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„Die Erinnerung lebendig halten“

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Von: Thomas Brüggestraße

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Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (Wickede, links), Bürgermeisterin Maria Moritz (Möhnesee) und Enses Bürgermeister Rainer Busemann bei der Eröffnung der Ausstellung „80 Jahre Möhnekatastrophe“ im Antonius-Saal der Günner Schützenhalle.
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (Wickede, links), Bürgermeisterin Maria Moritz (Möhnesee) und Enses Bürgermeister Rainer Busemann bei der Eröffnung der Ausstellung „80 Jahre Möhnekatastrophe“ im Antonius-Saal der Günner Schützenhalle. © Thomas Brüggestraße

Mit zahlreichen Veranstaltungen und durchaus hochemotionalen Momenten ist in der Gemeinde Möhnesee der Katastrophe vor 80 Jahren erinnert worden.

Günne – In der Nacht von Dienstag, 16. Mai, auf Mittwoch, 17. Mai, gedachte eine Reisegruppe aus England mit den Bürgermeistern aus Ense, Möhnesee und Wickede, mit Ratsmitgliedern, einem Landtagsabgeordneten und Mitgliedern des Vorbereitungsteams für die Gedenkfeiern der Rollbombenangriffe auf die Sperrmauer und der anschließenden Flutwelle, die vor 80 Jahren bis tief ins Ruhrgebiet hinein Tod und Verwüstung brachte.

Am 17. Mai um 15 Uhr demonstrierten Grundschüler aus Günne, Körbecke und Völlinghausen mit einem Friedensmarsch über die Sperrmauer für Frieden und Freundschaft, trugen Plakate mit zig Landesflaggen und dem Wort „Frieden“ in den Sprachen der Welt. Sie sangen auch ein Lied über Frieden und Freundschaft, so, wie es zeitgleich auch Grundschüler im englischen Scampton taten. Dort waren Kinder mit der Deutschland-Flagge und dem Union Jack im Ort unterwegs, sangen ebenso für den Frieden und ließen sich in einer Handy-Live-Schalte von Meinolf Padberg und Bernd Husemann zeigen, was in Möhnesee auf der Sperrmauer los war.

Kurze Zeit später lud der Heimatverein um Cornelia Lahme und Jürgen Sittel zu einem musikalischen Gedenken ans Mahnmal am Fuß der Sperrmauer. Lukas Knieper spielte auf dem Dudelsack, Burkhard Schneider auf der Trompete. Der Wortbeitrag richtete sich an eine „liebe Katharina“ und entstammte einem Kunstprojekt von 2016 einer Schülergruppe aus Arnsberg zur Erinnerung an die Opfer in den Möhnewiesen – dort befand sich das komplett eingezäunte Frauenlager. „Still haben wir uns versammelt, um die Erinnerung lebendig zu halten, um sie nicht verblassen zu lassen“, hieß es. Ebenso: „Still haben wir uns versammelt, um uns bewusst zu machen wie wertvoll Frieden ist. Still haben wir uns versammelt, um zu begreifen, dass wir an unserem Frieden ständig arbeiten müssen und nicht diejenigen vergessen, denen ein Leben in Frieden und Freiheit verwehrt ist. Still haben wir uns versammelt, um an die Menschen zu denken, die derzeit im Krieg sind oder die mit den Gräueltaten des Krieges leben müssen und die darunter unsagbar leiden.“

Im ökumenischen Gottesdienst um 17.30 Uhr in der Günner Pfarrkirche St. Antonius knieten Propst Dietmar Röttger, Pfarrer Ludger Eilebrecht und die evangelische Pfarrerin Jutta Pothmann vor dem Altar nieder und stellten kleine Kerzen auf den Marmor. Sie sollten alle symbolisieren, die starben in der Bombennacht: Angreifer und Opfer gleichermaßen, Schuldige, Unschuldige – und vor allem die Frauen und Männer, die als Zwangsarbeiter ihr Leben ließen ohne jede Chance auf Flucht. Die Teilnehmer des Gottesdienstes beteten als besonderes Zeichen die Versöhnungslitanei von Coventry: Deutsche Bomber hatten am 14. November 1940 die englische Stadt verwüstet. Richard Howard, damals Dompropst an der zerstörten Kathedrale von Coventry, ließ in die Chorwand der Ruine ein Gebet einmeißeln mit dem wiederkehrenden Ruf „Vater, vergib“. Der Gesangverein St. Antonius Günne sang „Komm Trost der Welt“, „Bewahre uns Gott“ und „Dona nobis pacem“ (Gib uns Frieden). Dieter Tinkloh spielte die Orgel.

