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Der Kämmerer zur finanziellen Lage

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Kämmerer Günter Wagner.
Kämmerer Günter Wagner.

MÖHNESEE ▪ Ausführlich hat sich Kämmerer Günter Wagner bei der Einbringung des Haushalts 2012 mit der Finanziellen Lage der Gemeinde Möhnesee auseinander gesetzt. Lesen Sie hier seine Rede im Wortlaut.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren des Rates, sehr geehrte Anwesende,

das noch junge Jahr 2012 hat bis zum heutigen Tag schon einige Kraft und Energie gekostet.

Daher möchte ich zunächst den Verantwortlichen und Mitarbeitern bzw. Mitarbeiter-innen im Rathaus, aber vor allem auch den Kolleginnen und Kollegen der Kämmerei meinen Dank für die geleistete Arbeit aussprechen.

Warum aber hat das Jahr 2012 schon einige Kraft und Energie gekostet? Hierfür sind mehrere Gründe ursächlich, die allesamt noch aus dem Jahr 2011 „hinübergerettet“ wurden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle keinesfalls die ausreichend, aber noch nicht abschließend geführte und inzwischen ermüdende Diskussion um die Höhe der Kreisumlage erneut entfachen. Falsche gesetzliche Grundlagen sowie beratungsresistente Kreisverantwortliche sind an dieser Stelle und mit unseren Möglichkeiten nicht zu beeinflussen.

In diesem Fall hilft nur der Blick nach vorn, denn hadern mit den gegebenen Zuständen verstellt den Blick für die notwendigen eigenen Anstrengungen und Maßnahmen.

Auch soll keine nochmalige Diskussion über die Änderungen des Gemeindefinanzierungsgesetzes GFG 2012 – Stichwort: Soziallastenansatz – erfolgen. Die Auswirkungen in Zahlen sind so gravierend für die gemeindlichen Finanzen – und dies auf lange Sicht - dass wir alle gemeinsam noch eine erhebliche Zeit damit zu kämpfen haben werden.

Wenn nicht bald ein Umdenken in Brüssel, Berlin, Düsseldorf und Soest stattfindet, werden die kommunalen Haushalte insgesamt und v. a. in Nordrhein-Westfalen explodieren (Grafik 3: „Landkarte mit den o. g. Städten und kleiner Bombe“). Das Eigenkapital als Gradmesser für die Generationengerechtigkeit wird sich auf der linken Bilanzseite wieder finden und die Fremdkapitalquote wird stetig steigen.

Das bedeutet nichts anderes, als dass in wenigen Jahren all das, was über Jahr-zehnte durch unsere Vorfahren geschaffen wurde, „verlebt“ ist und wir unseren Kindern nahezu in der Höhe untilgbare Schulden überlassen.

Aber wie heißt es so schön im Volksmund: „Die erste Generation baut es auf, die zweite Generation lebt davon und die dritte Generation (und das sind wir) verzockt den Rest“.

1. Ergebnis: Wir arbeiten und es bleibt ein Minus übrig…

2. Ergebnis: Wenn wir nicht arbeiten, bleibt ebenfalls ein Minus übrig…

Welche Lösung gibt es?

Sehr geehrte Damen und Herren, wir stimmen sicherlich darin überein, dass wir die Zukunft der Gemeinde Möhnesee und die Entscheidungen darüber, was in unserer Gemeinde als wichtig oder als weniger wichtig angesehen wird, nicht den Banken und Ratingagenturen überlassen dürfen. Dies setzt allerdings voraus, dass wir nun spürbare Schritte zur Haushaltskonsolidierung erarbeiten, damit die Gemeinde Möhnesee möglichst langfristig von einem Haushaltssicherungskonzept verschont bleibt.

Damit dieses Ziel erreicht werden kann, müssen aber einige in der Vergangenheit immer wieder deutlich gewordene Denk- und Argumentationsmuster durchbrochen werden.

1. Der Verweis auf die Lage anderer Städte oder auf die fortgesetzten Konnexitätsverletzungen durch Bund und Land hilft unserem Haushalt zunächst keinen Millimeter weiter und interessiert im Übrigen Banken und Ratingagenturen „nicht die Bohne“. Für die vielerorts bestehenden Haushaltsprobleme gibt es auch eine kommunale Mitverantwortung.

