1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Lippetal

Lippetaler müssen auf Rücklage zugreifen

Erstellt:

Von: Karin Hillebrand

Kommentare

Haushalt Gemeinderat Lippetal Parteien Mustermann verabschiedet
Viel Geld fließt in Schulen und Betreuungsangebote. © Wilms

Der Gemeinderat hat den Haushalt für 2023 verabschiedet. Für Familie Mustermann ändert sich nicht viel. Geplant sind etliche Investitionen.

Herzfeld – Einstimmig verabschiedete am Dienstag, 13. Dezember, der Gemeinderat den Haushalt der Gemeinde Lippetal für 2023.
„Ich bin froh, dass wir es in dem alten Jahr noch geschafft haben, das gibt uns eine Planungssicherheit von Jahresbeginn an“, zeigte sich Bürgermeister Matthias Lürbke erfreut. Auch darüber, dass Verwaltung und Politik sachlich miteinander gearbeitet und die Gremien intensiv diskutiert haben, sodass dieses Haushaltspaket innerhalb kurzer Zeit beschlossen werden konnte.

Die Planung für 2023 schließt mit einem Defizit von rund 1,67 Millionen Euro, es wird über die Ausgleichsrücklage gedeckt – die Einnahmen liegen bei rund 31,8 Millionen Euro, die Ausgaben bei knapp 33,5 Millionen Euro. Die gute Nachricht ist: Für den Bürger ändert sich nicht viel. Die Lippetaler Familie Mustermann (Einfamilienhaus, Familie mit zwei Kindern) wird bei Entwässerungsgebühren ein wenig entlastet, die Müllgebühren steigen im Gegenzug ein wenig und die Steuern werden minimal erhöht (Der Bericht zu den Gebühren folgt).

Die Haushaltsplanung und Kalkulation von Steuern und Abgaben für das kommende Jahr seien von vielen Unwägbarkeiten begleitet, heißt es in Lürbkes Stellungnahme zum Haushalt. Informationen seitens des Landes, wie Steuerschätzungen oder Gesetzesänderungen, seien spät gekommen. Hinzu kämen nur schwer vorhersehbare Kosten, bedingt durch gestiegene Energiekosten und Inflation sowie die Flüchtlingsversorgung. Im Haushaltsplan enthalten seien etwa 2 Millionen Euro als finanzielle Folgeschäden der Corona-Pandemie und des Krieges, die sich aufsummierten, für die es seitens Bund und Land keine finanzielle Unterstützung gebe. Eine Buchungshilfe hierzu ließe die kommunalen Haushalte besser aussehen, in Wirklichkeit seien sie aber immer defizitärer.

Lürbke appelliert an den Kreis Soest und den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, auch dieses Buchungsinstrument und alle Möglichkeiten zur Kostenreduktion zu nutzen. Denn die Kreisumlage und die Jugendamtsumlage stiegen in hohem Maße an, zusammengerechnet betrüge dies mit 11,1 Millionen Euro ein Drittel des Haushaltsvolumens. Beide beschlössen ihren Haushalt erst im kommenden Jahr.

Die Politik dankte den Mitarbeitern der Verwaltung, insbesondere Kämmerer Jürgen Sickau und Gebührenexperte Hubertus Veltin, die die politischen Beratungen zu Haushalt und Gebühren begleitet hatten. Die Fraktionsvorsitzenden bezogen im Namen der Fraktion zudem Stellung zu dem verabschiedeten Haushalt.

BG

Werner Sander sieht für die Bürgergemeinschaft Lippetal den Klimaschutz als drängendes Thema durch Krisen, Krieg und Inflation in den Hintergrund gerückt: 450 000 Euro, also 0,9 Prozent des Haushaltes seien für den Umweltschutz gedacht. Positiv wertet er die Wirkung der Haushaltsplanung für die Mustermanns, die trotz Anhebung der Hebesätze bei Grundsteuer A und B sowie Gewerbesteuer keine Mehrbelastungen habe. Wenig verwunderlich findet Sander den Anstieg von Kreis- und Jugendamtsumlage: „Der Kreis muss die Kosten nicht selbst erwirtschaften, man erhöht einfach die Umlage.“

So konnte ihm beispielsweise niemand den Nutzen zweier Drohnen erklären, die beim Kreis für insgesamt 80 000 Euro anschafft werden sollen. Die Ausgleichsrücklage sei mit 6,2 Millionen Euro erfreulich hoch, nach der Entnahme liege sie Stand heute 2023 bei 5,2 Millionen. Außerdem seien größere Vorhaben geplant (Sanierung Grundschule Lippborg, Bürgerhaus Schoneberg, Sportlerheim Herzfeld, Neubau Kita Oestinghausen, Kreisverkehr Herzfeld, Klärschlammvererdungsanlage, Grundstücksankäufe), dafür seien Investitionen von 17 Millionen Euro und eine Kreditermächtigung von 10 Millionen Euro angesetzt.

FDP

Auch Justus Oexmann von der FDP glaubt, dass bei den Umlagen seitens des Kreises noch das ein oder andere eingespart werden könne, es sei aber die Gesamtsituation, die den Haushalt belaste, beispielsweise durch gestiegene Energie-, Unterhaltungs- und Baukosten. Energiekosteneinsparungen seitens der Gemeindebetriebsgesellschaft seien ausbaufähig, etwa durch Windkraftanlagen. Sorgen macht sich Oexmann um die sinkenden Rücklagen, die er bis Ende des Jahrzehnts aufgebraucht sieht. Dahingehend beruhigend seien die letzten Jahresergebnisse, die jeweils positiver seien, als die vorherigen Haushalts-Prognosen.

