Lippetal: Weißstörche in Ansammlungen von 20 bis 30 Stück auf Wiesen beobachtet

Im Kreis Soest, besonders in der Gegend um Lippetal, ist wie an vielen anderen Orten auch, die Rückkehr der Weißstörche durch das Aufstellen von künstlichen Horsten gefördert worden. Manche Leute finden, es haben sich zu viele Störche angesiedelt.
Lippborg – In Lippetal kann man ein Lied singen von den schwarz-weiß gefiederten Tieren, die auf roten Strümpfen durch die Wiesen gehen und nach Fröschen schnappen. Auf manchen Flächen soll sich den Betrachtern sogar ein andernorts eher ungewöhnliches Bild bieten: In Scharen schreiten Störche die Grünflächen in der Lippe-Gemeinde nach Futter ab.
„Es sind zu viele geworden“, sagt Jagd- und Forstverwalter Dirk Romberg und gibt damit auch Stimmen von Kollegen und Spaziergängern wieder. „Sie nehmen überhand auf den Feldern. Dort ist nicht einer zu sehen, sondern 20 bis 30 Stück.“ Dabei kann er den ansehnlichen Schreitvögeln so einiges abgewinnen.
Anzahl zu hoch
„Als Wahrzeichen sind sie für Lippetal ein Gewinn. Wenn man eine ausgewählte Zahl an Horsten an gut einsehbare Stellen setzt, zum Beispiel an die Radrouten oder näher an die Straße zwischen Hovestadt und Herzfeld, haben viele Menschen etwas davon.“ Hier in Lippetal habe man aber das Maß verloren, viele Nisthilfen würden von Privatleuten unkontrolliert aufgestellt. „Die Störche jagen das Niederwild, tragen Fasane und Junghasen zu ihrem Nachwuchs“, benennt der 52-Jährige das Problem. „Sie schreiten systematisch Felder und Wiesen in Meter-Schritten ab, sammeln die erjagte Beute im Kropf und fliegen zum Horst, wo sie sie vor den Jungen auswürgen.“ Durch die starke Vermehrung entstehe bei den Vögeln Futternot.

„Je mehr Störche unterwegs sind, desto flexibler werden sie in der Nahrungsaufnahme. Neben Fröschen und Kröten werden Entenküken und eben Niederwild zum Ziel.“ Junghasen, die mit 20 Zentimetern zur Hälfte ausgewachsen sind, trügen die neu angesiedelten Tiere im Ganzen davon. Romberg hat Videos davon gemacht. Ärgerlich daran sei, dass sich die Niederwild-Population gerade erst erhole. „Die Jagd wurde vor ungefähr acht Jahren zum Schutz der Tiere eingestellt, seitdem wird nur noch Hege betrieben“, erklärt Romberg weiter. Waschbären und Füchse seien beispielsweise Feinde des Niederwildes. Und auch Greifvögel machten aus der Luft Jagd nach Fasanenküken.
Niederwild bedroht
Der Vorstellung, dass der Storch einfach ein weiterer, natürlich regulierender Fressfeind ist, widerspricht der Jäger jedoch: „Füchse wissen nicht, wie viel Beute sie bekommen und nehmen daher das Einfachste: krankes und auch totes Wild. Der Storch greift aber auch die gesunden Tiere ab.“
Das möchte Birgit Beckers von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU) so nicht bestätigen. Die Tiere seien zu flink für die stelzenden Störche und vielleicht beim Wiesenschnitt bereits verletzt worden oder erkrankt. Gleichwohl kennt auch sie Bilder, auf denen ein Weißstorch solch größeren Tiere davonträgt. Ein breites Nahrungsspektrum hätten die Vögel aber immer schon. „Für die Aufzucht der Jungen brauchen sie Nahrung aus Feuchtgebieten, dazu zählen Regenwürmer, Frösche, Schnecken und Fische. Überwiegend fressen die Störche Mäuse, von denen gibt es in diesem Jahr nicht so viele“, führt Beckers aus. Das sei normal, da die sich in einem Vierjahres-Zyklus vermehrten.
Breite Nahrungspalette
Für die hiesige Storchenpopulation stellt sie eine landesweit ähnlich voranschreitende Entwicklung fest: „Zu den künstlichen Horsten, die von Privatleuten aufgestellt werden, gibt es in diesem Jahr eine sehr hohe Anzahl von Störchen, die in Bäumen brüten.“ Das liege auch daran, dass bei einem Sturm einige der Kunsthorste umgekippt seien. Die Tiere sind eigentlich auch Baumbrüter, der „Bruterfolg ist bei den meist unerfahrenen Störchen jedoch sehr gering, da die Horste oft nicht so stabil gebaut und ungeeignete Bäume ausgewählt werden.“
Baumbrüter
Die ABU hat im Laufe der Jahre sechs Masten mit künstlichen Horsten aufgestellt, den ersten bereits Ende der 90er Jahre - die waren rein zum Rasten gedacht. Weitere wird es seitens der ABU nicht geben. „Es reicht“, sagt Beckers angesichts der erhobenen Zahlen. 57 Storchenpaare sind für den Kreis Soest festgehalten, im letzten Jahr waren es noch 40. An fünf bis sechs der Horste – ausgenommen Baumhorste – auf denen Nachwuchs schlüpft, wird dieser von der ABU beringt, damit die Wege der Tiere nachvollzogen werden können. „Das sind 15 bis 20 Junge pro Jahr, Sie kommen nur teilweise zu uns zurück, zwei bis drei davon brüten hier im Kreis Soest. Wir haben Meldungen aus Ost- und aus Süddeutschland erhalten“, zeichnet Beckers den Verbleib der schwarz-weißen Vögel nach.
Zugvögel
Jedes Weißstorchenpaar habe ein Revier in einem Aktionsradius von 200 bis 300 Hektar rund um seinen Horst. „Ein Paar aus Lippborg zieht nicht nach Herzfeld. Große Schwärme kommen auf diese Art nicht zusammen. Das sind Zugvögel. Die machen sich jetzt von überall her auf den Weg und halten auf Flächen, die gemäht sind. Dort finden sie Insekten und Heuschrecken“, zieht Beckers ihr Fazit.