Erfolg durch Online-Backen: Die „Brotfee“ sendet aus dem Kreis Soest

Wie ein guter Sauerteig. Der muss immer gefüttert werden. Zumindest so ähnlich entwickelte sich bei Heidi Schlautmann die Liebe zum Backen. Sie probierte viele Hobbys aus, aber nichts packte sie so richtig. Bis sie über YouTube-Videos zum Backen von Brot und Brötchen fand.
Lippetal-Oestinghausen - Der Grundstock, eben der Sauerteig, war gelegt. „Das wurde gleich richtig gut, ich habe mich richtig reingestürzt.“ Über verschiedene Kanäle wurde der „Sauerteig“ bei ihr „gefüttert“, erst nur bildlich, aber inzwischen firmiert die Lippetalerin als „Brotfee“, bietet Backkurse an und füttert seit über einem Jahr auch zusammen mit ihren inzwischen mehr als 200 Teilnehmern auch wirklich Sauerteige.
„Wie die Jungfrau zum Kind“, schmunzelt die 43-Jährige, wenn sie erzählen soll, wie sie aus ihrem Hobby einen Beruf machte. Nach ihren privaten Anfängen „packte mich der Ehrgeiz, habe ich mich richtig reingestürzt, war ich irgendwie infiziert“ – zum Glück mit einem positiven Virus. Das war Ende 2017, Anfang 2018. Rund ein Jahr später fand sie zur Biomühle Eiling in Sichtigvor. „Da ist eine Freundschaft entstanden, ich habe beispielsweise neue Mehle für sie getestet, irgendwann haben sie gesagt: Warum machst Du keine Kurse?“

Ein Zufall ließ die Gedanken zur Tat reifen: „Eine Freundin, die mich auch schon mal auf den Kursgedanken angesprochen hatte, bekam Kontakt zur Soester Frauenhilfe, die die LeibSeeleKüche unterhält. Einen Freund, Dr. Björn Hollensteiner, Hausarzt aus Haltern am See und passionierter Hobbybäcker, habe ich gefragt, ob er Kurse mit mir zusammen geben möchte. Er ist der zweitgrößte Brot-Blogger in Deutschland mit einer riesengroßer Fangemeinde“ – so fing Heidi Schlautmann im Herbst 2019 mit ihm an, in den Räumen der Frauenhilfe die ersten Backkurse durchzuführen.
„Für uns beide war das ein Testballon. Die Nachfrage war gleich sehr groß, da könnte man vielleicht ein bisschen mehr draus machen“, meinte die „Brotfee“ zu einem guten Start. Da stellte sich ihr gleich die Frage nach größeren Räumlichkeiten, zumal Termine in der LeibSeeleKüche nicht so ganz einfach zu blocken waren.
Brotfee in Lippetal: Lösung im eigenen Haus
Die Lösung lag nah: „In der Firma im eigenen Haus hatten wir schon lange vor Corona auf Homeoffice umgestellt. Da wurde Platz im Keller frei. „Mitarbeiterparkplätze hatten wir vor dem Haus, zudem hat der Keller einen separaten Eingang – das war der Jackpot“, freut sie sich. Im November 2019 begann ein Umbau, Mitte Februar 2020 stieg der erste Kurs in den neuen Räumen: Der Sauerteig gedieh prächtig. Dabei fährt Heidi Schlautmann zweigleisig: Mit Hollensteiner zusammen und mit eigenen Kursen, die immer weiter ausgebaut wurden.
Die Nachfrage war gleich sehr groß, da könnte man vielleicht ein bisschen mehr draus machen.
