1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Lippetal

Johannes Beine steht seit Jahrzehnten unter Strom

Erstellt:

Von: Klaus Bunte

Kommentare

Für Johannes Beine ist es immer wieder eine Herausforderung, die Ursache für den Defekt eines Geräts zu finden.
Für Johannes Beine ist es immer wieder eine Herausforderung, die Ursache für den Defekt eines Geräts zu finden. © Bunte, Klaus

Der Lippetaler Johannes Beine ist seit nunmehr genau 50 Jahren Meister. Der Jahrestag ist am Dienstag, 25. Oktober. Dann bekommt Beine Besuch von der Handwerkskammer Dortmund, danach kann er neben den großen Meisterbrief von 1972 die Ausgabe in Gold ins Büro hängen.

Oestinghausen – Seinen 81 Jahren zum Trotz wuchtet Johannes Beine mit geübtem Griff die Waschmaschine aus der Ecke. Hilfe lehnt er ab: „Danke, alleine geht das besser, darin habe ich Übung, ich weiß, wo ich da zupacken muss.“ 25 Jahre habe die Maschine auf dem Buckel, war dafür aber noch erstaunlich agil: „Die lief ihren Besitzern davon, und wenn so eine Maschine durch die Waschküche tanzt, ist das ein klares Zeichen für einen Fehler in der Elektrik, dafür, dass die Motordrehzahl nicht mehr richtig geregelt wird. Diese alten Geräte hatten noch keine Drehzahlsteuerung“ und somit sind sie ein Fall für Johannes Beine.

Obwohl er doch eigentlich schon lange im Ruhestand ist, kann er Schraubendreher und Phasenprüfer nicht aus der Hand legen. Zumal es sein Geschäft immer noch gibt. Das hat zwar sein Sohn Markus übernommen, schon vor 20 Jahren, wenngleich als Nebenjob in den Abendstunden, während der Diplom-Ingenieur tagsüber bei AEG arbeitet. Beine senior indes denkt nicht dran, den Stecker zu ziehen, „denn man selber braucht ja auch Beschäftigung. Und für so einen Betrieb braucht man eben nach wie vor einen Meister.“

„Für solche Reparaturen findet man ja heute kaum noch jemanden, da sind wir eine aussterbende Spezies“, meint Beine mit Blick auf die Waschmaschine. Sicher, da stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Aber manchmal sind es nur kleine Fehler oder Bauteile, die behoben bzw. ersetzt werden müssen. Und vor allem: Die alte Miele lässt sich noch öffnen. Der Trend zur Wegwerf-Elektronik, die bewusst so gebaut wird, dass sie nach Ablauf der Garantiezeit kaputtgehen und die sich nicht öffnen lassen, weil sie nicht geschraubt, sondern verklebt sind, sodass die Gehäuse beim Öffnen zerstört werden, die wurmt einen Fachmann alter Schule: „Das ist Blödsinn. Das meiste könnte man vermutlich reparieren.“

Als er vor 60 Jahren anfing, bestand das Hauptklientel aus Landwirten, „aber die werden ja immer weniger, weil sich der Beruf kaum noch rentiert“, sah er die Zahl über die Jahrzehnte schwinden. „Einer der letzten beiden, die wir noch hatten, hat jetzt aufgehört und alles verpachtet.“

Die Höfe zeichneten sich seinerzeit durch eine rückständige, aber dafür preiswerte Technik aus: „Die hatten nur einen Schutzschalter im Haus, denn die Dinger kosteten ja Geld. Aber wenn der raussprang, dann finden Sie mal den Fehler. Heute wird das besser aufgeteilt.“

Oder er fand mal eine tote Ratte im Schaltpult einer Waschmaschine, die dort schon mindestens eine Woche vor sich hin verweste. „Nager traf man oft bei den Bauern in der Verteilung. Man öffnet einen Deckel und dann hängen da Schwänzchen raus. Heute ist das alles viel sicherer geworden.“

Stattdessen rückte das Gewerbe stärker in den Vordergrund: „Wo andere keine Lust mehr haben oder es nicht können, da gehe ich hin.“ Sprich: Manche Reparaturen sind aufgrund der Fehlersuche sehr zeitaufwendig, „das kann auch mal Tage dauern. Da braucht man gute Nerven“. Beine nahm das sportlich: „Bis vor drei Jahren haben wir über Jahrzehnte in einem Betrieb in Bockum-Hövel gearbeitet. Wenn da eine CNC-Fräse nicht funktioniert, dann können die es sich nicht leisten, dass die Maschine eine Woche lang ausfällt. So eine Herausforderung macht mir mehr Spaß als nur Kabel zu verlegen.“

Dabei kam er gar nicht aus Leidenschaft zu dem Job. Damals sei man froh gewesen, wenn man einen Ausbildungsplatz bekam – noch etwas, was sich massiv geändert hat im Laufe der Jahrzehnte, heute wird händeringend gesucht.

„Nach der Ausbildung wollte ich eigentlich erst ganz woanders hin. Doch dann hatte in meinem Ausbildungsbetrieb der Geselle einen schweren Unfall, und ich konnte die ja nicht hängen lassen.“ Also blieb der gebürtige Nordwalder der Heimatgemeinde treu. Und sein Chef bedankte sich auf seine Weise: „Nach ein paar Jahren kam er und sagte: Ich habe Dich zur Meisterschule angemeldet.“ Darauf hatte es Beine gar nicht angelegt – durch den Schulbesuch drohte ihm schließlich ein halbes Jahr Verdienstausfall. „Man bekam eine Kleinigkeit vom Arbeitsamt – zum Verhungern zu viel, zum Sattwerden zu wenig.“

Sein Meisterstück existiert nicht mehr: Die Hauptverteilung für den früheren Soester Lebensmittelmarkt Otto Mess. „Bei der mündlichen Prüfung meinte ein Prüfer: Sie haben eigentlich schon bestanden und können Ihre Note nur noch verbessern. Von 27 Prüflingen haben nur sechs davon im ersten Anlauf bestanden.“ Einer davon war Beine – „Glücksache“, übt er sich in Bescheidenheit, „aber ich war ja auch schon viel älter und hatte viel mehr Berufserfahrung, ich war schon 30, die anderen waren alle um die 20.“

Ein halbes Jahr nach der Meisterprüfung machte Beine seinen eigenen Betrieb auf – im April steht also schon das nächste goldene Jubiläum ins Haus.

Im Dorf schätzt man seine Verlässlichkeit und Spontanität: „Die Bäckerei Christiani weiß, dass die mich auch nachts anrufen dürfen. Dann gehe ich danach wieder ins Bett. Aber wenn ich nicht hingehe, bekomme ich morgens ja keine Brötchen.“

Auch interessant

Kommentare