Aber für den passionierten Sport- und Kunstflieger, aktiver Pilot in der Flugsportgemeinschaft Soest, erfüllte sich ein Traum, „denn das ist ein Hochleistungsflieger, viele Piloten möchten einmal zumindest mitgeflogen sein. Die Maschine kann man auch nicht gemütlich fliegen. Die muss man so richtig rannehmen„. Dieser Traum wäre für andere vielleicht ein Albtraum, drückt die Maschine einen bei der Beschleunigung doch mit dem bis zum Achtfachen des eigenen Körpergewichts in den Sitz, „das hält man nicht lange aus“, meint der 64-Jährige, der sich zwar brav nach Vorschrift alle zwei Jahre auf Herz und Nieren ärztlich auf seine Flugtauglichkeit prüfen lässt. „Aber Kunstflug ist mehr als nur ein Hobby“, meint er, „es ist die Leidenschaft, die Grenzen der Aerodynamik und der Leistungsfähigkeit von Flugzeug und Mensch weiter zu erforschen.“
Für den Umgang mit der Su-29 ließ sich Ruschkowski fünf Tage lang vom Eigner Dietke Clauß, ebenfalls Kunstflieger, einweisen, „und das war sehr anstrengend. Wir sind viermal täglich damit geflogen, jeweils maximal eine Viertelstunde, obendrein war es heiß und das Cockpit hat mit Gemütlichkeit nichts zu tun – da war ich jeden Abend fix und fertig“. Denn mit all seinen Komponenten und seiner extrem komplexen Bedienung sei die Maschine alles andere als leicht zu fliegen: „Vergleicht man sie mit einem westlichen Kunstflugzeug, so braucht sie rund viermal so viele Wartungsstunden. Auch der Pilot benötigt denselben Faktor mehr an Trainingsstunden wie für die kleineren und leichteren Kunstflugzeuge aus den USA und Deutschland.“
Zum einen liege das an dem extremen Drehmoment des riesigen Propellers: „Die Sukhoi ist ein einzigartiges Kunstflugzeug, schwierig zu fliegen, kritisch im Grenzbereich, jedoch zeigt sie im Kunstflug-Einsatz einzigartige Talente, die allerdings auch beherrscht sein wollen. Außerdem begeistert sie mit der überperfekten Technik und nicht zuletzt mit dem einzigartigen Sound ihres Sternmotors. Durch ihre schiere Größe wirkt sie neben westlichen Fliegern wie ein Flugsaurier neben einem Adler.“
Der 400 PS Vedenejev M-14 P, ein 9-Zylinder-Sternmotor mit Kompressor, treibt den Propeller mit satten 2,6 Metern Durchmesser an. Auch hier sei der Pilot gefordert, immer die richtige Betriebstemperatur einzuhalten. „Sieht man sich die Bauweise der Su-29 im Detail an, so ist alles ausschließlich nach militärischen Standards gefertigt. Alle Schalter und Bedienelemente sind extrem massiv gefertigt. Alleine das Notabwurfsystem der Cockpit-Haube ist so ausgeklügelt konstruiert, dass es sich kontrolliert aus der Verankerung löst. Eine Fehlbedienung am Boden würde einen Mechaniker mindestens sieben Stunden beschäftigen, um dieses wieder funktionstüchtig zu machen. Das Fahrwerk besteht aus zwei gefrästen und anschließend verschweißten Titanprofilen. Die Flächen, das Höhen- und Seitenleitwerk sind aus Kohlefaser, genau wie das hintere Rumpfteil. Noch weniger wundert der extrem große und massive Steuerknüppel. Die Su-29 ist während des Kunstfluges nur mit zwei Händen am Knüppel zu fliegen. Ein durchlaufendes Steuerseil und ein unglaublich langer Weg der Pedale minimieren auch am Seitenruder die hohen Kräfte.
Kunstflugzeuge gibt es auf dem Flugplatz Lohne nicht, daher ist Ruschkowski auf andere Flugplätze und Eigner angewiesen. Umgekehrt wäre natürlich der Gedanke naheliegend, dass er im kommenden Jahr bei den Lohner Flugtagen mal zeigt, was er gelernt hat. „Aber dazu müsste immer weiter trainieren, und das wäre zu teuer”, meint er. Denn auch so war die Aktion nicht billig, denn die Maschine ist ein Spritfresser, „und wer weiß, wie sich die Preise entwickeln. Gegen Ende meines Aufenthaltes gingen die Preise wieder auf, zu einem späteren Zeitpunkt hätte ich mir diesen Traum vielleicht nicht mehr erfüllen können – und jünger werde ich ja auch nicht“, hatte er in Anbetracht der Energie- und Treibstoffkrise schon moralische Bedenken, noch dazu, wo es sich um ein russisches Fabrikat handelt.
Aber das befindet sich ja ohnehin schon seit Langem in europäischen Händen – ursprünglich war es ein Geschenk an einen Scheich, der Militärmaschinen von Sukhoi gekauft hat. Dort wurde es nie benutzt und kam dann über die Schweiz in die Nähe von London, wo es von einem Airlinebesitzer geflogen wurde. Nun ist das Hightech-Sportgerät in Deutschland und hat laut Homepage des Besitzers gerade einmal 350 Flugstunden auf dem Buckel. Und gebaut wurde es ohnehin während der Amtszeit Boris Jelzins – und der soll immerhin gesagt haben, es sei ein großer Fehler gewesen, Putin als seinen Nachfolger auszuwählen.