alte Brauch des Stephanus-Singens hat sich bis heute im Gemeindegebiet in Brüllingsen, Ellingsen, in Wamel und bis vor der Pandemiezeit auch in Völlinghausen erhalten. „Es ist eine schwierige Zeit. Wir hoffen, dass sich nächstes Jahr wieder mehr junge Leute finden werden“, wünscht sich Hans-Joachim Linnhoff, Mitglied des Gemeindeausschusses, den Fortbestand der alten Tradition. Demnach treffen sich noch heute die unverheirateten Männer – nach neuer Tradition auch Frauen des Dorfes – ziehen mit einem Handkarren von Haus zu Haus. In einer Zeit, als noch in jedem Haus selbst geschlachtet wurde, erhielten sie als Lohn für ihr Lied Leber und Blutwürste, die zunächst gesammelt und dann am Abend in der Gastwirtschaft versteigert wurden.
Steffensknechte: Die Geschichte der Tradition
Der ursprüngliche Gedanke des Steffensknechtsingens war es, mit dem Erlös die Kirchenkerzen des kommenden Jahres zu finanzieren. Heute, in einer Zeit, in der Hausschlachtungen nicht mehr üblich sind, erhalten die Steffensknechte andere Naturalien oder aber auch Geld. Wie vor langer Zeit werden die gesammelten Werke am Abend meistbietend versteigert – eine Aufgabe, die der Kirchenvorstand übernimmt. Der Erlös kommt meist noch immer der Kirche zugute. Bei dem Steffensknechtsingen, das am Festtag des Heiligen Stephanus, des ersten Märtyrers der katholischen Kirche, stattfindet, handelt es sich um einen vermutlich Jahrhunderte alten Brauch, der nur noch in einigen Gemeinden an der Haar und im Möhnetal gepflegt wird. Jetzt wird die Tradition nach zehrenden Corona-Jahren wieder zum Leben erweckt.
Der Erzmärtyrer Stephanus
Direkt nach Weihnachten gedenkt die Kirche des heiligen Stephanus – der um das Jahr 40 wegen seines Glaubens gesteinigt wurde, als erster Märtyrer des Christentums. „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ Diese Worte wurden Stephanus als Gotteslästerung ausgelegt, wofür er zum Tode verurteilt wurde. In der Apostelgeschichte gilt er als außergewöhnlicher Zeuge für Christus.