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Reden gehört zum Handwerk: Kein „Silent Cut“ bei Lippetaler Friseuren

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Von: Karin Hillebrand

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Friseur Handwerk Silent Cut Schweigen in Ruhe Haare schneiden
Marion Pohl, hier für Altweiberfastnacht kostümiert, schafft in ihrem Salon bewusst eine ruhige Atmosphäre. © Karin Hillebrand

Nach einem langen Arbeitstag steht der Termin beim Friseur an. Der Kopf ist voll und das Sofa gedanklich näher als ein Small-Talk mit dem Friseur. In Berlin gibt es erste Salons, bei denen gestresste Großstädter einen „Silent Cut“ buchen können – Waschen, Schneiden und schweigsam sein. Ein Modell, dass auch hier in der Region möglich ist?

Von Karin Hillebrand und Ursula Vielberg

Lippetal – Bei Friseurmeister Norbert Bitter ist am späten Nachmittag einiges los. Ein junger Mann sitzt bereits am Platz, erzählt von seinem neuen Job, dem Umzug und einer anstehenden Geburtstagsparty. Eine Kundin, die gerade herein kommt, freut sich, dass sie keine Maske mehr tragen muss.

Es herrscht viel Leben in dem Herzfelder Salon. Doch das ist nicht immer so. Bitter, der auch Obermeister der Friseur-Innung Soest-Lippstadt ist, erklärt: „Wenn ich Kunden frage, welchen Wunsch sie beim heutigen Termin haben, bekomme ich schon mal die Antwort: ,Ich hätte es dieses Mal gern schweigend.’ Das ist für mich auch völlig okay, es wird dann eben nicht geredet.“

Einen „Silent Cut“ will Bitter jedoch nicht in seine Angebotspalette aufnehmen: „Wir sind ein kommunikatives Handwerk. Zuhören können und Reden gehört zu unseren Dienstleistungen. Beides tue ich gerne. Ein erfahrener Friseur spürt schnell, wenn der Kunde mal nicht reden möchte. Das merke ich spätestens nach zwei Sätzen.“

Friseur Handwerk Silent Cut Schweigen in Ruhe Haare schneiden
Die Arbeit im Salon kann sich Katja Schakat nicht ohne Gespräche vorstellen. Reden muss bei ihr niemand. © Karin Hillebrand

Marion Pohl setzt im „Schön“ bewusst auf Ruhe: „Bei uns läuft kein Radio, keine Musik.“ Und das Feedback, das die selbstständige Friseurin in Herzfeld bekommt, gibt ihr Recht. „Manche freuen sich über die Ruhe, die hier herrscht.“ Man habe ohnehin viele Nebengeräusche, beispielsweise beim Föhnen. Für Gespräche stellt sich Pohl allerdings ganz auf ihre Kundschaft ein. Für Mitarbeiter sei es jedoch auch anstrengend, den ganzen Tag hindurch zu sprechen.

Gespür für Kunden

„Der eine hat Gesprächsbedarf, der andere eher nicht“, fasst es Claudia Schenkel zusammen. Sie führt im Salon Schenkel in Oestinghausen das Büro, ist Kundin im eigenen Laden. „Unsere Friseure haben ein Gespür dafür.“

Eheberater und Psychologe

„Manchmal sind wir Eheberater, manchmal Psychologen. Wir wissen manchmal vielleicht mehr als die Partner“, sagt Katja Schakat vom „Haarscharf“ in Lippborg. Den Gedanken, einen „Silent Cut“ anzubieten, quittiert sie daher prompt mit: „Auf gar keinen Fall, das ist etwas für den Wellness-Bereich! Das Quatschen gehört hier einfach dazu. Wenn jemand nicht reden möchte, muss er nicht.“

So geht es während Haare geschnitten oder auf große Wickler gerollt werden, sowohl um Privates als auch um die ganz alltäglichen Dinge. „In der letzten Zeit wurde viel über Corona und den Krieg gesprochen“, erzählt die Friseurmeisterin und ihr Gesicht nimmt ernstere Züge an. Es werde Zeit, das der Frühling kommt. Der Karneval reißt es bereits ein wenig raus: „Der ist bei uns in Lippborg groß. Die Weiberfastnacht und der Umzug sind jetzt das Thema.“

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