Lippetals Gewerbe hat großes Interesse an Industriegebiet

Beim ersten Netzwerktreffen der Lippetaler Gewerbevereine, das die Lippborger Vertreter organisiert hatten, ging es im proppevollen Haus Hagedorn um das neue Industriegebiet an der A2.
Lippetal – Lippetal steht Großes bevor, daran bestand am Donnerstagabend im Saal des Haus Hagedorn kein Zweifel. Fast zwei Stunden lang skizzierten Bürgermeister Matthias Lürbke und Stadtplaner Michael Ahn vor den zahlreichen Teilnehmern des ersten „Netzwerktreffens“ der drei Gewerbevereine die Pläne für das „Industriegebiet Westfalen“. Alles in allem lässt sich die Einstellung der heimischen Geschäftsleute gegenüber dem Jahrhundertprojekt als wohlwollend zusammenfassen. Planer Michael Ahn hörte unter den Rückfragen aber auch Bedenken und Argumente, die ihm so bisher noch neu waren; Sorgen etwa, ein so großes Industriegebiet könne den Arbeitsmarkt womöglich nicht nur befruchten, sondern den Fachkräftewettbewerb gar zum Nachteil der heimischen Betriebe verschärfen.
Deutlich wurde die Dimension des interkommunalen Projektes, das Lippetal mit der Nachbarstadt Hamm realisiert. 42 Hektar stehen, direkt an der Autobahn 2, zur Verfügung, das entspricht einer Größe von fast 60 Fußballfeldern. In dieser Größenordnung Industrieflächen anbieten zu können, ist nicht mehr vielen Kommunen vergönnt. Lürbke und Ahn beschrieben anschaulich die Genese der Planungen, die mit ersten Ideen schon in den 1980er Jahren begannen und zunächst daran scheiterten, dass der Regionalplan für diese Flächen ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung zuließ. Das änderte sich mit der Idee, über Kraft-Wärme-Kopplung die Abwärme des nahen Kraftwerk Westfalen in Uentrop zu nutzen. Plötzlich taten sich Möglichkeiten auf, das Industriegebiet doch zu realisieren. Doch die rechtlichen Hürden waren hoch, die Idee letztlich nicht umsetzbar – aus heutiger Sicht fast ein Glücksfall, wie Matthias Lürbke feststellt: „Hätten wir uns auf das Kraftwerk Westfalen konzentriert, würden wir vielleicht heute dumm dastehen“: Das Kraftwerk ist, dem Kohleausstieg sei Dank, seit Sommer 2021 stillgelegt.
Interesse an Planungen für Industriegebiet Westfalen: Rückblick auf die Entwicklungen
Trotzdem taten sich neue Möglichkeiten auf, die Planer Michael Ahn zu nutzen wusste. Und tatsächlich erreichte Lippetal 2018 die Änderung des Regionalplans und steckt nun mitten im Verfahren zur Nutzung des Flächennutzungsplans. Ahn umriss die bereits getanen und nun notwendigen Schritte, erklärte ausführlich, was Verkehrsplaner, Ökologen, Entwässerungsexperten und viele andere Beteiligte bereits untersucht und vorbereitet haben, was als nächstes passiert und warum es wohl noch bis 2025, vielleicht ‘26 dauern wird, ehe das erste Unternehmen tatsächlich in Lippborg produzieren wird. So sehr die vielen Hemmnisse auf dem Weg zum „Industriegebiet Westfalen“ auch sind: Die Zeiten für die Vermarktung solcher Grundstücke sei besser denn je, betonte Matthias Lürbke. Folglich rechne sich die Gemeinde auch aus, eine gewisse Auswahl treffen zu können, „wir gehen von einer großen Nachfrage aus“. Bestimmte Leitplanken will man einschlagen, die sanft steuern könnten, welche Art von Industrie nach Lippborg kommen wird. Logistik soll hier keine Rolle spielen, und großes Interesse dürfte auch an Betrieben, die auf einem Hektar Fläche zehn Arbeitsplätze schaffen, nicht bestehen. Der Spielraum für solche Regeln sei allerdings eng, erklärte Michael Ahn. Sicher sind gestalterische Dinge wie die Überdachung von Parkflächen mit Photovoltaik, genauso wie die Ausstattung von Dachflächen mit entsprechenden Modulen. Dank der Aussichten auf „grünen Wasserstoff“, den Hamm bald in Uentrop aus der Energie gewinnen will, die über die neue Amprion-Trasse von der Küste bis zu einem Konverter nach Hamm transportiert wird, werde das „Industriegebiet Westfalen“ umso interessanter, ist Ahn überzeugt.
Einer Hoffnung der Gewerbetreibenden hatte Matthias Lürbke gleich zu Beginn des Abends aber eine Absage erteilt: Details zu möglichen Ansiedlungen oder über Möglichkeiten für heimische Handwerksbetriebe, an Aufträge zu kommen, könne und werde er nicht nennen. Grundstücksverhandlungen seien grundsätzlich nichtöffentlich. Und, sobald sie spruchreif sind, würden Auftragsausschreibungen die üblichen Wege gehen. Sorgen, ein so großes Industriegebiet könne die Infrastruktur in Lippetal überfordern, trat Lürbke entgegen. Verkehrliche Überlegungen spielen schon in diesem Stadium der Planungen eine Rolle, Fragen, wie die nach Wohnraum für potenzielle Mitarbeiter, Einkaufsmöglichkeiten, Schul- und Kitaplätze stelle man sich bereits. Antworten darauf wird es aber wohl erst nach und nach geben: Dann, wenn an der A2 auch tatsächlich gearbeitet wird. Michael Ahn schaut dafür relativ weit voraus: Zehn bis 15 Jahre könne es schon dauern, ehe so ein Gebiet voll sei.
Mit der Änderung des Flächennutzungsplans geht die Gemeinde jetzt einen wichtigen Schritt. „Gelegenheit zum Austausch über das Vorhaben werden wir in diesem Verfahren noch viele haben“, versicherte Lürbke. Einwände und Bedenken würden gehört. Der Bürgermeister wird dann bestimmt auch noch häufiger erklären, warum man auf die Zusammenarbeit mit Hamm setzt, obwohl die Flächen doch ausschließlich auf Lippetaler Gebiet liegen: Allein hätte die Gemeinde den finanziellen und Verwaltungsakt für so ein großes Projekt kaum stemmen können. „Chancen und Risiken sind 50:50 aufgeteilt“. An vielen kleinen Beispielen lasse sich zeigen, dass das sinnvoll ist – bei der Sicherstellung des Brandschutzes etwa, bei der die Feuerwehr Lippetal auf die Unterstützung aus Hamm wird setzen können.
Gewerbetreffen
Mit so viel Resonanz hatte der Gewerbeverein Lippborg kaum gerechnet: Proppevoll war’s im frisch renovierten Saal des Haus Hagedorn am Donnerstagabend. Zum ersten Mal hatten die Lippborger ihre und die Mitglieder der Gewerbevereine Oestinghausen und Herzfeld zu einem Kooperationstreffen eingeladen. Ziel ist, sich stärker zu vernetzen und gemeinsam an der Entwicklung Lippetals zu arbeiten. Eva Ierardi vertrat ihren Nachfolger und neuen Gewerbevereins-Vorsitzenden Peter Höinghaus, weil der krankheitsbedingt fehlte. Die nächsten Aktionen sind bereits terminiert. Die Gewerbevereine hoffen auf ähnlich gutes Echo.