2. Wie der heute vorgelegte Verwaltungsentwurf zeigt, kann allein aus den Effekten einer positiven Konjunkturentwicklung, etwa über den Gemeindeanteil an der Einkommen- bzw. Umsatzsteuer, die Schlüsselzuweisungen sowie die Gewerbesteuer, keine ausreichende Entlastung für die Zukunft erreicht werden.

3. Die Verschiebung von Lasten auf die Zukunft stellt keine Lösung dar, sondern potenziert die zukünftigen Probleme. Dementsprechend muss das Schwergewicht der entlastenden Maßnahmen in einem freiwilligen HSK in den nächsten Jahren liegen.

4. Die Zeiten, in denen mit verwaltungsinternen Optimierungen und Kürzungen Mitteleinsparungen erreicht werden konnten, ohne dass die Auswirkungen für die Bürger und Bürgerinnen spürbar werden, sind vorbei.

5. Die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung erfordert ein enges und vertrauens- volles Zusammenwirken aller Fraktionen sowie der Verwaltung; ein jeweils selektives Auswählen im Sinne „da mache ich mit“ und „da mache ich nicht mit“ schwächt die Erfolgsaussichten des Gesamtprojekts.

6. Die zu ergreifenden Maßnahmen müssen sich sowohl auf die Ertrags- als auch auf die Aufwandsseite beziehen.

7. Es müssen alle Bereiche des gemeindlichen Haushalts in die Konsolidierungsmaßnahmen einbezogen werden. Damit verbietet es sich gleichermaßen, einzelne Bereiche oder Produkte unter eine „Glasglocke“ der Unverzicht- oder Unhinterfragbarkeit zu stellen.

8. Sämtliche Beteiligungen bzw. Verlustabdeckungen der Gemeinde müssen – im Rahmen ihrer Aufgabenstellung und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – Beiträge leisten. Bei allem Verständnis und aller Sympathie für das Engagement der Beteiligten für die Belange der Beteiligungen bzw. gemeindlichen Verlustbringer, müssen die Interessen der Gemeinde vorgehen.

9. Bei allen gemeindlichen Maßnahmen müssen wir noch mehr die Wirkungsorientierung im Auge halten. Es genügt angesichts der knappen Mittel eben nicht mehr, in guter Absicht für eine ehrenwerte Aufgabe Mittel bereitzustellen. Wesentlich mehr als bisher ist es erforderlich, bei der Mittelbereitstellung Erwartungen hinsichtlich der zu erzielenden (betriebswirtschaftlichen) Effekte zu formulieren und deren Realisierung auch zu kontrollieren.

10. Die Definition von Zielen und die Messung der Zielerreichung muss als Maßstab für Priorisierungen und Schwerpunktsetzungen dienen.

Aussagen in der Form, das die gewünschte Mittelbereitstellung am Ende eine vermutete Mehreinnahme bei der Gemeinde verursacht, ohne dass dies quantitativ messbar gemacht wird, sind nicht mehr akzeptabel. Nur weil etwas in der Vergangenheit so unterstellt wurde, heißt das nicht, dass gegenwärtig bzw. in der Zukunft die gleichen Wirkungszusammenhänge bestehen.

11. Zu guter Letzt: Wir müssen den Bürgern und Bürgerinnen die Wahrheit sagen. Der Staat hat insgesamt über Jahrzehnte über seine Verhältnisse gelebt und mein Eindruck ist, dass der Bürger weit mehr die Wahrheit schätzt als das ständige Herumlamentieren unserer angeblichen Eliten.

Es muss sich etwas ändern und es wird sich auch etwas ändern, weil ansonsten unsere Kinder zu Recht die Rente gegen die Kreditzinsen aufrechnen werden.

Ein Wort zur Schulden-/Finanzkrise als Exkurs: Dieser Tage fand ein Vortrag im Zusammenhang mit der Schuldenkrise bei der IHK Arnsberg statt. Viel wurde an diesem Abend von den Ursachen dieser Entwicklung gesprochen. Hohe Staatsverschuldung einzelner Länder, überzogene Kreditausweitungen oberhalb des realwirtschaftlichen Wachstums, Eingehen von erheblichen Kreditrisiken und und und.

