Aufzucht von Millionen Fischen

Es zappelt und zuckt gewaltig in den großen Aufzuchtbecken des Fischereibetriebs des Ruhrverbands an der Seestraße in Körbecke. Kein Wunder, denn zurzeit schwimmen mehrere Millionen, zum Teil noch winzige Fische in den Becken. Wer mehr über die Besatzfischzucht erfahren möchte, der sollte sich den 1. April notieren: Nach fünf Jahren teilweiser Zwangspause – die Coronapandemie lässt grüßen – bietet der Fischereibetrieb am Samstag, 1. April, wieder einen Tag der offenen Tür an.
Körbecke - Der Termin im Frühling ist mit Absicht gewählt. Denn die Becken der Besatzfischzucht sind mit jungen Fischen, die vor Kurzem geschlüpft sind, gut gefüllt und es gibt viel zu sehen. Es seien mehrere Millionen an Jungfischen, zum Teil noch Stecknadelkopf groß, die dort gezüchtet werden und in den Becken umherschwimmen. An mehreren Stellwänden wird beim Tag der offenen Tür erklärt, was die Aufgabe der Besatzfischzucht des Ruhrverbands ist. Denn dort in Körbecke wird das fischereiliche Management für die acht Talsperren des Ruhrverbands betrieben. Dazu zählen die Henne-, Möhne-, Ennepe-, Sorpe, Verse-, Fürwigge-, Bigge- und die Listertalsperre. „Die Ökologie muss stimmen“, erklärt Markus Kühlmann, Leiter des Fischereibetriebs, ebenso wie die Wasserqualität, zu der ein ausgewogener Bestand beitrage. Kühlmann leitet ein Team von sechs Mitarbeitern, die von November bis Mai hauptsächlich mit der Aufzucht der Fische beschäftigt sind.
Ziel des fischereilichen Managements ist die Schaffung und Erhaltung artenreicher, gesunder und an den Lebensraum Talsperre angepasster Fischbestände, erklärt Kühlmann. Eine fischereiliche Bewirtschaftung nur durch Angelfischerei würde bei der Beschaffenheit der Talsperren zu einer Fehlentwicklung der Fischbestände führen. Bestimmte Fischarten dürften nicht Überhand nehmen. Um ein Gleichgewicht zu erhalten, sei es wichtig, auch Raubfische zu züchten und auszusetzen. Mit anderen Worten: Der Fischereibetrieb kümmert sich um die Hege der Fischbestände.
Die Reproduktion einiger anspruchsvollen Fischarten finde in den Talsperren auf natürliche Art nur unzureichend statt. Die Arten, die eine besondere Bedeutung bei der Fischbestandsbewirtschaftung haben, werden im Fischereibetrieb gezielt gezüchtet.
Dazu fangen die Mitarbeiter Elternpaare und entnehmen Eier und Sperma für die Nachzucht. Aus den Eiern schlüpfen die Jungfische, die in den Becken des Fischereibetriebs groß gezogen werden. Zu den Fischarten, die im Fischereibetrieb gezüchtet werden, zählen: Seeforelle, Seesaibling, Große Maräne, Hecht, Äsche, Quappe und neuerdings auch der Schlammpeitzger.
Interessant ist, dass nicht alle Fische, die im Fischereibetrieb in Körbecke groß gezogen werden, auch in der Möhnetalsperre ausgesetzt werden. „Für einige Fische ist der Möhnesee nicht geeignet. Er ist relativ warm, weil er eher flach ist“, erklärt Markus Kühlmann. Ein Kontrast dazu sei der Sorpesee, der viel tiefer, enger, dafür kälter sei und eher Bedingungen eines Bergsees habe.
Für die Möhnetalsperre werden Hecht, Seeforelle und Große Maräne gezüchtet.
In einem Becken des Bruthauses schwimmen rund 20000 kleine Seeforellen. Sie werden, wenn sie groß genug sind, in Talsperrenzuläufe gesetzt. Wenn sie älter sind, wandern sie von selbst in die Talsperren.
Anfang Juni sind die Aufzuchtbecken leer. Je nach Fischart beginnen die Fischwirte früher oder später mit der Aufzucht. Ende Oktober werden die Eier des Saiblings abgestreift, die Seeforelle folgt im November, die Große Maräne im Dezember, die Quappe im Januar und jetzt – Ende März, Anfang April – ist der Hecht an der Reihe. Als letzter Fisch folgt die Äsche.
Neben der Aufzucht und dem Besatz der Fische zählen auch Wasseranalysen zu den Aufgaben des Teams. Alle vier Wochen wird das Seewasser auf Nährstoffgehalt, Phosphate, Algen und Kleinkrebse untersucht. Außerdem wird der Ruhrverband über den Fischbestand auf dem Laufenden gehalten. „Jede Talsperre wird alle drei Jahre auf ihre Fischbestände untersucht“, so Kühlmann. Der Möhnesee sei im vergangenen Herbst 2022 dran gewesen. Immer im Herbst fangen die Mitarbeiter stichprobenartig Fische ein. Sie werden gezählt, gemessen, gewogen und auf ihren Ernährungsstand untersucht. Auch mithilfe eines Echolots werden die Bestände erfasst. „Die Daten vom Herbst liegen jetzt vor, wir müssen sie aber noch auswerten“, sagt Kühlmann.
Seit einiger Zeit wird im Fischereibetrieb auch die Quappe gezüchtet. Dieser Fisch war vom Aussterben bedroht, doch durch verstärkte Maßnahmen, wie etwa der Renaturierung von Flüssen wie zum Beispiel der Lippe, finden Quappen jetzt dort wieder Lebensraum. Dies sei durch eine gute Zusammenarbeit von Fischereibetrieb, dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), der ABU und dem im Umweltschutz sehr aktiven Fischereiverband NRW möglich geworden, sagt Kühlmann. „Unser Know-how wird gebraucht, das macht mich schon ein bisschen stolz“, sagt Kühlmann.
Dies sagt er auch mit Blick auf ein neues Projekt, das gerade in gleicher Kooperation entsteht: Im Fischereibetrieb an der Möhnetalsperre wird daran gearbeitet, dem vom Aussterben bedrohten Schlammpeitzger zu züchten. Ist der Fisch später dann groß genug, soll er in passenden Gewässern im ganzen Land ausgesiedelt werden.
20000 Seeforellen im Becken