Die Nachfrage nach Sauerteig und Co. ist immens: „Trotz Lockdown hatte ich 2020 ab Mitte Februar 27 Kurse; der letzte in der letzten Oktoberwoche vor dem zweiten Lockdown. Ich habe glücklicherweise nur eine geringe Stornoquote, die Leute kommen voller Freude. Bis Juni 2021 bin ich wieder total gut gebucht“ freut sich Heidi Schlautmann. Momentan sei aber alles in der Schwebe, „solange nicht klar ist, wann die Kurse wieder stattfinden können, überbrücke ich die Zeit mit Onlinekursen. Damit hatte ich schon ein bisschen im März 2020 getestet. Seit Anfang Dezember ist das aber erst professionell.“
Die Kunden kommen über das Internet und Mundpropaganda an die „Brotfee“. Zudem hat Heidi Schlautmann Flyer ausgelegt. Auch über die Biomühle finden Interessierte nach Oestinghausen. „Im Dezember 2019 war Helmut Gote bei uns im Kurs, machte danach Werbung, ohne uns explizit zu erwähnen. Er kam völlig privat, keiner wusste davon. Die Leute schauten sich wegen seiner Stimme immer zu ihm um, aber keiner erkannte ihn bis zur Vorstellungsrunde. Der brachte viel Stimmung rein.“

Die Präsenz-Wochenendkurse beginnen am Freitagnachmittag und gehen den ganzen Samstag weiter. Freitags werden Vorteige angesetzt, nachdem die Teilnehmer teilweise vorher schon eine Mühlenführung bei Eiling gemacht haben. „Sie fangen beim Getreide an, wie das vermahlen wird, und hier wird es zu Brot weiterverarbeitet“, sagt Heidi Schlautmann. Abends gibt es im Haus Schlautmann eine Brotzeit mit regionalen Produkten und natürlich mit selbst gebackenem Brot. „Samstags ab 9 Uhr backen wir bis zu fünf verschiedene Brote und Brötchen, mittags machen wir Pizza, Focaccia oder Flammkuchen selber. Mit allem Backen sind wir gegen 16, 17 Uhr fertig. Alle fahren mit vollen Taschen wieder nach Hause, jeder nimmt seine eigenen Backergebnisse mit“, schildert sie den Ablauf eines Kurses.
Brotfee?
Wie kam es zum Namen „Brotfee?“ „Das war Zufall. Wir haben im Fernsehen eine Auswanderin gesehen, die in Amerika Kostüme fertigte. Da fiel der Name Kostümfee. Mein Mann sagte da: Und ich habe eine Brotfee. Die Domain war frei, das passte, die Fee ist immer die Gute.“
Gebacken wird in der Regel „gemischt“: Teils mit Hefe-, teils mit Sauerteig. „Sauerteig ist immer ein Riesenthema, da haben die Leute ein großes Interesse.“ Das Programm ist natürlich davon abhängig, ob die Gäste Einsteiger oder Fortgeschrittene sind. „Ich lege den Leuten nahe, mit Sauerteig zu arbeiten, aber bei einigen Sachen ist der fehl am Platz. Damit die Bekömmlichkeit nicht zu kurz kommt, achtet die Brotfee auf viel Gehzeit für die Teige und „bei Mehl muss man auf die Qualität achten. Nur wenn Gutes reinkommt, kommt auch Gutes raus.“ Da ist sie dankbar für die Zusammenarbeit mit der Biomühle.
Gerade die Bekömmlichkeit ist für Heidi Schlautmann ein Schwerpunkt. Viele Leute vertrügen Brot nicht, weil es oft versetzt sei mit Enzymen oder Backhelfern. „Das wollen die Leute einfach nicht. Das ‘Schlimmste’ bei uns, wenn man das so bezeichnen will, ist mal eine Prise Vitamin C in den Dinkelteigen, um dem Glutengerüst mehr Stärke und Elastizität zu geben“, verrät sie ihre Philosophie – und warum das Interesse an ihren Kursen vorhanden ist. Brot backen wie früher. Zeit nehmen, Sauerteige reifen lassen und mit verschiedenen Mehlsorten, Körnern und Saaten spielen.
