Martin und Susanne Niesius wühlen in Lippetaler Geschichte

Martin und Susanne Niesius wühlen durch die Lippetaler Felder. Als ehrenamtliche Hobby-Archäologen sind sie dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) angeschlossen, interessante Funde wandern in dessen Schatzregal und gehen in den Besitz des Landes über.
Lippborg – Einen Fund für das Schatzregal des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) machte Hobby-Archäologe Martin Niesius in Lippetal. Wo genau, das verrät der 55-Jährige bewusst nicht. Bereits als Kind suchte Niesius nach Fossilien, fand versteinerte Blätter und Kristalle auf Zechenhalden, Katzengold genannt. Seit 15 Jahren beschäftigt sich der gebürtige Lüner mit der Archäologie, konnte auch Ehefrau Susanne von dem Hobby überzeugen.
Seit sechs Jahren lebt das Paar in Lippborg. „Wir haben hier in Lippetal schon alles abgesucht, fragen Landwirte, ob wir über ihren Acker laufen dürfen. Wir gehen nicht nur mit der Metallsonde, sondern gucken immer auf den Boden, schauen, was oberflächlich sichtbar ist“, erzählt der ehemalige Bergmann. Auf Fotos zeigt er so Gefundenes: erdige Klumpen – für das Laienauge ist es nicht mehr – die sich nach dem Reinigen als Münzen, historische Tonscherben oder modische Accessoires vergangener Zeiten entpuppten.
Man lernt, die Erde zu lesen.
„Man lernt, die Erde zu lesen“, sagt Susanne Niesius lachend. Die Krankenschwester kann mittlerweile ebenfalls eine beachtliche Sammlung von Fundstücken vorweisen. Ihr beeindruckendster Fund im Jahr 2022 war ein Gürtelbeschlag aus der Merowinger Zeit um 735, kurz bevor die heilige Ida als Nichte Karls des Großen über die Lippe kam. Aber auch viel Munition aus dem 17. und 18. Jahrhundert lässt sich auf den Börde-Äckern finden. „Auf einem Feld waren es rund 1 000 Stück, das muss eine richtige Schlacht gewesen sein“, mutmaßt Niesius. Münzen aus dem 17. Jahrhundert seien nicht so interessant, manches schenken sie Spaziergängern, die vorbei kommen. Am meisten finde man Stücke aus der Kaiserzeit von 1875. Der Zustand der Fundstücke variiere je nach Qualität des Bodens.
Suche anmelden
Einfach losziehen können die beiden Sucher aber nicht. Es bedarf einer Genehmigung von der Unteren Denkmalbehörde des Kreises Soest, deren Verlängerung es regelmäßig bedarf. Wollen die beiden auf denkmalgeschütztem Gelände suchen, müssen sie sogar eine Sondergenehmigung von dem zuständigen Archäologen einholen. Außerdem muss Gefundenes gemeldet werden, erklärt Niesius. Als er seine Funde in einem Online-Forum zeigte, schrieb ihn ein Sondengänger des LWL an. Seitdem sind Niesius’ einer Gruppe Sondengänger angeschlossen, die ehrenamtlich für den LWL tätig sind.
Als solcher wurde er auch im Mai ‘22 an einer Suche am Schloss Haus Assen beteiligt, bei der er auf ein Petschaft, einen Siegelstempel, stieß. Kommt dieser in das „Schatzregal“ der archäologischen Abteilung des LWL, geht er in den Besitz des Landes NRW über. Gerade hier zeigt sich aber auch das, was die beiden Hobby-Forscher regelmäßig auf die Felder treibt: „Man findet Dinge, die jemand anderes benutzt und irgendwann verloren hat.
Aus Funden lernen
Im Fall Haus Assen ist sogar klar, um welche Persönlichkeit aus der Gegend es sich handelt, denn er zeigt die Worte Rodgeri und Ketteler sowie Teile aus dem Wappen der Familie von Ketteler. „Die Menschen haben in früheren Zeiten andere Dinge gebraucht, als wir heute. Aus den Funden erfahren wir etwas über unsere Kultur“, erklärt Susanne Niesius. Sie ist sehr an der Heimatgeschichte interessiert, hat sich mit der Geschichte der heiligen Ida befasst, alte Schriften über Herzfeld studiert.
Langersehnte Münze
Andere, weniger seltene Stücke, bekommen die Schatzsucher vom LWL zurück. Die Wikingerzeit fasziniert Martin Niesius. Aus dem frühen Mittelalter finde man häufiger etwas, selten seien jedoch römische Münzen. „Es hat mal jemand eine Münze mit dem Varus-Gegenstempel hier in der Gegend gefunden“, erzählt Niesius. 2022 war für ihn ein Glücksjahr, denn endlich fand er eine langersehnte keltische Münze. „Ein Keltischer Quinar, Typ Tanzendes Männlein. Er stammt etwa aus der Zeit von 80 vor bis 80 nach Christus“, beschreibt der ehrenamtlich arbeitende Hobby-Archäologe das Stück.

Die Kelten haben sich demnach ab 300 vor Christus im Siegerland angesiedelt und von dort aus weiter ausgebreitet. Niesius Fund wartet nun beim LWL auf die genaue Bestimmung, ins Schatzregal werde das Stück kommen, das sei ziemlich sicher, erzählt der Lippborger. Auch zwei römische Soldatenfibeln und einen Reitersporn zählt er zu seinen persönlichen Highlights im Jahr 2022.
Soester Prägung
Vieles habe ideellen Wert, Lippetal und auch das Münsterland seien arme Gegenden gewesen und Gold hier nicht zu finden. Eine Münze mit Soester Prägung aus dem 11. Jahrhundert verzeichnet Susanne Niesius unter ihren Funden. Ein Colonia-Pfennig, auf der anderen Seite mit einem Kreuz und vier Punkten versehen, einer davon hat einen kleinen Schweif – das ist die Soester Prägung. „Köln hatte das Sagen, die Soester durften prägen.“ Aber auch Münzen mit städtischen Abbildungen, Pfennige mit dem Soester Stadttor und auf der Rückseite ein Bischof von Münster kann man im Bördeboden entdecken. „Manchmal sind es halbierte Geldstücke, man musste ja auch manchmal etwas heraus geben“, sagt Niesius lachend und Susanne ergänzt: „Manche Münzen sind etwas Besonderes, weil sie Fälschungen sind.“
Faszinierend wie Überraschungsei
Ihre Ausflüge sind für sie „faszinierend wie ein Überraschungsei.“ Finden sie Müll, nehmen sie ihn mit und entsorgen ihn. Auf der Suche nach interessanten Flächen hat das Paar mittlerweile detektivischen Spürsinn entwickelt: „Eine Ansammlung alter Gebäude mit einem Bach in der Nähe, ein sandiger Boden – früher wurde eher darauf gebaut. Man versetzt sich in die Lage der Menschen damals und überlegt: Wo hätte ich mich niedergelassen?“ Auch Gespräche mit älteren Landwirten seien durchaus ergiebig.
Auf einem Hof in Lippetal wurden bei Baggerarbeiten zum Beispiel eine Glocke mit Münzen aus dem 16. Jahrhundert, Fibeln aus dem achten bis zehnten Jahrhundert und Scherben freigelegt. Auch ihre Urlaubsziele wählen die Lippborger oftmals nach Prägnantem auf der Karte. So hat es sie beispielsweise schon in die Bretagne verschlagen, weil es dort viele keltische Hügelgräber gibt. Aber auch in Dänemark, dem Land der Wikinger, sind Niesius’ gerne unterwegs.