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Bürgermeister: „2015 droht sich zu wiederholen“

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Von: Klaus Bunte

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Der ehemalige Gasthof Bockey wird in eine Unterkunft verwandelt.
Der ehemalige Gasthof Bockey wird in eine Unterkunft verwandelt. © Dülberg

Die Kommunen bekommen es zu spüren: „Die Sache nimmt wieder Fahrt auf. Wir drohen, wieder auf Flüchtlingszahlen wie vor sieben Jahren zu kommen“, befürchtet Ludger Schenkel, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters und Leiter des Ordnungs- und Sozialamtes in Lippetal.

Lippetal – „Wir sehen, was in der Ukraine passiert”, erklärt Schenkel zu den Ursachen. „Durch die Angriffe der russischen Truppen auf die Infrastruktur wird den Menschen die Lebensgrundlage entzogen, so dass viele, den Winter nicht überdauern werden. Daher ist, sobald der Winter kommt, mit einer größeren Flüchtlingswelle zu rechnen. Wir sehen, dass viele gezielt versuchen, Deutschland zu erreichen.

Gleichzeitig scheint sich die Balkan-Route wieder zu öffnen. Und auch in Österreich und in den Balkan-Ländern schaut man offenbar weg, wenn die Flüchtlinge weiter in Richtung Norden ziehen. Insofern nimmt auch ihre Zahl aus Drittländern stark zu, vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.

Sei die Lage auch dynamisch, so sei dennoch zu befürchten, dass die Zahlen von 2015 nicht nur erreicht, „sondern sogar überschritten werden“, gibt Bürgermeister Matthias Lürbke seinem Stellvertreter recht. Die „hohe Politik“, so Schenkel weiter, halte sich zwar mit offiziellen Zahlen zurück, „aber wir erkennen vor Ort, dass wir erheblich Flüchtlinge zugewiesen bekommen.“

Und darauf müssen die Kommunen vorbereitet sein – was in der Theorie leichter gesagt, als in der Praxis umsetzbar ist. Denn die Gemeinde muss Platz bieten für bis zu 153 weitere Personen. Schließlich sind die Kommunen dazu verpflichtet, eine vorgegebene Zahl an Flüchtlingen aufnehmen zu können.

Das sind sowohl Flüchtlinge, deren Verfahren noch läuft – „da haben wir unsere Quote schon zu 95 Prozent erfüllt“ meint Schenkel – als jene, die bereits ein Bleiberecht haben und einer Kommune für drei Jahre zugewiesen werden, aber auch nicht den Wohnort wechseln dürfen. Hier liege die Gemeinde bei nur 51 Prozent – im Ernstfall müsste sie also bis zu 143 weitere aufnehmen können.

Und die Vorlaufzeit betrage immer nur sieben bis zehn Tage, daher sei es umso wichtiger, über „Reserve-Wohnraum“ zu verfügen. Problematisch wird es, wenn der Gemeinde, wie unlängst erst geschehen, ad hoc eine schwerstbehinderte Person zugewiesen wird.

Bereits 2015 habe man dazu auf die dezentrale Unterbringung gesetzt. „Und das hat sich bewährt”, meint Lürbke, „zumal andernorts die Wogen hochschlagen, wenn viele Flüchtlinge gemeinsam in einem Objekt untergebracht werden“, ergänzt Schenkel. „In Lippetal haben wir kaum Widerstände in der Bevölkerung.“

Zusätzlich zu den Bestands-Objekten erwarb oder mietete die Gemeinde auch Objekte an – dort, wo die Infrastruktur passt, die Asylsuchenden also einkaufen können, da sie nicht von einem Caterer versorgt werden, und Anschluss an den ÖPNV haben. Aktuell sind das 25 Objekte – alle belegt, bis auf einzelne Zimmer und unlängst angeschaffte Wohncontainer.

Daher kommen jetzt zwei Objekte in Lippborg dazu: das frühere Bordell am Ortsrand und den ehemaligen Gasthof Bockey. „Und wir sind im Gespräch mit Eigentümern, bei denen wir davon ausgehen, dass wir kurzfristig noch Wohnraum anmieten können.“

Neben dem Sozialamt kümmern sich noch eine Mitarbeiterin der Caritas und eine des Mütterzentrums Beckum um die Asylsuchenden, hinzu kommen zwei Sozialarbeiter, die sich Lippetal mit Erwitte und Bad Sassendorf teilt. Die Mitarbeiterin der Caritas befasst sich vor allem mit den behördlichen Angelegenheiten, mit denen die Flüchtlinge zwangsläufig überfordert sind aufgrund der Sprachbarriere.

Sprachkurse gibt es bei der VHS, für die Integrationskurse müssen sie nach Soest – ein Problem für Mütter mit kleinen Kindern, denn die Zahl der Plätze mit Betreuung ist begrenzt. Und zudem gerieten die Behörden allmählich personell an ihre Grenzen. Aber immerhin, so Schenkel, „die Flüchtlinge mögen uns. Denn wir als Kommune sind schnell. Mit einem guten Hausmeister und einem Scheckbuch bewältige ich jede Flüchtlingskrise.“

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