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Grüne und BG fordern Landwirtschaft und Energie statt Industrie an der A2

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Von: Michael Dülberg

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Grüne und BG protestieren gegen den Industriestandort an der A2
Auftakt zum Protest gegen das Industriegebiet „Westfalen“ an der Autobahn 2: Bürgergemeinschaft und Grüne wollen Veränderungen. © Michael Dülberg

„Das Industriegebiet Westfalen – brauchen wir das wirklich?“ Das fragen sich einige Lippetaler Politiker, Bürger und Landwirte.

Lippetal - Spätestens die Zeitenwende mit Krieg in Europa verändert die Einstellung der Grünen und der Bürgergemeinschaft zum neuen 42 Hektar großen Industriegebiet an der Autobahn 2 in der Bauerschaft Osker. „Landwirtschaft und Energie statt Industrie“, unter diesem Motto starteten beide Ratsfraktionen jetzt eine Initiative, um die Marschrichtung zu verändern.

„Landwirtschaft und Energie statt Industrie“

Das Industriegebiet sei nicht grün genug – wichtigstes Argument: 40 Hektar wertvoller Ackerboden wird von den Straßen und Industrieflächen verschlungen und geht für immer für die Produktion von Getreide verloren. Zurzeit wachsen noch Triticale, Weizen, Weidegras, Mais und andere Pflanzen auf dem Gelände. Bedroht sind auch rund zwei Hektar Waldflächen. Das Industriegebiet verletzt nach Ansicht von BG und Grünen den Freiraumschutz gemäß dem Landesentwicklungsplan, da eine Kraft-Wärmekopplung, die den Freiraumschutz im Außenbereich aufhebt, seit Schließung des RWE-Kohlekraftwerks Westfalen nicht mehr greift.

Welche Unternehmen sollen kommen?

Die Aufsichtsratsvorsitzenden der Westfalen GmbH müssten jetzt veröffentlichen, welche Unternehmen, außer der Großbäckerei Büsch, sich um eine Ansiedlung an dem Standort bisher beworben haben. Dabei seien deren Namen nur bedingt von Interesse; interessanter seien Art der Produktion, die Produktionsverfahren und das Dienstleistungsangebot, die Unternehmensgröße, die Gesellschaftsform oder Einzelunternehmen sowie der Flächenbedarf, sodass deutlich wird, ob es sich um innovative und positiv nachhaltige Betriebe handelt.

„Landwirtschaft muss erhalten bleiben“


Wiebke Mohrmann: „Einer nicht-landwirtschaftlichen Nutzung der von Hamm und Lippetal angekauften 40 Hektar Ackerland und zwei Hektar Wald stimmen wir nur zu, wenn die landwirtschaftliche Nutzung mit geringen Einschränkungen auf der Fläche möglich bleibt.“

Es böte sich ein Erneuerbare-Energien-Park mit Freiflächen-PV und Bürger-Windkraftanlagen an, sodass die Kommune nicht vertragsbrüchig mit den verkaufswilligen Flächenbesitzern werde. Die Gemeindebetriebsgesellschaft und gleichermaßen Bürger könnten dabei als Investoren auftreten und Erträge aus Energie und landwirtschaftlicher Verpachtung erzielen. Der Gemeinderat erarbeitet hierzu nach Vorstellung der Kritiker transparente Vergabekriterien, die ein Unternehmen erfüllen muss, um eine Teilfläche des neuen Energieparks zu kaufen.

Flächen nur nach Bedarf versiegeln

Werner Sander (BG): „Damit verwehren wir uns nicht der wirtschaftlichen Weiterentwicklung Lippetals, versiegeln Flächen aber nur nach Bedarf – das bedeutet, die Flächen werden sukzessive zur Bebauung freigegeben, sofern wirklich innovative Unternehmen wie zum Beispiel eine Handy-Recycling-Fabrik oder Insektenzuchtfarm und ähnliche Firmen sich ansiedeln möchten.

Lippetal hat nur 2,3-prozentige Arbeitslosenquote

Wiebke Mohrmann: „Lippetal ist zurzeit vollbeschäftigt mit einer nur 2,3-prozentigen Arbeitslosenquote. Wir bräuchten Zuzug, um Arbeitskräfte für die Industrie hier ansiedeln zu können – das bedeutet noch mehr Flächenverbrauch für Wohnsiedlungen.“ Weiterhin würden bestehende heimische Handwerksbetriebe mit der Industrie um knappe Fach-Arbeitskräfte konkurrieren. 40 Hektar ertragsstarker Ackerboden werde ersatzlos und irreversibel umgenutzt für Industrie, die mit heimischen Handwerksbetrieben um Arbeitskräfte konkurriert.

Weltpolitische Lage hat sich verändert

Der Zustimmung zum Industriegebiet Westfalen durch die Bezirksregierung gingen bekanntlich über 30 Jahre Planung voraus, doch die weltpolitische Lage habe sich kurzfristig geändert durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Die Lokalpolitik müsse insoweit darauf reagieren, nicht nur den eigenen Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, sondern auch andere Länder mit Getreide mitversorgen zu können. Mohrmann: „Deshalb müssen für neue Unternehmen brachliegende Industrieflächen in der Metropolregion Rhein-Ruhr reaktiviert werden und Lippetal entwickeln wir als Landwirtschafts- und Energiestandort weiter!“

Starke Befürworter auch bei SPD und CDU

Die Fraktionen von CDU und SPD halten indes am sogenannten modernen, grünen und vor allem nachhaltigen Industriegebiet mit Produktionsbetrieben und vielen Arbeitsplätzen wie lange geplant fest. So gibt es in Lippetal und im Umfeld der Industriegebiet Westfalen GmbH auch starke Befürworter des neuen Industriegebietes. CDU- und SPD-Fraktion im Rat, Bürgermeister Matthias Lürbke und die Kreis-Wirtschaftsförderung haben sich inzwischen nach dem Bekanntwerden des Widerstandes von Grünen und BG deutlich zu Wort gemeldet und kritisieren die Haltung von Grünen und BG. Diese Stellungnahmen wie auch eine differenzierte Meinung der FDP-Fraktion im Lippetaler Rat zur finanziellen Entwicklung des I-Gebietes Westfalen finden unsere Leser in den kommenden Ausgaben. Aus Platzgründen kann die Redaktion die komplexen Stellungnahmen erst in der kommenden Woche ausführlich darstellen.

„Regulierung durch Gesetzgebung fehlt“

„Eine wesentliche Ursache für den anhaltend hohen Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen ist laut den Grünen eine fehlende Regulierung durch die Gesetzgebung. Landwirtschaftliche Flächen werden immer noch unzutreffend als „Frei“-Flächen begriffen. Anders als bei Wirtschaftsbetrieben wird landwirtschaftlichen Betrieben keine Entwicklungsperspektive durch die Landes- und Regionalplanung gesichert, es findet auch keine entsprechende Bedarfsberechnung in der Landes- und Regionalplanung statt. Statistisch gesehen sind landwirtschaftliche Flächen der ‘Vegetation 8’ zugeordnet, dadurch ist landwirtschaftliche Fläche für die Regionalplanung auf Basis des Landesentwicklungsplanes (LEP) reine Verfügungsmasse,“ sagt Norvich Rüße, Sprecher für Landwirtschaft der Grünen im NRW-Landtag.

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