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Archemed bringt drei Krankenwagen für Kriegsgebiet in der Ukraine an die Grenze

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Von: Achim Kienbaum

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Archemed bringt Krankenwagen in die Ukraine
Drei Krankenwagen plus ein Begleitbus, der die acht Fahrer nach der Übergabe der Fahrzeuge an der polnisch-ukrainischen Grenze zurück nach Möhnesee brachte. Das waren die beteiligten Menschen und Maschinen an dem Einsatz für Charkiw. © Kienbaum

Nie wurden sie dringender gebraucht als jetzt - und genau deshalb nehmen sie die russischen Angreifer wohl ins Visier: Es gibt kaum noch Krankenwagen in der umkämpften ukrainischen Millionenstadt Charkiw. Der Möhneseer Verein „Archemed“ konnte da jetzt mit tatkräftiger Unterstützung von Partnern helfen.

Möhnesee – Bevor der Krieg begann und mit ihm die Angriffe auf seine Heimatstadt Charkiw im Nordosten der Ukraine, arbeitete Mikahil bei der Stadtverwaltung. Jetzt koordiniert der 45-Jährige die Materialbeschaffung für einige der Krankenhäuser in der Millionenstadt – eine Mammutaufgabe. Es fehlt am Nötigsten, unter anderem an Krankenwagen. Bevor die ersten Bomben fielen und die ersten Raketen einschlugen, hatte das Krankenhaus im Stadtteil Rogan sechs Fahrzeuge – jetzt hat es kein einziges mehr. Offenbar gehört es für die russischen Angreifer zur Kriegstaktik, sie gezielt ins Visier zu nehmen. Deshalb schickte Mikahil vor einigen Wochen einen Hilferuf aus der belagerten Stadt, der 2600 Kilometer entfernt gehört wurde – in Möhnesee.

Dort erfuhr Peter Schwidtal, Vorsitzender des Vereins „Archemed“, von der verzweifelten Situation in Charkiw und aktivierte sein umfangreiches Netzwerk von Unterstützern der Vereinsarbeit. Mit Erfolg: Von der Berliner Charité kam die Zusage, ein dort ausrangiertes, voll ausgestattetes Fahrzeug zur Verfügung zu stellen – und Jürgen Coße, SPD-Bundestagsabgeordneter für den Kreis Steinfurt, überzeugte den dortigen Landrat davon, zwei weitere Krankenwagen für den Einsatz in der ukrainischen Kriegsregion zu einem sehr günstigen Preis zu verkaufen.

Die Summe brachte der Warendorfer Verein „Aktion Kleiner Prinz“ auf, den Transport organisierte und finanzierte wiederum „Archemed“ (siehe Infokasten) – innerhalb weniger Wochen war aus dem Hilferuf ein konkretes Hilfsprojekt geworden und die drei Wagen auf dem Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze, wo auf halber Strecke die Übergabe erfolgte.

Übergabe von Krankenwagen von Archemed an Ukrainer
Ohne Papierkram keine Übergabe: Mikahil, Hubertus Bömer, Jürgen Coße, Herbert Rother und Übersetzer Slava (von links) hatten viel zu klären. © Kienbaum

16 Stunden dauerte die lange Fahrt vom „Archemed“-Lager in Echtrop, die am frühen Morgen noch vor Sonnenaufgang begann und erst am späten Abend mit dem Erreichen der Grenze endete. Der Wagen aus Berlin war da bereits am Treffpunkt angekommen, nachdem Jürgen Coße und Hubertus Bömer ihn dort an der Charité übernommen hatten.

Der Brüllingser hatte zuvor bereits zahllose Stunden Arbeit in den unvermeidlichen Wust aus Anträgen, Genehmigungen und anderen Dokumenten investiert, ohne den die Ausfuhr der drei Fahrzeuge in das Nicht-EU-Land Ukraine nicht möglich gewesen wäre. Noch am Morgen der Übergabe musste eine wichtige Ausfuhrerklärung an der Rezeption des Hotels ausgedruckt werden – die digitale Variante hatte sich unvermittelt als nicht ausreichend erwiesen.

Jürgen Coße bringt mit Archemed Krankenwagen für Ukraine
Sozialdemokrat und Saubermann: Jürgen Coße (links) sorgte auf dem langen Weg für den Durchblick.  © Kienbaum

Ziemlich unverhofft deutlich vereinfacht wurde dagegen die Übergabe an Mikahil und ein kleines Team von Fahrern aus Charkiw dann aber doch: Mit einer Sondergenehmigung durften die Ukrainer ihr Land für ein paar Stunden verlassen, um jenseits der Grenze die Krankenwagen zu übernehmen, die, wie der Begleitbus auch, zudem noch mit ebenfalls dringend benötigten medizinischen Geräten und Materialien beladen waren und die teilweise umgeladen werden mussten.

Sie machten es möglich

Ein ganzes Netzwerk von Unterstützern half dabei mit, dass drei Krankenwagen jetzt in Charkiw eingesetzt werden können. Das Team der Fahrer bestand aus Richard Genähr, Rolf Fischer, Günter Vogel und Hubertus Bömer (alle Archemed), Herbert Rother („Aktion Kleiner Prinz“), SPD-MdB Jürgen Coße und Achim Kienbaum (Soester Anzeiger).

Der Begleitbus wurde von der Firma Christian Becker zur Verfügung gestellt und von Jan Eggert gesteuert. Die Verpflegung des Teams übernahm der Soester Partyservice Schön. Die Ausfuhr organisierte Hubertus Bömer.

Das wurde mit vereinten Kräften geschafft – ebenso wie das Erklären der Papiere, die die Ukrainer später beim polnischen Zoll vorlegen mussten. Wo auf beiden Seiten zunächst vor allem der Kopf gefragt war, mischte sich bei den Gesprächen unwillkürlich schnell das Herz ein. Große Dankbarkeit bei Mikahil und seinem Team trafen auf großes Interesse und noch größere Betroffenheit bei den deutschen Fahrern über Details der Situation der Menschen in Charkiw.

„Es ist natürlich nie genug“, räumte Mikahil mit Blick auf die Krankenwagen ein. „Aber diese drei werden für viele Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten“.

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