Insolvent: Die Seeufer-Residenz am Möhnesee kämpft ums Überleben

Die Seeufer-Residenz in Möhnesee-Wamel ist insolvent. Gerüchte beunruhigen Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter. Damit räumt der Insolvenzverwalter gegenüber unserer Redaktion auf.
Wamel – Die Seeufer-Residenz ist insolvent, das Amtsgericht Arnsberg prüft derzeit, ob das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Rechtsanwalt Carsten Koch räumt gegenüber unserer Redaktion mit Gerüchten auf, die am Seeufer seit einigen Tagen hohe Wellen schlagen. Am vergangenen Freitag wurde Carsten Koch vom Insolvenzgericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Er soll in einem Gutachten darlegen, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet werden muss. Gleichzeitig ist er damit beauftragt, den Betrieb der Seeufer-Residenz gemeinsam mit der Geschäftsführung weiterzuführen. Das klare Ziel, so Koch: Sanierung und Erhalt des Seniorenheims.
Die Insolvenz und das laufende Insolvenzeröffnungsverfahren sorgten für Gerüchte und Ängste bei Bewohnern und Angestellten. Eine Behauptung sorgte bei den 45 Bewohnern und ihren Angehörigen für besondere Alarmstimmung: So verbreitete sich die Aussage, dass die Bewohner sich innerhalb weniger Monate ein neues Heim suchen sollten.
Seeufer-Residenz ist insolvent: „Meine Mutter rief mich ganz aufgelöst an“
Uwe Paschedag, Sohn der seit etwa drei Jahren in Wamel lebenden Ingeburg Paschedag, war demnach am Donnerstag vom Donner gerührt. „Meine Mutter rief mich ganz aufgelöst an, ihr sei gesagt worden, sie müsse sich eine neue Bleibe suchen; und zwar bis Ende Juli. Es gab keine Erklärung, nur die mündliche Information im Hause“, gab es ihm zufolge zunächst noch keinerlei Schriftliches, ehe am Dienstag, 16. Mai,eine Mail mit entsprechenden Informationen vom Insolvenzverwalter bei ihm ankam. „Es herrscht helle Aufregung im Haus, auch das Personal wusste am Freitag keinerlei Hintergründe“, so Paschedag weiter. „Auch die wurden kalt erwischt.“
Seeufer-Residenz ist insolvent - Insolvenzverwalter über Gerücht: „Das ist völliger Unsinn“
Unsere Redaktion konfrontierte den Insolvenzverwalter mit der Aussage, die ihm offenbar nicht neu war. „Das ist völliger Unsinn“, betonte er und unterstrich: „Wir brauchen die Bewohner, um Umsatz zu machen.“ Würde die Residenz ihre Bewohner vor die Tür setzen, wäre der Überlebenskampf obsolet. Damit dürfte der Insolvenzverwalter die Gemüter und Ängste zumindest etwas herunterkochen.
Welche Auswirkungen solche Gerüchte haben, zeigt der Fall von Uwe Paschedag und seiner Mutter: Der Allagener war vollkommen überrumpelt von der vermeintlichen Tatsache, dass seine Mutter ein neues Dach über dem Kopf braucht, hatte er doch vielmehr die Hoffnung, dass in die Seeufer-Residenz investiert werden würde: „Es war die Rede davon, dass die obere Etage, in der zuvor die besonders Demenzkranken untergebracht waren, renoviert würde.“ Seine Mutter fühle sich seit ihrem Umzug aus Schwerte zwar prinzipiell wohl am Möhnesee, genießt aus ihrem Zimmer auch einen direkten Blick auf den See. „Doch im Sommer ist es wegen der großen Verglasung ein Brutkasten, da müsste in eine Beschattung investiert werden. Wir haben uns zuletzt mit Ventilatoren beholfen.“
Seeufer-Residenz ist insolvent: Vorsorgliche Suche nach einer neuen Unterkunft
Nachdem er vom vermeintlichen Aus des Heimes gehört hatte, hatte sich Paschedag nämlich vorsorglich auf die Suche nach einer neuen Unterkunft gemacht. Die Einrichtung in Völlinghausen stellte dabei keine Option dar, da hier womöglich nur ein Doppelzimmer zu beziehen wäre. Daher streckte er für seine Mutter die Fühler nach Sichtigvor und Warstein aus, könnte hier sogar kurzfristig einen Platz bekommen. „Ich sitze ja nicht wie das Kaninchen vor der Schlange und hoffe, dass sie nicht zubeißt“, hat er unmittelbar reagiert. „Was aber tun die alten Menschen, die keine Kinder oder Verwandten haben?“, machte er sich Sorgen um die Mitbewohner seiner 91-jährigen Mutter.
Insolvenzverwalter Koch erläuterte derweil, dass er noch am Freitag mit „den wichtigsten Lieferanten“ in Kontakt getreten sei, „damit das Haus ganz normal weiter versorgt wird“. Auch die Bezahlung der Mitarbeiter sei über die Arbeitsagentur für die nächsten drei Monate sichergestellt. In einer Mitarbeiterversammlung wurde das Personal am Montag zusätzlich über die Situation informiert. Auch die Bewohner seien mittlerweile persönlich informiert worden. „Dass man ihnen in dieser Situation nicht alle Ängste nehmen kann, ist klar – doch die Versorgung ist sichergestellt“, so der Jurist. „Jetzt müssen wir uns an die Arbeit machen“, sagte Koch. Es gehe primär darum, Bewohner und Mitarbeiter zu halten und einen neuen Träger für die Seeufer-Residenz zu gewinnen – ein solcher würde laut Koch „nicht für alte Schulden haften“ müssen.
Insolvenzverwalter betreut drei Altenheime parallel
Die Seeufer-Residenz in ihrer finanziell prekären Lage sei bei weitem kein Einzelfall, erklärte Carsten Koch. Er betreue derzeit drei Altenheime in laufenden Insolvenzverfahren. Das Problem liege auf der Hand: Die verhandelten Pflegesätze würden die in vielen Bereichen gestiegenen Kosten nicht mehr decken, sodass vor allem kleinere Träger „in den Schwitzkasten“ geraten würden.
Paschedag bedauert, dass die Politik keine Idee für den Fortbestand von Einrichtungen dieser Größenordnung hat. „Sie werden im Stich gelassen“, weiß er um die vielfältigen Probleme im Pflegesektor. Die Kosten explodieren, es besteht ein gravierender Fachkräftemangel. Das können kleine Einrichtungen nicht auffangen.“