Jede Menge Dokumente hatte die Gemeindearchivarin bereits im April im Rahmen der Landesinitiative Substanzerhalt (LISE) nach Münster geschickt, um sie vor ihrem Säuretod zu bewahren. Das betraf vor allem Archivalien auf billigem Papier, das zwischen dem 19. Jahrhundert und 1980 hergestellt wurde und einen zu hohen Holzanteil barg. Man kennt das von Ausschnitten aus alten Zeitungen, die man sich aufbewahrt hat – obwohl das Papier ja nicht für die Ewigkeit gedacht war, im Laufe der Zeit erst vergilbte und dann, von der Säure des Holzes zersetzt, zerfallen. „Seitdem Papier im Laufe des 19. Jahrhunderts in Masse und immer billiger hergestellt wurde, sank die Qualität und der Säuregehalt stieg“, geht Lewald ins Detail. „Das Papier wird mit der Zeit brüchig und kann leicht reißen, daher muss es entsäuert werden, um es dauerhaft zu erhalten. Die entsäuerten Dokumente sind nun mit einem Säurepuffer versehen, der den Abbauprozess im Papier entscheidend verlangsamt. Eine Reinigung der Archivalien wirkt ebenfalls dem Papierzerfall entgegen, da das Entfernen von Verschmutzungen potenziellen Mikroorganismen und Schädlingen den Nährböden entzieht.“
Das Gemeindearchiv hat Schriftgut aus der Gemeindegeschichte von Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zur Restaurierung gegeben. Der Bestand A2 (Amtsverwaltung 1896 bis 1945) sowie drei Archivschachteln von A3 (Amtsverwaltung 1945 bis 1975) wurden einer Entsäuerung unterzogen, die Archivalien der von Donner’schen Forstverwaltung des Jagdschlosses St. Meinolf und Ländereien werden einer Trockenreinigung und befinden sich noch in Münster. Die Urkunde von 1602 wurde zum Planlegen befeuchtet und anschließend vorsichtig beschwert. Ein Pressen des Papiers war aufgrund des rückseitig angebrachten Siegels nicht möglich. Damit bei einer Befeuchtung die Tinte nicht ausblutet, wurde nur indirekt über die Gasphase befeuchtet. Die Tinte kam so nicht in direkten Kontakt mit „flüssigem“ Wasser und nahm keinen Schaden. Anschließend wurden die im Papier befindlichen Risse mit Japanpapier geschlossen. Das Dokument ordnet den Arrest des Caspar von Fürstenberg zugunsten des Soester Bürgers Johan Dolfus an. Aufgrund einer Appellation (Berufung) beim Herzog von Kleve soll nun eine Klage wegen Rechtsverweigerung beim Reichskammergericht verhandelt werden. Sie bezeugt so das Rechtswesen in der Region zur Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit.
Durch die Teilnahme an LISE werde Sorge getragen, dass das schriftliche Kulturgut der Gemeinde Möhnesee dauerhaft erhalten bleibt, deshalb nehme das Gemeindearchiv auch in diesem Jahr wieder an der Initiative teil. Das Archiv lädt interessierte Bürger ein, in den nun frisch zurückgekehrten historischen Dokumenten zu stöbern und in die Gemeindegeschichte einzutauchen – nach vorheriger Anmeldung, versteht sich. Davon nicht ausgeschlossen ist auch das Herzstück der „Rücklieferung“, das wohl älteste Dokument im Gemeindearchiv, das in einem gesonderten Karton kam: Die Urkunde von 1602 im Bestand Völlinghausen und die Syringer Mark, die für die Archivarin lange unentdeckt im Archivbestand schlummerte. Im ersten Gang rechts, ganz hinten, zusammengefaltet ganz unten in einem Karton liegend, habe sie das wertvolle Stück eher zufällig gefunden, erzählt Lena Lewald. An Knicken drohte es irgendwann zu reißen, weshalb es irgendwann einmal auf der Rückseite mit Klebefilm gekittet worden war.
Jawohl, Klebefilm auf einem 420 Jahre alten Dokument. Das LWL-Museumsamt konnte ihn zwar entfernen, doch der Leim war tief ins Papier eingedrungen und ließ sich nicht mehr aus dem Papiervlies lösen, die Spuren sind also noch sichtbar. Lewald: „Die aufliegende Klebstoffschicht hatte eine sehr unangenehme, kaugummiartige Konsistenz, die im Rahmen der Restaurierung erfreulicherweise nach und nach reduziert werden konnte.“ Was auf den ersten Blick wie ein kreisrunder Fettfleck wirkt, ist im Prinzip auch einer – auf der Rückseite befindet sich ein Siegel, was die Restaurierung nicht eben vereinfachte (siehe Infokasten). Die Urkunde ist nun auf einen Trägerkarton in einer Klappkassette montiert worden. So kann sie begutachtet werden, ohne das Papier direkt zu berühren. Dies dient dem vorbeugenden Schutz des Dokuments, denn es wirkt einer erneuten Verschmutzung entgegen. Hinter Glas und an die Wand oder in eine Vitrine kommt sie nicht, um sie vor dem schädigenden Einfluss des Tageslichts zu schützen. Das LWL-Archivamt in Münster hat das Schriftstück zudem auch digitalisiert, „wer es näher studieren will, muss also nicht zwingend das Original zur Hand nehmen“, meint Lewald. Und zum Studium der Urkunde lädt Lewald nicht ohne Hintergedanken ein – vielleicht findet sich ja jemand, der das noch entziffern kann, jene in geschwungener Kanzleischrift geschriebenen Worte im mittelniederdeutschen Dialekt. „Ich habe das mal versucht“, amüsiert sie sich. „,Zu allen Zeiten’ – die ersten drei Worte, so weit komme ich noch, aber dann hört es auch schon wieder auf.“ Bei deren Vortrag in Soest habe sie Kontakt aufgenommen mit einer Fachfrau aus Trier, vielleicht könne die den Inhalt ja der Nachwelt überbringen.
Das Gemeindearchiv Möhnesee, Dr. Lena Lewald, Küerbiker Straße 1 in Körbecke (Haus des Gastes, Seiteneingang) ist zu erreichen unter Telefon 02924/851967 oder per E-Mail an archiv@moehnesee.de