Bombardierungsfilm von Helmuth Euler bewegt die Menschen

Die mondhelle Nacht zum 17. Mai 1943 mit der Bombardierung der Sperrmauer und den verheerenden Folgen steht für das wohl dunkelste Kapitel in der Geschichte des Möhnesees. An die 1 600 Menschen starben damals in den Fluten, die sich durch das Tal wälzten und mit unvorstellbarer Wucht mitrissen, was im Weg stand. Beim Angriff war der Stausee bis zum Rand gefüllt. Das Gedenken an die Opfer – die meisten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene – ist ein prägender Bestandteil der Veranstaltungen zum 80. Jahrestag der Katastrophe, an die sich Augenzeugen schmerzlich und noch sehr genau erinnern.
Möhnesee – Bilder in den Archiven zeigen das gewaltige Ausmaß der Zerstörung. Was damals passierte – ein Thema, das den bekannten Werler Fotografenmeister und Sachbuchautor Helmuth Euler (1933-2020) nie losließ. Im Mai 1973 – vor genau 50 Jahren – stellte er in Kooperation mit unserer Zeitung unter dem Titel „Geheime Katastrophen“ seinen neuesten Dokumentarfilm vor, eine Uraufführung zum 30. Jahrestag, die sowohl im damaligen „Seehof“ in Günne als auch in der Schützenhalle in Niederense und im Vereinshaus in Wickede großes Interesse fand.
Euler hatte seinen einzigartigen, 109 Minuten langen Film unter anderem aus 2 000 bislang weitgehend unbekannten Fotos zusammengestellt, außerdem mit zahlreichen Menschen geredet, die jene Nacht miterlebt hatten und am nächsten Tag voll Entsetzen und Erschütterung die Dimensionen der Verwüstung sahen. Der Werler unternahm zudem mehrere Fahrten nach England, um den Konstrukteur der Spezialbombe, Sir Barnes Neville Wallis, zu treffen.
„Das Drehbuch schrieb die Geschichte…“ stand damals in unserer Zeitung. Zehn Jahre lang hatte Euler das Material über die dramatischen Ereignisse an Möhne, Eder und Sorpe gesammelt, nun legte er das sensationelle Ergebnis intensiver Recherchen vor, die alles bisher über das Geschehen Veröffentlichte in den Schatten stellten.
Der Werler, so der Berichterstatter, sei zehn Jahre alt gewesen, als die Möhne-Mauer brach. Am nächsten Tag habe er mit seinem Vater staunend vor dem Torso des mächtigen Dammes gestanden, in dem nun ein riesiges Loch klaffte. Von da an habe er sich immer wieder mit den furchtbaren Stunden beschäftigt. Schon 1963 hatte er zum 20. Jahrestag der Katastrophe einen Beitrag für das Fernsehen gedreht, der allerdings nur acht Minuten umfassen durfte.
Doch Helmuth Euler wollte mehr, er wollte bleibende Erinnerungen schaffen, die er als Mahnung auch für kommende Generationen sah, alles zu tun, dass Menschen in Frieden leben und sich etwas derart Schreckliches nie wiederholt.
Im Laufe der Jahre sammelte er Fotos, Filme, Zeitungen aus verschiedenen Ländern, Bücher und Tonbänder. Er führte zahlreiche Interviews, und manchmal kam ihm auch der der Zufall zu Hilfe: Als er auf einem einsamen holländischen Soldatenfriedhof den Stein des dort bestatteten Piloten Dinghy Young aufnahm – er hatte am Möhnesee die dritte Bombe geworfen – traf Euler dessen Witwe. Sie war eigens aus den Staaten angereist, um das Grab ihres Mannes zu besuchen. In einem langen Gespräch erfuhr der Werler, was sich vor und nach dem verhängnisvollen Flug am Rande abgespielt hatte.
Der Engländer hatte von seinen Kameraden den Spitznamen Dinghy erhalten, weil er schon zweimal nach einem Absturz in die Nordsee mit einem Beiboot (engl. „Dinghy“) wieder die englische Küste erreicht hatte. Beim dritten Abschuss blieb das Schlauchboot leer. Bei der Rückkehr von der Möhne stürzte Youngs Maschine in den Ärmelkanal.
Bei der Premiere des Films in Günne war kein Platz mehr frei. Für viele war es ein bewegender Abend, und sie erzählten von dem wohl „schlimmsten Erlebnis“ in ihrem Leben.
In unserer Zeitung hieß es über die Premiere: „Bedrückt, ja sogar sogar niedergeschlagen verließen am Dienstagabend 450 Menschen den großen Saal des Seehofes an der Sperrmauer.“ Wehmütige Erinnerungen seien aufgetaucht und die Gedanken 30 Jahre zurückgegangen: Die Zuschauer dachten an die Bombennacht, an die Toten, die Trümmer und an die Grausamkeit des Krieges.