Wo Hilfe Improvisation bedeutet - Archemed-Team operiert in Tansania

Zum zweiten Mal hat die Möhneseer Hilfsorganisation „Archemed“ einen Einsatz in Tansania verantwortet. Mit im Team waren ein plastischer Chirurg, ein Anästhesist und eine OP-Schwester aus dem Soester Marienkrankenhaus.
Möhnesee – Eine Sekunde der Unachtsamkeit verändert das Leben der kleinen Dorika für immer. Ihr Kleid fängt Feuer. Sie erleidet schwerste Verbrennungen an Brust und Armen, auch Teile des Gesichts sind betroffen. Würde Dorika in Deutschland leben, dann hätte sie viele Operationen über sich ergehen lassen müssen. Wahrscheinlich würde man die Folgen des Unfalls noch sehen können. Doch sie könnte ein weitgehend normales Leben führen. In Tansania, wo Dorika zuhause ist, gab es nach dem Unfall keine Erstversorgung. Die Wunden wuchsen zwar irgendwann zu – man mag sich nicht vorstellen, welche Schmerzen das Kind aushalten musste – aber das verbrannte Gewebe ist nicht mitgewachsen.
Als Dr. Denis Simunec und das Archemed-Team Dorika zwei Jahre später kennenlernen, kann sie ihre Arme nur rudimentär gebrauchen. „Sie hielt sie wie eine Puppe“, erinnert sich der Soester Chirurg, nicht einmal die Hände zum Mund führen konnte sie, „sie war faktisch ein Pflegefall.“ Dorika war eine der Patienten, die das Ärzteteam beim Screening ganz oben auf die Prioritätenliste setzte. „Die schweren Fälle operieren wir zuerst, damit wir die initiale Wundheilung noch zwei Wochen lang beobachten können“, erklärt Simunec. Zusammen mit seinen Kollegen aus dem Marienkrankenhaus, OP-Schwester Gaby Frerk und Anästhesist Andreas Borgmann, war der Chefarzt der Plastischen und Handchirurgie jetzt bereits zum vierten Mal Teil eines Ärzteteams in Tansania. Zum zweiten Mal verantwortete die Möhneseer Organisation Archemed den Einsatz. Die Leitung hatte der Chefarzt der Kinderchirurgie im Evangelischen Krankenhaus Hamm, Dr. Naim Farhat. Auch mit ihm arbeiteten die drei Soester in Tansania schon mehrfach zusammen.


Einsatz in der Missionsstation Ifunda
Einsatzort des Teams, dem noch ein weiterer Kinderchirurg und zwei Kinderorthopäden angehörten, war die Missionsstation Ifunda. Dort engagieren sich Monika und Horst Blaser aus Bad Waldsee bereits seit 1998 für „Feuer- und Klumpfußkinder“. Regelmäßig organisiert das Ehepaar die Einsätze der Operateure. Dass die deutschen Ärzte kommen, wird im tansanischen Radio schon Wochen vorher angekündigt. Aus dem ganzen Land machen sich Familien mit ihren Kindern auf den Weg zum Health Center in der Mission, manche sind Tage, sogar Wochen unterwegs. Die Ärzte finden in Ifunda für tansanische Verhältnisse optimale Bedingungen vor: „Dort ist einer der besten OPs in Tansania“, sagt Denis Simunec, „auch wenn es aus unserer Perspektive eher ein Eingriffsraum ist.“
Was die Mediziner hier leisten, nennt Simunec „Improvisationschirurgie“. Oberstes Ziel ist es, die Kinder in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Viele können das mit ihren Einschränkungen nicht. So wie Dorika, deren Arme operativ „befreit“ werden konnten. Oder der kleine Junge, dessen Hand nach dem Greifen in einen heißen Topf wie eine Knospe verschlossen war. Nach der Operation kann er jetzt zumindest mit drei Fingern den „Pinzettengriff“ anwenden. Der Einsatz für Archemed ist unentgeltlich, die Ärzte und Schwestern opfern ihre Freizeit dafür. Es sind anstrengende Tage, rund 200 Operationen stehen in etwas mehr als zwei Wochen auf dem Plan. Dass sich all das lohnt, weiß Denis Simunec, wenn er nur zwei der vielen, vielen Fotos betrachtet, die er aus Tansania mitgebracht hat. Das erste zeigt Dorika vor der Operation. Auf dem zweiten ist das Mädchen mit dem Soester Arzt zu sehen. Das Strahlen in ihren Augen suchte man auf dem ersten Bild vergebens.
Mehr Infos zu „Archemed – Ärzte für Kinder in Not“ unter archemed.org. Spendenkonto: IBAN DE63 4145 0075 0000 0882 03