Eine Vespa auf vier Rädern eine Rarität im Lippetal

Oliver Buttes Leidenschaft gilt der Vespa. Der italienische Kultroller bestimmt ein gutes Stück das Leben des 51-Jährigen. An die 150 Exemplare des zweirädrigen Dauerbrenners aus dem Hause Piaggio hat der gebürtige Beckumer stets auf Lager, betreibt nebenberuflich einen florierenden Handel. Doch weiß der Nordwalder auch ein Gefährt des italienischen Herstellers sein Eigen, das eine eher bescheidene Karriere hinter sich hat.
Nordwald – Sind es bis heute über 18 Millionen Roller, die seit 1946 weltweit verkauft worden sind und immer noch werden, wurden vom ersten und letzten Pkw-Modell aus dem Hause Piaggio ganze 34 000 Exemplare auf ihre vier Räder gestellt.
Und genau ein solches Gefährt hat der Lippetaler vor neun Jahren entdeckt. „Wenn ich abends auf der Couch liege, suche ich im Internet nach interessanten Oldtimern“, freut sich Oliver Butte, dass seine bessere Hälfte ihm freie Hand für diese „Spinnerei“ lässt. So fand der gelernte Industriemechaniker den überaus seltenen Vespa 400 in München, nahm ihn in Augenschein und war schnell Feuer und Flamme.
Nachdem er schon eine betagte Ape – die Vespa mit Ladefläche und drei Rädern – erworben hatte, holte er die Rarität mit seinem Bulli ins Lippetal. Schließlich war der Zustand seiner neuen Schatzkiste überaus passabel.
Der letzte Vorbesitzer, ein Modedesigner, hatte die Technik in Schuss gehalten. Der Motor war überholt, der Auspuff erneuert worden. „Ich musste nur das Faltdach erneuern, die Sitze, die Türverkleidung mit den Seitentaschen und den seitlichen Dachhimmel neu beziehen“, so Butte.
Zudem bedarf ein Zweitakter jedes Jahr besonderer Pflege. „Diese Motoren weisen Ablagerungen auf, wenn sie wie im Winter lange nicht bewegt werden, weil das Benzin sich verflüchtigt. Also muss er im Frühjahr immer von den Ölresten gesäubert werden.“
Diese Zweitakter waren bei automobilen Winzlingen in den 50er-Jahren gang und gäbe. Dem Benzin musste stets Öl beigemischt werden, um die Schmierung zu gewährleisten. Beim Vespa 400 im Verhältnis 1:50, im Vergleich zu den gängigen Gefährten der damaligen Zeit und auch dem Trabi recht wenig.
Beigemischt wird das Öl im Vespa-Automobil per Hand. Mit einer Kurbel wird es aus einem Öltank dem Benzin hinzugefügt.
Viel Gelegenheit dazu hatte Oliver Butte in den neun Jahren nicht. „Ich bin vielleicht 50 Kilometer gefahren“, fehlt ihm als hauptberuflicher Feuerwehrmann einfach die Zeit, zumal er sich nebenbei um seinen Vespa-Handel kümmern muss. Angesichts seines für den Sommer geplanten Umzugs nach Niedersachsen denkt er daher darüber nach, sich vom Vespa 400 zu trennen.
Beim Termin mit dem Anzeiger beschlich den Lippetaler aber ein wenig Wehmut. „Vielleicht nehme ich die Anzeige wieder raus“, erwachte schon beim kurzen Schieben des Leichtgewichts über den Hof bei Nordwald die Faszination für den Winzling aufs Neue. Ein Auto mit nur 2,85 Metern Länge und einem Leergewicht von 360 Kilo – das war Ende der 50er-Jahre nicht unüblich.
Der Vespa 400 war von Piaggio entwickelt worden, kam aber in Italien ein wenig spät, war der neue Fiat 500 doch schon ein Renner. Also verlagerte Piaggio die Produktion sogleich nach Frankreich. ACMA, die „Ateliers de Construction des Motocycles et Automobiles“, war in Fourchambault im Burgund als Zweigwerk der Italiener entstanden.
Ab 1958 wurde der Vespa 400 dort gebaut und blieb in der nur dreijährigen Bauzeit bis 1961 zumeist in Frankreich oder ging nach Belgien. In Italien war kein Blumentopf zu gewinnen, in Deutschland angesichts erfolgreicher Konkurrenten wie Isetta und Goggo auch nicht.
Der Vespa 400 hat einen 400-ccm-Motor mit exakt 13,6 PS, die eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 90 km/h ermöglichen. Die 12-Volt-Batterie ist wie der gläserne Bremsflüssigkeitsbehälter in einem Schubfach im Vorderwagen untergebracht, der Motor sitzt hinten über der angetriebenen Hinterachse. Das Getriebe hat drei Vorwärtsgänge, der erste ist nicht synchronisiert.

Serienmäßig wurde der Vespa 400 mit dem Rolldach ausgeliefert. Die Seitenscheiben können nicht versenkt oder verschoben werden, es gibt nur links und rechts zwei Klappfenster. Für Belüftung und Heizung sorgt aber ein simpler Schieberegler, mit dem die Lüftungsklappen betätigt werden.
Besonderheit sind die hinten angeschlagenen Türen; diese Bauart wurde Anfang der 60er-Jahre verboten – Stichwort: Selbstmördertüren. Einen separaten Kofferraum gibt es nicht. Gepäck findet aber auf den Rücksitzen, die ohnehin nicht gepolstert sind, reichlich Platz.
Ein Autozwerg besonderer Art, der hierzulande außerordentlich selten ist. „Es gab einen Versuch, einen Fanclub für dieses Auto zu gründen. Doch haben sich nur sechs Leute gemeldet“, erklärt Oliver Butte. In Frankreich aber gibt es noch eine ganze Reihe dieser Oldtimer. Und in Italien hat der Piaggio Vespa 400 zumindest einen Platz im Automobilmuseum in Turin.