Nur eine Frage konnte nicht beantwortet werden, nämlich die, wie es jetzt weiter gehen soll. Sollen die alten Schulden mit immer mehr neuen Schulden beglichen werden? Soll es evtl. sogar einen Schuldenschnitt geben – bei wem – bei uns? – und in welcher Höhe? Ist gar eine massive Geldentwertung notwendig?

Der Bundestagsabgeordnete (immerhin finanzpolitischer Sprecher einer kleineren Volkspartei) konnte jedenfalls auf diese Fragen keine Antwort geben. Lediglich der Hinweis, man sei eigentlich gegen alles, blieb am Ende zu konstatieren, ohne jedoch eine Lösung für die drängenden Probleme präsentieren zu können.

Was zeigt diese Hilflosigkeit? Rhetoriker aller Parteien haben sich aufgestellt, um wortgewaltig über Dinge zu reden, die längst aus dem Ruder gelaufen sind und wo ganz andere Mechanismen (namentlich Marktmechanismen) regieren. Die ansonsten allzu schnell aus den Schubladen geholten Maßnahmenpakete sind allenfalls kurzfristige reaktive Befreiungsschläge ohne einen Hauch an Erfolg versprechender langfristiger Konsolidierung und Ursachenbekämpfung.

Der Körper ist verseucht und vorsichtshalber schlägt man erst mal den Arm ab…

Ich habe zwar auch keine zufrieden stellende Antwort auf all diese Fragen und Problemstellungen, zumindest keine „Kurzfristlösungen“, aber eines muss jedem klar sein. Ein verseuchter Körper ist nicht mit der Gabe von Arsen wieder gesund zu pflegen. Also bleibt nur der lange Weg einer schmerzhaften Therapie mit der Hoffnung auf langfristige Genesung…

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrte Ratsmitglieder, dies ist die ungeschminkte Wahrheit und ich betone ausdrücklich, dass hier keinerlei „Reserven“ mehr vorhanden sind.

Daher lade ich alle Verantwortlichen ein, ab Mitte des Jahres 2012 in Arbeitsgruppen gemeinsam mit der Verwaltung über die zukünftige Ausrichtung der gemeindlichen Finanzen zu beraten und den nächsten Haushalt frühzeitig vorzubereiten.

Wir werden gemeinsam keine schönen Entscheidungen treffen, aber für die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde Weichenstellungen vorbereiten, die auch bei den Bürgern und Bürgerinnen bleibende Eindrücke hinterlassen werden.

Noch ein Wort zur Regionale: Hier mag dem verwunderten Zuschauer nicht direkt einleuchten, dass auf der einen Seite Steuern und Gebühren steigen und auf der anderen Seite Millionen an Investitionen erfolgen sollen. Wie hängt dies zusammen?

Investitionen auf der einen Seite erhöhen unsere bilanzielle Aktivseite und unter sonst gleichen Bedingungen steigt das in der Vergangenheit durch Verluste bereits erheblich verminderte Eigenkapital der Gemeinde wieder an. Zukunftsinvestitionen sind also rein betriebswirtschaftlich gesehen eine notwendige und sinnvolle Gegenstrategie zum Eigenkapitalverzehr.

Auf der anderen Seite stellt sich sofort die Frage der Finanzierung. Hier kann ich ein gewisses „Polster“ vermelden, da die in der Vergangenheit erhaltenen investiven Zuschüsse des Landes teilweise angespart wurden und insofern ein Kassenbestand vorhanden ist, der ein adäquates und auf Nachhaltigkeit achtendes Investitionsverhalten erlaubt.

Auch Verkäufe von Aktiva, vor allem Grund und Boden bzw. gemeindeeigenen Gebäuden haben zu einem auskömmlichen Kassenbestand geführt, so dass zum einen Kredite vorzeitig getilgt werden konnten und bisher keinerlei Liquiditätskredite durch die Gemeinde beansprucht werden mussten.

Ein weiterer Faktor ist die Überlebensfähigkeit der Gemeinde im Wettbewerb mit anderen Kommunen.

Der Bürgermeister spricht in diesem Zusammenhang gerne von einer liebens- und lebenswerten Gemeinde. Dieses zu erhalten und damit auch für die Zukunft einen attraktiven Standort zu gewährleisten ist ein wichtiges Ziel zukunftsweisender Investitionsvorhaben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche allen Beteiligten eine ideenreiche Beschäftigung mit dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf 2012. Der Haushaltsplan ist damit eingebracht.

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