Viele Mittel stünden der Verwaltung nun für die Schulen zur Verfügung, was den Kindern und Jugendlichen und damit der Zukunft der Gemeinde zugute kommt. Ebenso solle im Bereich von Kitas, Sportstätten und Jugendeinrichtungen mit Augenmaß weiter entwickelt werden.Thematisch greift Oexmann das Industriegebiet Westfalen, die Änderung des Flächennutzungsplans in Niederbauer sowie die Gestaltung des Dorfkerns in Lippborg auf. Eine planvolle Weiterentwicklung könne Gewerbesteuer und daraus resultierend auch Einkommensteuer generieren.

Die Grünen

Die steigenden Abfallgebühren halten die Grünen laut Wiebke Mohrmann für einen guten Anreiz, um Müll zu reduzieren, auch wenn der eigentliche Grund für die Erhöhung der längere Transportweg nach Bielefeld statt wie bisher nach Hamm sei.
Zur Diskussion stellte sie in der Ratssitzung trotz der Zustimmung zum Haushalt jedoch die Veranschlagung von 180 000 Euro für Mähroboter an den Sportanlagen. Es sei ein interessantes Jahr gewesen, in dem vieles neu überdacht werden musste, blickt Mohrmann zurück. Parkplätze konnten mithilfe von Fördermitteln aus dem Schulinfrastruktrugesetz an der Lippetalschule entstehen, zudem bemühte man sich um innerörtliche Radwege.

Trotz hoher Spritpreise seien die öffentlichen Verkehrsmittel weniger genutzt worden als erwartet, es gelte Ticketpreise zu senken und die innerörtliche Fahrradnutzung attraktiver zu gestalten. Man habe sich vor dem Hintergrund steigender Baukosten und Handwerkermangels um Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine bemüht. Die schnelle Lösung, Metallcontainer ohne Inneneinrichtung für rund 1 Million Euro, sei vielleicht besser anwendbar gewesen. Bezüglich des geplanten Industriegebiets an der A2 fragt Mohrmann, ob dies nicht ein guter Windkraftstandort sei, es würden dort Arbeitsplätze geschaffen, die man in Lippetal zunächst dank Vollbeschäftigung nicht brauche.

SPD

Für die SPD rund um Herbert Schenk ist der vorgelegte Haushalt eine Momentaufnahme. Die durch vielfältige Krisen entstandenen Risiken und Unsicherheiten seien kaum greifbar, noch schwerer bezifferbar. Die Rechnung des Kämmerers erscheint Schenk jedoch zu pessimistisch – auch in der mittelfristigen Ergebnisplanung. Ausgeglichen werde der Haushalt durch die Inanspruchnahme von über 1,6 Millionen Euro aus der Rücklage, man sei sich jedoch sicher, dass die Jahresrechnung positiver ausfalle. Zudem würden die Bürger nicht übermäßig belastet.

Die Kommunen sieht Schenk im Umgang mit unverschuldet entstandenen Pandemie- und Ukrainekosten durch Vorgänger- und jetzige Regierung allein gelassen. Die Landesregierung biete mit der Isolierung der Kosten aus dem kommunalen Haushalt keine echte Hilfe. Es sei eine „kreative Finanzbürokratie mit langjähriger Abschreibung der Kosten durch die Kommunen“.
Ausdrücklich begrüßt Schenk Veränderungen im Stellenplan und würdigt die Leistung der Schulsozialarbeit. Ebenso wertet er die Investitionen in Schulen und Betreuung der Kinder positiv.

CDU

Der Haushalt sei solide, beständig und vorausschauend aufgestellt, so Tobias Nillies für die CDU. Lippetal stehe als finanzstarke Kommune da. Die Planung enthalte genug Spielraum, um flexibel auf Kommendes reagieren zu können. Schwer festzulegende Ausgaben, gerade im Bereich der Energiekosten und Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten, seien ausreichend ermittelt.
Die Kriegsflüchtlingsbewegung werde die Gemeinde in den kommenden Jahren stark fordern. Die Unterstützung durch das Mütterzentrum Beckum, Caritasverband Soest und das Kommunale Integrationsmanagement sei Lippetal mit zusätzlichem Fachpersonal aktuell gut aufgestellt, sodass man vorübergehend eine Heimat bieten könne.

Nillies geht auch auf die Investitionen für 2023 in die Gemeinde ein: In Oestinghausen steht ein Bau an der Stephanusschule zur Grundschulbetreuung in Kombination mit einer Kindertagesstätte an. An Ludgerischule und Lippetalschule sind Sanierungen und Erweiterungen geplant, durch die Kooperation mit Welver könne man an letzterer einen fünften Zug einrichten. Die Sportlerheime werden auf Sanierungsmaßnahmen überprüft. Auf gemeindlichen Dächern ist die Errichtung von drei neuen Photovoltaikanlagen geplant. Industriegebiet, Kläranlage und Breitband stünden an.

Auch interessant

Kommentare