Thorsten Siepmann kontrolliert die Bäume der Gemeinde Lippetal

Thorsten Siepmann ist als Mitarbeiter des Bauhofs für die Baumkontrolle der Gemeinde Lippetal verantwortlich. Sein Fazit: „Jeder Tag am Baum ist auch ein Lernen“
Hultrop – Wenn Thorsten Siepmann seinen Tablet-Computer, Schonhammer und Sondierstab einpackt, geht es ihm in erster Linie um eins: Die Verkehrssicherung der Straßenbäume zu gewährleisten. Denn der gelernte Landschaftsgärtner ist für die Gemeinde als Baumkontrolleur im Einsatz.
Hierfür hat der 45-Jährige eine Weiterbildung an der Forstschule in Arnsberg gemacht. Seit Januar 2021 ist der Mitarbeiter des hiesigen Bauhofs nun mit der Kontrolle der gemeindlichen Bäume befasst.
„Im Moment geht es hauptsächlich um die Erstaufnahme, die gab es bisher nicht“, sagt Siepmann. Jeder Baum wird mit seinen Stammdaten erfasst und bekommt eine Nummer, unter der er mit Angaben zu seiner Höhe, dem Kronen- und Stammdurchmesser, dem Standort und seiner Vitalität abgelegt wird. Letzteres gibt Aufschluss über die Fitness.
Eingetragen wird der jeweilige Zustand, kategorisiert nach den Stufen null bis drei, und die Erwartung, die Siepmann daraus schließt. Null bedeutet sehr vital, der Baum hat ganz fein verzweigte Äste und eine scharf abgekantete Kontur. Dies sieht man am besten in den Wintermonaten, wenn das Blattwerk fehlt. Stufe drei bedeutet: Der Baum ist kurz vor dem Absterben, weist nur noch einzelne Astfragmente auf.

Dabei hat die Fitness eines Baumes nicht zwingend etwas mit seiner Standfestigkeit zu tun, denn Krankheiten, wie die Wurzelfäule, greifen nicht die äußerlich erkennbare Vitalität an, so Siepmann.
Ändert sich diese jedoch schnell, weiß Siepmann, dass etwas mit dem Baum passiert. Dann geht er auf Spurensuche: Bodenverdichtungen, Trockenstress oder Baumaßnahmen können der Pflanze zusetzen. „Das Verständnis für den Baum muss wachsen“, erklärt Siepmann. Er schaut sich die Wurzeln genauer an, sticht mit dem Sondierstab in die Erde, prüft das Wurzelwerk auf Fäulnis. Mit dem Schonhammer klopft er auffällige Stellen ab, der entstehende Klang gibt Aufschluss über hohle Stellen.
Gemeinsam mit Bauhofleiter Sven Streffing wurde eine passende Software ausgesucht. Jeder Baum erhält GPS-Daten, mit denen man ihn findet. Vitale, junge Bäume werden etwa alle zwei bis drei Jahre überprüft. Morschere Kaliber werden jedes halbe Jahr nachkontrolliert. Die Daten sind einmal bei der Gemeinde und zusätzlich bei dem Anbieter der Software hinterlegt.

So sind sie unveränderbar und können im Fall eines Rechtsstreits herangezogen werden. Fallen bei der Kontrolle Schäden auf, werden sie abgearbeitet. „Nach einem Sturm fahre ich empfindliche Bereiche wie Schulhöfe und Spielplätze oder massive Bäume an großen Hauptstraßen auch außer der Reihe ab“, erklärt der Baumkontrolleur.
Begonnen hat Siepmann in den Ortsteilen, hat sich zunächst auf die Bäume an Schulen und Spielplätzen konzentriert und jene vorgezogen, die an Stellen mit viel Verkehr stehen. 3 500 Bäume hat er auf diese Weise bislang erfasst, jetzt weitet er sein Einsatzgebiet in die Außenbereiche aus.
Ein weiterer Aspekt, der Siepmann umtreibt, ist ökologischer Natur. Durch seine Fortbildung für Dendrologische Baubegleitung und Artenschutz, ist er auch mit Baustellen begleitenden Maßnahmen befasst. Hierzu zählen unter anderem der Bodenschutz, das Verpacken von Rinden und das Freihalten von Baumkronen.
Gerade Straßenbäume und die Bankette seien für manche Arten immer wichtiger, denn sie verbinden verschiedene Biotope miteinander und ermöglichen, dass die Tiere trotz verschwindender Hecken dazwischen wandern können. „Eine Haselmaus braucht beispielsweise dichtes Gehölz, sie könnte nicht über ein großes Feld laufen“, sagt Siepmann.
Aber auch die Bäume an sich weisen Strukturen auf, die verschiedenen Insektenarten, Fledermäusen und Bilchen (Haselmaus, Siebenschläfer etc.) Unterschlupf gewähren. Krankheiten wie Pilze und Fäulnis sind Nährboden für diese Tiere.
Entdeckt Siepmann eine sogenannte „Spechtflöte“, das heißt, mehrere Einschläge eines Spechtes in Reihe, dann weiß er, dass der Baum optimale Bedingungen für dessen Nestbau hatte. Nach der Nistzeit können sich hier Fledermäuse ansiedeln. Am Sichterweg wurde eine solche Mehrfachhöhlung von Hornissen genutzt. Aus solchen Erwägungen bleibt mancher Baum erhalten, der eigentlich kaum Lebenskraft hat. „Eine Plakette im Forst, die Vorbeikommenden erklärt, warum ein Baum steht“, ist Siepmanns Wunsch.
Rindenabplatzungen, die am Baum haften bleiben, bieten Unterschlupf. In Wassertaschen an der Verbindungsstelle von Ästen können Eier abgelegt werden. „Es sind Mikrohabitate, kleinste Lebensräume“, erklärt der Baumkontrolleur, der sich angesichts seiner Aufgabe bei manchem Baum auch fragen muss, mit welchen Mitteln man diesen noch erhalten kann. „Jeder Tag am Baum ist auch ein Lernen.“ Das sich wandelnde Klima, die drei trockenen Sommer hintereinander, zeigen Phänomene, die Siepmann zuvor nicht gesehen hat. Eichenprozessionsspinner, Borkenkäferschäden und eine hitzebedingte Erkrankung, die Buchen zum Absterben bringt, zählen dazu.