Noch deutlicher, und persönlicher, wurde Boris Cramer (FDP): „Ich hoffe hier immer wieder vergeblich darauf, dass das Kreisjugendamt fähige Mitarbeiter schickt, die verlässliche Zahlen nennen können. Inzwischen glaube ich, dass es diese Mitarbeiter dort nicht gibt“, griff der Liberale Leiterin Deertz frontal an.
Die reagierte verärgert und verwies auf unvermeidliche Unwägbarkeiten der Planung sowie begrenzte Einflussmöglichkeiten des Kreises auf übergeordnete Entwicklungen wie den Fachkräftemangel. Dort seien vor allem Bund und Länder in der Pflicht, den Beruf attraktiver zu machen, um so dringend benötigtes Fachpersonal zu bekommen.
Das werde, so Patricia Deertz, auch deshalb dringend gebraucht, weil spätestens 2026 mit der Auflösung von heilpädagogischen Kindergärten der Anteil von Kindern mit besonderem Förderbedarf in den Kitas steigen werde – und damit auch die Zahl der Mitarbeiterinnen, die das leisten sollen.
Dabei wird mehr Personal, da war sich die Runde ausnahmsweise einig, ebenso nötig sein wie bauliche Erweiterungen in den nächsten Jahren. „Wir können wahrscheinlich relativ zügig einen neuen Kindergarten bauen“, erklärte zum Beispiel Andreas Rohe (BG), „aber was nutzt das, wenn niemand darin arbeitet?“
Wer gedacht hatte, dass die Sitzung nach dem Abschied des Duos aus Soest in ruhigerem Ton verlaufen werde, sah sich schnell getäuscht – und das hatte nicht zuletzt mit den Beiträgen mehrerer Kita-Leiterinnen zu tun, die als Gäste die Sitzung verfolgten und mehrfach das Wort ergriffen.
Klar ist: In der Gemeinde werden in den kommenden Jahren mehr Kitaplätze benötigt als derzeit zur Verfügung stehen. Unklar ist: Wie viele werden das sein? Bei der Planung kann das unmöglich genau vorhergesagt werden – neue Baugebiete, Zu- und Wegzüge und die Entwicklung bei Flüchtlingen sind einige der Gründe – Prognosen lassen allerdings die Dimension des Problems zumindest erahnen.
So geht das Kreisjugendamt bei seiner Planung für das Kindergartenjahr 2023/2024 von 38 fehlenden Plätzen im Gemeindegebiet aus, ungefähr gleich verteilt auf U3 und Ü3 Kinder. Das würde drei bis vier neuen Gruppen entsprechen.
Bürgermeisterin Maria Moritz rechnet dagegen mit einem noch größeren Bedarf in den nächsten Jahren und „vier bis fünf Gruppen“.
Relativ kurzfristig könnten für rund 50 000 Euro zehn neue Plätze im „Flohzirkus“ in Körbecke eingerichtet werden. Dazu hat der Schulausschuss aber am Mittwochabend einen entsprechenden Beschlussvorschlag an den Rat gestrichen.
Dabei wurde erneut Kritik an der Arbeit des Kreisjugendamtes laut: Die in der Sitzung vorgelegten Belegungszahlen seien nicht korrekt, darüber hinaus habe es in der Vergangenheit mitunter Monate gedauert, bis beim Kreis gemeldete freie Plätze in Möhneseer Kitas wieder mit Kindern besetzt worden seien.
Für die Politik, allen voran Boris Cramer, war das Anlass für eine dringende Bitte um Stellungnahme seitens des Jugendamtesamtes, das die Zahlen noch einmal prüfen soll. Birgit Honsel (CDU) regte dazu an, das gemeinsam mit den Kitas, der Verwaltung und der Politik sowie dem Jugendamt, alle vereint an einem Runden Tisch, zu tun. Ein Vorschlag, der rundum Zustimmung fand und dann auch in einen entsprechenden Beschlussvorschlag mündete.
Die Hoffnung dabei: Möglicherweise gibt es ja doch genügend freie Plätze in Möhneseer Kitas, um eine Aufstockung im „Flohzirkus“ in Körbecke noch zu vermeiden. Der Runde Tisch muss allerdings schnell zusammen kommen, um noch rechtzeitig Klarheit in dieser Frage zu bekommen: Schon Anfang Dezember werden die Kita-Leitungen mit den Eltern der für das nächste Jahr angemeldeten Kinder entsprechende Vereinbarungen über einen Platz abschließen – danach wird es mit der „Flexibilität“, so eine der Leiterinnen, weitgehend vorbei sein.
VON ACHIM KIENBAUM
Es wäre despektierlich, die Diskussion im dafür zuständigen Fachausschuss „Kindergarten“ zu nennen – Kindern und Erzieherinnen gegenüber. Vorausgesetzt, alle Beteiligten wollten am Mittwochabend nicht nur spielen, sondern ein gravierendes Problem lösen, nämlich die zumindest mittelfristig gesicherte bedarfsgerechte Versorgung Möhneseer Kinder mit qualifizierter Betreuung, scheiterte die Runde auf ganzer Linie.
Das für die Planung in der Gemeinde zuständige Jugendamt des Kreises machte eine denkbar schlechte Figur und nur wenig Hoffnung darauf, die absehbare Unterversorgung mit Kitaplätzen in enger Abstimmung mit Politik, Verwaltung und Trägern abwenden zu können.
Einige Ausschussmitglieder stießen mit selbstgefälligen Rüpeleien lieber vor den Kopf als Lösungsansätze anzustoßen. Die Verwaltung hatte es über mehrere Monate hinweg nicht geschafft, alle Träger wegen halbwegs kurzfristig möglicher Erweiterungen ihrer Kapazitäten abzufragen. Und die Kindergärten hatten sich ihrerseits lieber an den Ausschussvorsitzenden mit ihren Sorgen gewendet als an die Bürgermeisterin.
Da passte es ins Bild, dass am Ende der Diskussion kein Beschluss gefasst wurde, der einer Lösung des Problems näher kommen könnte – im Gegenteil: Es wurde ein Schritt zurück gemacht.
„Kinder an die Macht“ singt Herbert Grönemeyer. „Sind sie doch schon“, würde ich sagen – aber das wäre, genau, despektierlich ...