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„Ich blicke vor allem auf die Brücken“: Interview mit Pfarrer Jochen Kosmann

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Von: Karin Hillebrand

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Pfarrer Jochen Kosmann Abschied St. Ida Herzfeld Lippborg
Die Brücke über die Lippe als Zeichen der Verbindung zwischen den beiden Teilen der Pfarrgemeinde St. Ida wählte Pfarrer Jochen Kosmann als Fotostandort. Auch der Blick auf St. Cornelius und Cyprian ist gewollt, da er sich Herzfeld und Lippborg gleichermaßen verbunden fühlt und in beiden Orten gewohnt hat. © Karin Hillebrand

Pfarrer Jochen Kosmann feiert am 15. Januar seinen Abschied von der Pfarrgemeinde St. Ida in Herzfeld und Lippborg. Im Interview mit Karin Hillebrand spricht Kosmann über seine Zeit in Lippetal und gibt Ausblick in Zukünftiges.

Nach sieben Jahren verlassen Sie Lippetal. Was hat Sie als Pfarrer hier besonders herausgefordert?

Als ich im Sommer 2015 nach Lippetal kam, war ich zwar bereits einige Jahre Priester, aber ich hatte vorher noch nie als Pfarrer gearbeitet, war also vorher noch nie Leiter einer Kirchengemeinde. So war die größte Herausforderung, über die Jahre in diese Aufgabe mit ihren vielfältigen Facetten hereinzuwachsen.

Welche Projekte haben die Gemeinden Herzfeld und Lippborg zusammenwachsen lassen?

Nominell bin ich zwar Pfarrer von Herzfeld und Lippborg gewesen, aber schon seit vielen Jahren denken wir bei vielen pastoralen Fragen „über die Lippe“ hinweg. Manch einer mag in der Lippe, die durch unsere Kommunalgemeinde fließt, eine Trennungslinie sehen – ich blicke aber vor allem auf die Brücken, die uns auch über die Bistumsgrenze hinweg verbinden. So haben wir einen gemeinsamen Pastoralplan für beide Lippetaler Pfarreien, und jüngst haben wir mit dem Pastoralrat auch ein gemeinsames pastorales Gremium für beide Kirchengemeinden geschaffen. Die Vorbereitung auf die Erstkommunion und die Firmung laufen schon viel länger gemeinsam. All das hat mittlerweile eine große Selbstverständlichkeit.

Worauf sind Sie rückblickend stolz?

Stolz ist vermutlich das falsche Wort. Wenn ich zurückschaue, überwiegt vor allem eine große Dankbarkeit. Ein Pastor kann nichts alleine umsetzen. Da müssen viele Leute mitmachen, damit sich etwas bewegt. Und ich bin sehr dankbar, dass ich hier viele Leute getroffen habe, die bereit sind, mit anzupacken.

Was hätten Sie gerne noch umgesetzt?

Im Jahr 2020 wäre in Herzfeld turnusgemäß die „Große Identracht“ gewesen – doch dann kam Corona. Wir hatten im Wallfahrtsausschuss einige gute Ideen, wie wir die jährliche Ida-Woche etwas anders gestalten wollten, um mehr Menschen anzusprechen. Doch dieses Vorhaben konnte aufgrund der Corona-bedingten Unsicherheiten bis jetzt noch nicht umgesetzt werden. Diese Neuerungen hätte ich gerne noch miterlebt.

Womit haben die Lippetaler Sie überrascht?

Als man sich in der „heißen Corona-Zeit“ im Frühjahr 2020 nicht besuchen durfte, habe ich viele Senioren angerufen, um mich zu erkundigen, wie es ihnen geht und ob wir seitens der Pfarrei vielleicht helfen können. Doch kaum jemand sagte mir, sich einsam zu fühlen oder Hilfe zu benötigen. Ich war froh zu erleben, dass der Zusammenhalt in unseren Dörfern wirklich groß ist – vermutlich größer als in einer Stadt.

Ist ein Priester in der heutigen Zeit Missionar, Verwalter und Seelsorger? Wie viel Zeit bleibt für die Seelsorge?

Ja, alles drei trifft zu. Die Zeit, die ich mit Verwaltungsarbeit am Schreibtisch verbracht habe, war aber zum Glück überschaubar. Vielfach geht es bei den Verwaltungsdingen darum, die äußeren Rahmenbedingungen für das Wesentliche zu schaffen, also die Seelsorge und die Verkündigung des Glaubens.

Welche Bedeutung hat es, dass ihre Stelle zunächst durch Pfarrer Ulrich Liehr und damit von Paderborner Seite vertreten wird?

Andernorts wäre das eine Nachricht wert, aber hier in Lippetal hat das schon Tradition: Als 2013 Pfarrer Klabes aus Oestinghausen überraschend verstarb, wurde die Pfarrverwaltung im Paderborner Teil des Lippetals von Pfarrer Beese übernommen, und als dieser 2015 wegging, übernahm ganz selbstverständlich Pfarrer Dr. Best zeitweise die Pfarrverwaltung im Münsteraner Teil. Insofern ist das ein ganz normaler Vorgang.