Zur Person
Heidi Schlautmann kommt aus Mittelfranken (Neustadt an der Aisch, 40 km von Nürnberg). Mit 19 ging sie nach Berlin, lebte später sieben Jahre in Spanien, „da ein bisschen auswanderermäßig.“ Ihre Tochter wurde da geboren, da lernte sie ihren jetzigen Mann kennen, 2007 zogen sie nach Oestinghausen. „Den Dialekt hört man nicht mehr! Ich fühle mich wohl hier, in der Großstadt wäre ich nicht glücklich geworden. Es ist so beschaulich hier, wir haben alles hier.“
Das kommt offensichtlich an: „Definitiv kommen viele Leute wieder“, weiß sie. Einige Teilnehmer haben alle sechs Kurse mitgemacht: „Einsteiger, Sommer- und Grillbrote, Brötchen, Baguette, Pizza und Croissant.“ Es hat sich sogar ein „Brotfeeklub“ mit ehemaligen oder Noch-Teilnehmern gebildet. „Da sind Menschen drin, die Spaß daran haben, die sich weiter austauschen wollen. Wir treffen uns unregelmäßig online, backen Stollen, Gebäck, Berliner. Neue Rezepte zu testen fällt in der Gruppe leichter, das ist ein Mehrwert, den ich biete“, freut sie sich. Digital muss es auch erst einmal weitergehen. „Ich befürchte, der Lockdown geht noch länger. Die Onlinekurse sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da kann ich nur beschränkt Inhalte rüberbringen.“ Online, durch eine kleine Kameraperspektive, bleibe viel auf der Strecke.
Das Interesse an den Backkursen gehe durch alle Schichten. „Die jüngste kam mit ihrer Mutter, war 13 Jahre alt, die ältesten sind über 70“, berichtet Heidi Schlautmann. Sicher mehr Frauen als Männer, aber eben auch viele Männer: „Das Interesse der Männer an der Bäckerei wird unterschätzt. Kurse mit fünf Männern und drei Frauen kommen auch vor.“ Acht ist auch ihre liebste Teilnehmerzahl. „Konzipiert sind die Räumlichkeiten auf zehn, beim ersten Lockdown bin ich auf sechs Teilnehmer runter, nach der Lockerung ging ich auf acht hoch. Da habe ich festgestellt: Da kann ich besser auf die Teilnehmer eingehen.“ Dabei gefalle den Gästen, „dass ich selfmade bin, aus der gleichen Geschichte heraus. Auf Augenhöhe, aber ich habe mehr Erfahrung.“ In ihrer großen Backstube stehen sechs „normale“ Haushaltsbacköfen. „Wir können hier alles machen wie zuhause, ich kann alles so zeigen, dass es zuhause reproduzierbar ist, das ist mir extrem wichtig.“ In Bäckerei-Öfen gebe es eben andere Resultate.
Verkaufen verboten
Das Brot und die Brötchen gibt es nur für die Teilnehmer der Kurse. Verkaufen darf Heidi Schlautmann ihre Backwaren nicht. „Ich bin nur Autodidaktin und Hobbybäckerin, habe keine Ausbildung und keinen Meister.“ So musste sie mit einem Stand beim Flohmarkt vom Duft angelockt Gäste enttäuschen, die schon mit offener Geldbörse ankamen. Gleiches passierte ihr bei einer „Ladies Night“ bei Möbel Wiemer.
Ebenso wichtig ist ihr, dass auch viel mit den Händen gemacht wird. „Wir machen einige Teige mit der Maschine, aber auch welche komplett mit der Hand.“ Denn die Teilnehmer sollen fühlen, wie sich die Teige verändern, welchen Einfluss Ruhezeit und Temperaturen haben. „Wenn Sauerteig dazukommt, gibt es eine andere Haptik. Wir haben das Credo: Hände in den Teig“, erklärt sie – und ist damit wieder beim Sauerteig vom Beginn der Geschichte.