Die neuen Enthüllungen und die Vorwürfe zu Vertuschungen und Versäumnissen bewegen die Christen vor Ort, sie sind schockiert, empört und bedrückt. Das spüren die Seelsorger deutlich, vor allem auch die Empathie für die Opfer – und eine tiefgehende Irritation, die sie selber als Geistliche einbezieht.
„Die beste Botschaft kommt nur an, wenn die Boten selber glaubwürdig sind.“ Ein emotionales Thema, dass Pfarrer Kosmann von sich aus anspricht. Eine Frage der Gläubigen lautet: Was können wir in dieser schweren Krise tun, um den Kern der christlichen Botschaft glaubwürdig ins Zentrum zu rücken mit Werten wie mehr Menschlichkeit und Nächstenliebe? Jochen Kosman: „Wir müssen bei uns selbst anfangen und unser Bestes tun, um Kinder und Jugendliche Sicherheit zu geben und sie zu schützen.“ Die Erkenntnisse jedes Gutachtens seien schmerzhaft, führten aber näher an die Wahrheit heran, und die müsse nun schonungslos auf den Tisch.
Pfarrer Ulrich Liehr griff die ihn und viele Katholiken belastende Situation in der Predigt auf. „Ich verstehe mich als Priester, der den Weg mit den Gläubigen geht“, sagt er. „Ich bin traurig, dass Menschen, die in der Kirche vertrauensvoll Schutz gesucht haben, so etwas Schlimmes erlebt haben“, fügt er hinzu. „Ich bin wütend, ich schäme mich“, äußert er sich zum bisherigen Umgang mit den Taten. Um so dringender seien nun die vollständige Aufklärung und die umfassende Aufarbeitung.
Liehr berichtet, er erfahre im seelsorgerischen Dienst beide Seiten: Er sei gerne Priester, seine Zugehörigkeit zur Kirche sei an seiner Kleidung zu erkennen und deshalb sei er auch schon auf offener Straße beschimpft worden. Andererseits melden sich junge Eltern bei ihm, die ihr Kind taufen lassen und von Jesus gut behütet wissen wollen. Paare kommen, vereinbaren einen Trau-Termin, denn sie möchten mit Gottes Segen „Ja“ zueinander sagen. Solche persönlichen, positiven Glaubenserfahrungen prägen viele Menschen und verbinden sie mit der Kirche, sowohl aus Tradition als auch aus einer spirituellen Sehnsucht, schildert Liehr. Gläubige schließen sich an, weil sie sich in der Gemeinschaft gut aufgehoben wissen.
Die Pfarreien St. Ida in Herzfeld und Lippborg sowie Jesus Christus Lippetal haben schon vor drei Jahren ein umfassendes „Institutionelle Schutzkonzept“ erstellt – ein Beitrag zur Prävention von sexuellem Missbrauch von Kindern, Jugendlichen sowie weiteren schutz- und hilfebedürftigen Personen. Sie haben sich verbindliche Regeln gegeben und wollen damit ein deutliches Zeichen setzen. Ein Jahr lang hatten sich unter Leitung von Pastoralreferentin Stefanie Stappert Haupt- und Ehrenamtliche, darunter Vertreter von Kirchenvorstand und Pfarreirat, sowie die drei Leitungen der katholischen Kindergärten an dem Prozess beteiligt.