Welche Aufgaben kommen auf Ihren Nachfolger längerfristig zu?

Ich denke, dass die Pfarrei von den Rahmenbedingungen her aktuell ganz gut aufgestellt ist. Gleichwohl ist auch Lippetal natürlich keine „Insel der Seligen“, an der die allgemeinen gesellschaftlichen und kirchlichen Fragen vorübergingen. Gemeinsam mit dem Pastoralteam und den Gremien wird mein Nachfolger aber eine gute Grundlage haben, um die Kirche sowohl in den einzelnen Dörfern als auch in ganz Lippetal in die Zukunft zu führen.

Die Kirche ist im Umbruch, wo steht sie in Lippetal?

In unseren Dörfern ist die Kirche stark verwurzelt. Da gibt die gelebte kirchliche Tradition eine starke Basis, auf der man aufbauen kann. Niemand kann und will den Fragen der Gegenwart ausweichen. Ausgehend von diesem starken Fundament wird die Kirche sich auch hier verändern, aber ich sehe viele Möglichkeiten, wie die Kirche hier am Ort auch in Zukunft einen Beitrag für alle und nicht nur für die Gemeindemitglieder leisten kann.

Sie möchten sich einer neuen Aufgabe stellen, nehmen vorab eine dreimonatige Sabbatzeit. Haben Sie hierfür konkret etwas geplant? Wissen Sie schon, wohin es für Sie danach geht?

Die Sabbatzeit möchte ich zum einen dazu nutzen, neue Eindrücke zu gewinnen – so werde ich eine Zeit in Wien und in St. Gallen verbringen, um dort einige interessante pastorale Projekte zu besuchen. Gleichzeitig werde ich auch Gelegenheit haben, manches zu tun, das im Alltagsgetriebe zu kurz kommt. So habe ich vor, viele Freunde mal wieder besuchen zu fahren. Wo ich danach tätig sein werde, weiß ich noch nicht – aber es laufen natürlich Gespräche mit dem Bistum Münster.

Welche Bibelstelle ist Ihnen am nächsten?

Seit ich in Lippetal bin, lautet mein Autokennzeichen „SO-J 1721“. Das verweist auf die Bibelstelle Joh 17,21 und ist das Leitwort, unter das ich meinen Dienst gestellt habe. Das Zitat lautet: „Alle mögen eins sein“. Dieses Bibelzitat kann man doppelt verstehen – zum einen im Hinblick auf das ökumenische Miteinander aller Christen. Zum anderen ist es nur normal, dass bei so vielen unterschiedlichen Menschen in einer Gemeinde nicht immer alle einer Meinung sind. Als Pfarrer war es mein Anliegen, zu einer Einmütigkeit in den wesentlichen Fragen beizutragen. Mit einem Bild gesprochen: In einer Kirche gibt es Säulen und Sitzbänke. Man kann die Bänke umstellen oder meinetwegen auch bunt anmalen. Aber wir sollten uns als Gemeinde einig sein, was unsere Säulen sind, denn wenn wir an den tragenden Stützen sägen, gerät das ganze Gebäude in Gefahr.

Was wird ihre letzte Amtshandlung sein?

In den letzten Wochen habe ich viele Besuche bei älteren Gemeindemitgliedern gemacht, um mich von möglichst vielen persönlich zu verabschieden, die am nächsten Sonntag nicht kommen können. Die allerletzte Amtshandlung als Pfarrer wird der Segen für ein Ehepaar an seinem runden Hochzeitstag sein.

Spenden für Ukraine-Hilfe statt persönlicher Geschenke

Pastoralrat und Kirchenvorstand laden alle Gemeindemitglieder der Lippetaler Ortschaften zu der Verabschiedung von Pfarrer Jochen Kosmann für Sonntag, 15. Januar, zur Heiligen Messe um 10.30 Uhr in die Wallfahrtsbasilika St. Ida in Herzfeld. Auch die Fahnen- und Bannerabordnungen der Vereine, Verbände und Gruppen sind gebeten, daran teilzunehmen. Anschließend wird im Haus Idenrast weiter gefeiert, wo die Möglichkeit der persönlichen Begegnung gegeben sein wird. Außerdem stehen bis zum 13. Januar in den Lippetaler Kirchen Wunsch-Boxen, in denen Wünsche, Fotos und Ähnliches gesammelt und zur Erinnerung für den scheidenden Pfarrer zusammengestellt werden.
Zu seiner Verabschiedung bittet Pfarrer Jochen Kosmann ausdrücklich um Geldspenden für verschiedene Projekte der Ukraine-Hilfe, anstelle persönlicher Geschenke. Kontonummer und Verwendungszweck: Im Internet unter www.katholisch-in-lippetal.de/2022/11/26/pfarrer-kosmann-verlässt-lippetal oder telefonisch in den Pfarrbüros zu erfragen.

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