Am Ehrenmal in Günne gestalteten Feuerwehr, Schützen, der Gesangverein und der Fanfarenzug die Gedenkfeier mit. Rosen wurden niedergelegt für die Opfer aus Günne, die namentlich verlesen wurden: Georg Brendel, Alois Fischer, Bernhard Giering, Maria Giering, Luise Gerlitz, Maria Graf, Elisabeth Graf, Resi Graf, Johannes Köhler, Caroline Köhler, Christine Köhler, Heinrich Köhler, Berta Köhler, Johannes Köhler, Marianne Köhler, Wilhelm Neuschwenger, Anna Neuschwenger, Maria Neuschwenger, Theresia Neuschwenger, Theresia Rahmann, Franziska Schneider, Franz Schneider, Frieda Schwätzer, Anna Stock, Rosa Weinreich, Leni Wegmann, Theresia Heimann, Sophia Jasniewiecs, Bernhard Wierleuker. Archivleiterin Dr. Lena Lewald trug die Namen von bislang nicht genannten Zwangsarbeitern vor, die beim Wiederaufbau der Mauer starben.

„Es ist eine wichtige und dauerhafte Aufgabe für uns alle hier in Möhnesee, immer wieder an die Möhnekatastrophe zu erinnern und immer wieder daraus zu lernen“, sagte Bürgermeisterin Maria Moritz. Und: „Die Zusammenarbeit aller Mitwirkenden an diesem Gedenken verbindet alle zu der wichtigen gemeinsamen Botschaft im Kampf gegen Krieg und Hass. Gemeinsam setzen wir uns aktiv ein für Werte wie Frieden, Freundschaft, Toleranz, Menschenwürde, Mitgefühl, Versöhnung, Freiheit, Bewahrung der Demokratie und für moralische Verantwortung.“

Im Antonius-Saal dokumentiert eine noch bis Sonntag, 21. Mai, geöffnete Ausstellung die Folgen des Dammbruchs.
Im Antonius-Saal dokumentiert eine noch bis Sonntag, 21. Mai, geöffnete Ausstellung die Folgen des Dammbruchs. © Thomas Brueggestrasse

Alle gingen vom Ehrenmal aus zur Schützenhalle. Dort im Antonius-Saal dokumentiert eine noch bis Sonntag, 21. Mai, geöffnete Ausstellung die Folgen des Dammbruchs für Günne, für die im Schicksal vereinten Gemeinden Möhnesee, Ense und Wickede. Ehrengäste waren auch hier Dr. Antje Mohr vom Ruhrverband und mit Group Captain Neill Owen Atkins der letzte Standortkommandeur aus Scampton, von wo aus die Bomberstaffel startete, und mit Air Commodore Keith Taylor der stellvertretende Befehlshaber und Stabschef des Nato-Frühwarnkommandos in Geilenkirchen.

Archivleiterin Dr. Lena Lewald, Group Captain (Oberst) Neill Owen Atkins, Air Commodore (zwischen Oberst und General) Keith Taylor und Elizabeth Taylor verfolgen den Gottesdienst in der Günner Pfarrkirche St. Antonius. Neill Atkins war bis Ende 2022 letzter Standortkommandeur in Scampton, von wo aus die Bomberstaffel startete. Keith Taylor ist stellvertretender Befehlshaber und Stabschef beim Nato-Frühwarn- und Kontroll-Kommando in Geilenkirchen.
Archivleiterin Dr. Lena Lewald, Group Captain (Oberst) Neill Owen Atkins, Air Commodore (zwischen Oberst und General) Keith Taylor und Elizabeth Taylor verfolgen den Gottesdienst in der Günner Pfarrkirche St. Antonius. Neill Atkins war bis Ende 2022 letzter Standortkommandeur in Scampton, von wo aus die Bomberstaffel startete. Keith Taylor ist stellvertretender Befehlshaber und Stabschef beim Nato-Frühwarn- und Kontroll-Kommando in Geilenkirchen. ©  brüggestrasse

Taylor wurde begleitet von seiner Frau Elizabeth, und gerade diese drei Gäste aus dem Vereinigten Königreich beeindruckten Karl-Heinz Wilmes, der über Jahrzehnte zusammentrug, was Grundstock der von Gemeindearchiv und Vorbereitungskreis getragenen Ausstellung wurde. Wilmes, heute 84 Jahre alt, erlebte als fast Fünfjähriger den Angriff auf die Sperrmauer mit. Zu den Gesprächen mit Atkins und den Taylors sagte er: „Sie waren alle sehr interessiert, sehr höflich, und sie haben die Ausstellung gelobt. Ich bin glücklich, es hat mich tief bewegt, dass ich mit den dreien sprechen konnte – es ist immer gut, persönlich miteinander zu reden, nun ja, fast persönlich: Ich hatte jemanden zum Übersetzen mit am Tisch.“

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