1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Möhnesee

Drei Frauen mit Post-Covid haben Hoffnung - und wollen sie gerne teilen

Erstellt:

Von: Achim Kienbaum

Kommentare

Ein Trio, das Hoffnung hat - und Hoffnung machen will: Susanne Koch, Heike B. und Nadine Busemann (von links).
Ein Trio, das Hoffnung hat - und Hoffnung machen will: Susanne Koch, Heike B. und Nadine Busemann (von links). © Privat

Werde ich jemals wieder gesund? Kann ich je wieder Sport machen? Reisen? Arbeiten? Diese Fragen quälen Nadine Busemann und Susanne Koch. Sie haben Post-Covid. Muskel-Schmerzen, dauerhafte Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten. Es ist ein halbes Jahr beziehungsweise mehr als ein Jahr her, dass sich die beiden mit Corona infiziert haben. Stand heute wissen sie noch nicht, ob und wann ihr Leben wieder wie zuvor wird. Aber ihnen geht es schon besser. Und: Sie haben Hoffnung. Hoffnung, die sie weitergeben möchten: mit einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Long- bzw. Post-Covid im Kreis Soest.

Möhnesee/Ense/Soest – Diese Selbsthilfegruppe haben Busemann und Koch zusammen mit Anke Busse initiiert. Neben einer bestehenden Online-Selbsthilfegruppe macht der Kreis Soest nun möglich, dass sich die Gruppe ab dem 5. Dezember regelmäßig in Präsenz treffen kann.

Was es bedeutet, an Post-Covid erkrankt zu sein und warum der Austausch in einer Selbsthilfegruppe hilfreich ist, erzählen Busemann und Koch in einem persönlichen Gespräch. Eigentlich hat Nadine Busemann aus Ense als Kfz-Mechatronikerin gearbeitet. Susanne Koch, gebürtig aus Möhnesee, war für ein internationales Unternehmen in London tätig. Das Leben der beiden hat wenig Parallelen. Bis Corona kommt.

„Ab dann hat sich unser Leben komplett geändert“, sagt Susanne Koch. Statt zu arbeiten, auf Reisen zu gehen, im Musikverein zu spielen oder Rennrad zu fahren, sind sie krank. Erst Corona, dann Long-Covid. Und wenn die Infektion mehr als zwölf Wochen her ist, spricht man von Post-Covid. Busemann und Koch teilen eine Krankheitsgeschichte, die je eigene Facetten hat.

Viele verschiedene Symptome

Die Symptome von Long- und Post-Covid sind keineswegs einheitlich. Es sind: Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Herzbeutelentzündung, Luftnot, ein bleierner Nebel über dem Gehirn, Kraftlosigkeit.

Nadine Busemann erzählt, dass bei ihr viele Symptome gleichzeitig oder abwechselnd auftreten. Sie kennt viele Tage, an denen ihre Muskeln und Gelenke schmerzen und sie sich komplett kraftlos fühlt. „Als wäre der Stecker gezogen“, sagt die 22-Jährige. „Oft war es so schlimm, dass es reichte, die Gabel zum Mund zu führen – und dann war Schicht im Schacht“. An solchen Tagen habe es sie nur ins Bett gezogen. Und dort gehalten. Sie sagt: „Ich habe es dann nicht mal geschafft aufzustehen, als das Telefon geklingelt hat.“

Im Mai hat sich Busemann mit Corona infiziert. „Verglichen mit meinen schlimmsten Tagen geht es mir heute wieder einigermaßen gut“, sagt sie. Mit der Zeit vor Corona kann sie ihr Leben dennoch nicht vergleichen. Neben Arztterminen ist ein Yoga-Kurs ihr einzig fester Termin im Kalender. Beruflich plant sie, Anfang 2023 mit der Wiedereingliederung zu beginnen. Sie muss lernen, ihre Kräfte einzuteilen. Sich an die eigene Grenze heranzutasten – und sie langsam zu verschieben. Rückschläge inklusive.

Ein Zustand, den auch Susanne Koch kennt. Sie sagt: „Oft merke ich erst einen Tag später, dass ich zu viel gemacht habe. Dann überrollt es mich wieder“. Deshalb lernt sie, stärker als je zuvor für sich verantwortlich zu sein. Was das bedeutet, schildert Koch anhand einer Situation.

Sie erzählt, wie sie in einem Restaurant am Möhnesee ist. Ein schöner Nachmittag. Dann merkt sie von einer Minute auf die andere, dass es zu viel wird – und muss sofort nach Hause. „Die Spontaneität im Leben ist weg“, sagt sie dann. „Ich kann fast nichts planen, weil ich nicht weiß, wie es mir in zwei Tagen oder zwei Wochen gehen wird.“

Sehnsucht nach Selbsthilfe ist groß

Im Gespräch ergänzen sich die beiden Frauen immer wieder. Sie erzählen, wie sie ähnliche Symptome quälen. Wie sie darum ringen, das neue Leben anzunehmen. Wie sie sich auf die Suche danach machen, was hilft. Busemann und Koch verstehen sich – und fühlen sich verstanden. Ein Gefühl, dass sie mit der Selbsthilfegruppe auch anderen Post-Covid-Patienten geben möchten.

Die Sehnsucht nach einer Selbsthilfegruppe im Kreis Soest ist groß. Das weiß auch Dana Stinson von der Stelle „Kiss“. Sie sagt: „Als Kontaktstelle bekommen wir regelmäßig Anfragen von Bürgern, die von Long/Post-Covid betroffen sind und sich nach einem Austausch mit ebenfalls Betroffenen sehnen.“ Dana Stinson hat die Leitung der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen im Kreis Soest (Kiss) inne.

Kontakt

Bei Interesse gibt es mehr Informationen und Details von der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen des Kreises Soest. Melden kann man sich per Mail an kiss@kreis-soest.de oder auch per Telefon bei Dana Stinson unter 020921/302162.

So geht es auch Heike B. aus Werl. Sie ist schon in der bestehenden Online-Selbsthilfegruppe aktiv. Nun möchte sie zu den Präsenz-Treffen in Soest kommen. Sie erzählt, dass sie anfangs niemanden in ihrem Umfeld kannte, der auch an Long-Covid erkrankt ist. Sie war verzweifelt, weil sie nicht wusste, wie sie mit der Krankheit umgehen soll. Einfach hinnehmen wollte sie es auch nicht. Deshalb hat sie nach einer Selbsthilfegruppe gesucht.

„Mir gibt der Austausch Hoffnung“, sagt Heike B., „weil ich mich nicht mehr allein mit der Krankheit fühle. Weil ich Menschen kennenlerne, denen es genauso oder noch schlechter geht wie mir. Die lassen auch nicht die Ohren hängen und kämpfen dafür, wieder positiv in die Zukunft zu blicken“. (Von Tobias Schulte)

Auch interessant

Kommentare