Laut Einladungsschreiben zur Einweihungsfeier waren hier insgesamt 115 Häuser mit 190 Familienwohnungen gebaut worden. An der Friedlandstraße lagen zu der Zeit nur wenige Häuser; sie endete nach wenigen Metern an einem Acker. Das Elternhaus von Karl Musiol liegt an der Ecke zur Gerhart-Hauptmann-Straße, von der weitere Nebenstraßen und die Kantstraße abgehen.
Bei früheren Festen am Spielplatz – dem Herzstück der Siedlung - lauschte er den Erzählungen der Älteren aus den Anfangszeiten. Zum 25-jährigen Bestehen wurde dort ein Gedenkstein aufgestellt. Helene Pendzialek zählt, so wie Nachbarin Reinhild Maduch, zu den Ursiedlerinnen. Sie kam mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Georg und den Kindern zur Familienzusammenführung aus dem oberschlesischen Ratibor über Friedland zunächst nach Baden-Württemberg, anschließend in die Lippegemeinde.
Sohn Paul überreichte Scheperjans während des offiziellen Einweihungsaktes, zusammen mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft eine rote Rose für jedes errichtete Haus. So steht es unter einem der vielen Zeitungsartikel, die sie in den Jahren gesammelt hat. Anschließend ging es weiter zur Siedlung in Herzfeld, bevor man im Gemeinschaftshaus in Oestinghausen den Tag gesellig enden ließ.
„Das war ein schönes Fest,“ erinnert sich die 87-Jährige gerne zurück. Überhaupt war viel Leben in der Siedlung, das auch schnell in den Rest des Ortes schwappte. „Zu Beginn waren über 200 Kinder hier,“ erzählt Pendzialek, die nicht lange brauchte, um mit den Lippborgern warm zu werden. „Hier fuhren keine Autos; alle spielten auf der Straße.“
Schnell ist man den Vereinen beigetreten, hat sich am Leben vor Ort, in der Frauengemeinschaft, bei der Kolpingsfamilie und den Schützen beteiligt. Jedes Jahr gab es ein Sommerfest, bei dem Akkordeon gespielt wurde und ein gemeinsames Adventssingen. Jemand hatte eine Gitarrengruppe für Jugendliche ins Leben gerufen und der Stein auf dem Spielplatz wurde zur Fronleichnamsprozession zum Altar umgebaut und liebevoll geschmückt. Jeder beteiligte sich.
Für Helene Pendzialek und Reinhild Maduch war das eine wunderschöne Zeit mit einem starken Zusammenhalt. Mittlerweile sind die Kinder groß, haben eine Arbeit und eigene Familien. „Die Siedlung verändert sich,“ sagt Karl Musiol, der mit seiner Frau Elisabeth zurück in die Friedlandstraße gezogen ist. „Viele der ursprünglichen Siedler leben nicht mehr, neue Familien kommen hinzu,“ beschreibt er den stetigen Wandel.
Die gemeinsamen Feste fehlen allen, denn die Pflege der Gemeinschaft gestaltet sich in Zeiten der Pandemie schwer.