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Friedlandstraße in Lippborg erinnert an bewegte Zeiten

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Von: Karin Hillebrand

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Für ein Foto trafen sich Helene Pendzialek, Reinhild Maduch, Lothar Maduch, Karl und Elisabeth Musiol sowie Alfred Erharter auf dem Siedlungsspielplatz. Gemeinsame Feste vermissen die Siedler in der heutigen Zeit.
Für ein Foto trafen sich Helene Pendzialek, Reinhild Maduch, Lothar Maduch, Karl und Elisabeth Musiol sowie Alfred Erharter auf dem Siedlungsspielplatz. Gemeinsame Feste vermissen die Siedler in der heutigen Zeit. © Karin Hillebrand

Die Friedlandstraße in Lippborg erinnert an bewegte Zeiten. Sie liegt in einer der vielen Siedlungen, die um 1970 herum für kinderreiche Spätaussiedlerfamilien in Deutschland errichtet wurden. Sie sind eng mit dem Namen Scheperjans und dem Begriff Friedland verknüpft.

Lippborg – Monsignore Wilhelm Scheperjans war von 1960 bis 1973 für die Caritas im niedersächsischen Grenzdurchgangslager Friedland als Seelsorger tätig. Eines Abends kamen dort sehr viele Menschen aus demselben Ort an und es beschäftigte ihn, wie es für die Ankommenden als Gemeinschaft weitergehen kann: Das war der Beginn der Gruppensiedlungen.

Engelbert Wilmer, Bürgermeister der alten Gemeinde Herzfeld, nahm 1967 Kontakt zum Monsignore auf (Heimatkalender Kreis Soest 1973, Lübbers), 1973 wurde die Siedlung in Lippborg mit 49 Häusern als eine von vier Gruppensiedlungen in Lippetal eingeweiht. Weitere wurden in Herzfeld, Oestinghausen und Hovestadt gebaut.

Laut Einladungsschreiben zur Einweihungsfeier waren hier insgesamt 115 Häuser mit 190 Familienwohnungen gebaut worden. An der Friedlandstraße lagen zu der Zeit nur wenige Häuser; sie endete nach wenigen Metern an einem Acker. Das Elternhaus von Karl Musiol liegt an der Ecke zur Gerhart-Hauptmann-Straße, von der weitere Nebenstraßen und die Kantstraße abgehen.

Bei früheren Festen am Spielplatz – dem Herzstück der Siedlung - lauschte er den Erzählungen der Älteren aus den Anfangszeiten. Zum 25-jährigen Bestehen wurde dort ein Gedenkstein aufgestellt. Helene Pendzialek zählt, so wie Nachbarin Reinhild Maduch, zu den Ursiedlerinnen. Sie kam mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Georg und den Kindern zur Familienzusammenführung aus dem oberschlesischen Ratibor über Friedland zunächst nach Baden-Württemberg, anschließend in die Lippegemeinde.

Sohn Paul überreichte Scheperjans während des offiziellen Einweihungsaktes, zusammen mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft eine rote Rose für jedes errichtete Haus. So steht es unter einem der vielen Zeitungsartikel, die sie in den Jahren gesammelt hat. Anschließend ging es weiter zur Siedlung in Herzfeld, bevor man im Gemeinschaftshaus in Oestinghausen den Tag gesellig enden ließ.

„Das war ein schönes Fest,“ erinnert sich die 87-Jährige gerne zurück. Überhaupt war viel Leben in der Siedlung, das auch schnell in den Rest des Ortes schwappte. „Zu Beginn waren über 200 Kinder hier,“ erzählt Pendzialek, die nicht lange brauchte, um mit den Lippborgern warm zu werden. „Hier fuhren keine Autos; alle spielten auf der Straße.“

Schnell ist man den Vereinen beigetreten, hat sich am Leben vor Ort, in der Frauengemeinschaft, bei der Kolpingsfamilie und den Schützen beteiligt. Jedes Jahr gab es ein Sommerfest, bei dem Akkordeon gespielt wurde und ein gemeinsames Adventssingen. Jemand hatte eine Gitarrengruppe für Jugendliche ins Leben gerufen und der Stein auf dem Spielplatz wurde zur Fronleichnamsprozession zum Altar umgebaut und liebevoll geschmückt. Jeder beteiligte sich.

Für Helene Pendzialek und Reinhild Maduch war das eine wunderschöne Zeit mit einem starken Zusammenhalt. Mittlerweile sind die Kinder groß, haben eine Arbeit und eigene Familien. „Die Siedlung verändert sich,“ sagt Karl Musiol, der mit seiner Frau Elisabeth zurück in die Friedlandstraße gezogen ist. „Viele der ursprünglichen Siedler leben nicht mehr, neue Familien kommen hinzu,“ beschreibt er den stetigen Wandel.

Die gemeinsamen Feste fehlen allen, denn die Pflege der Gemeinschaft gestaltet sich in Zeiten der Pandemie schwer.

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