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Diese Ferkel hatten richtig Schwein: Zuwachs auf Gnadenhof der Deichmanns

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Von: Klaus Bunte

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Gottfried (links) und Albert haben wieder zusammengefunden – und dürfen jetzt gemeinsam auf Deichmanns Farm alt werden.
Gottfried (links) und Albert haben wieder zusammengefunden – und dürfen jetzt gemeinsam auf Deichmanns Farm alt werden. © Deichmanns Farm

Bianca Deichmanns große tierische Familie hat Zuwachs bekommen: Gottfried (links) und Albert haben wieder zusammengefunden – und dürfen jetzt gemeinsam auf Deichmanns Farm alt werden.

Lippetal – Es ist ja nun wirklich nicht so, als wüssten Bianca und Dirk Deichmann nicht, wie sie den Platz auf ihrem Gnadenhof nutzen sollen. Schließlich kreucht und fleucht es an allen Ecken, und es ist finanziell schwer genug, all die hungrigen Mäuler, die bei den Tierschützern Zuflucht vor dem Schlachtermesser gefunden haben, zu füttern. „Aber in diesem Fall konnte wir einfach nicht Nein sagen“, meint Bianca Deichmann.

Die Geschichte kann man als typisches Beispiel von mangelnder Empathie gegenüber Tieren auslegen. „Auf Empfehlung eines befreundeten Iserlohner Tierschutzvereins schrieb uns ein Mann aus Gelsenkirchen an, dessen Freund ein Ferkel geschenkt bekommen hatte. Der aber wollte und brauchte das Tier nicht und drohte damit, es auszusetzen. Daraufhin nahm der Dritte das Ferkel verzweifelt bei sich auf und kontaktierte uns. Ich sagte ihm ganz klar in der Notlage heraus: Wir nehmen eigentlich keine Schweine mehr an, aber bitte bring ihn trotzdem. Wir kümmern uns um alles andere, als Pflegestelle für Kastration, Vermittlung und so weiter. Und: Er bekommt keinen Namen. Er wird definitiv nicht bleiben. Alles, was einen Namen bekommt, bleibt. Das wurde im Familienkreis so besprochen, und daran muss ich mich halten. Es tut mir jedesmal weh, Menschen für ihre Tiere hier eine Absage geben zu müssen. In diesem Fall spürte ich aber: Da steckt noch mehr dahinter.“

Schweinchen erst sechs bis acht Wochen alt

Am kommenden Tag brachte der Gelsenkirchener das Ferkelchen vorbei und ging noch weiter in Details. Bei dem, was die Deichmanns da zu hören bekamen, sträubten sich ihnen die Nackenhaare: „Es ist noch ein Baby, schätzungsweise sechs bis acht Wochen. alt, und gehört somit eigentlich definitiv noch zur Mama.“

Bianca Deichmanns große tierische Familie hat Zuwachs bekommen.
Bianca Deichmanns große tierische Familie hat Zuwachs bekommen. © Deichmanns Farm

Auch dieses Schweinchen wurde als Minischwein verkauft. Wobei der Begriff relativ ist. Bianca Deichmann erklärt: „Ich erklärte ihm, dass auch dieses Ferkel in fünf Jahren mal ausgewachsen seine 60 bis 120 knuddelige Kilo Kampfgewicht auf die Waage bringen wird.“ Zum Vergleich: Ein Hausschwein dagegen kommt sogar auf 350 bis 400 Kilo.

100 Euro für ein Minischwein

Mehr ein Mythos dagegen sind die sogenannten „Teacup-Schweinchen“. „Was unter diesem Namen im Netz verkauft wird, sind in der Regel Ferkel. Der Züchter sagt dann: Gib ihnen einen Apfel am Tag, dann bleiben sie so klein. Aber dann sind sie mangelernährt und werden nicht alt. Und Einzelhaltung ist schädlich für die Tiere und meines Wissens sogar verboten.“ Und auf die wäre es ja hinausgelaufen. Denn der Verkäufer sei wohl mit zwei Ferkeln zum „Spaßkäufer“ gefahren, hat erst 350 Euro, dann 100 Euro verlangt. Als der Käufer abwinkte, habe er ihm eines geschenkt und das andere wieder mitgenommen. „Wir wussten natürlich nicht, was nun aus dem anderen Ferkel wurde. Das machte mich kirre“, so Bianca Deichmann.

Was ist ein „Minischwein“?

„Minischweine“ wurden in den 1940er-Jahren in Minnesota (USA) speziell gezüchtet, um ein kleineres Schwein für Tierversuche zu haben, das weniger Platz und Nahrung braucht – und auch auf geringere Medikamentendosen anspricht. Das Minnesota-Minischwein wurde 20 Jahre später mit dem Vietnamesischen Hängebauchschwein gepaart, wodurch das Göttinger Minischwein entstand. Weitere Kreuzungen haben zahlreiche Rassen für die Heimtierhaltung hervorgebracht, die alle auf alte Wildschweinrassen zurückgehen. Daher kann jedes Ferkel eines Wurfs ganz unterschiedliche Merkmale und Ausprägungen haben. Auch Größe und Gewicht der ausgewachsenen Tiere können sich stark unterscheiden.

„Minischweine“ können bis zu 15 Jahre alt werden und ein Gewicht von bis zu 100 Kilogramm oder mehr erreichen – und bleiben damit nicht automatisch klein. Sie wachsen bis zu einem Alter von vier bis fünf Jahren und sind bereits mit vier bis neun Monaten geschlechtsreif. Wie groß ein Minischwein wird, lässt sich also nur abschätzen, wenn das Alter der Eltern und deren Größe bekannt ist.

Die Haltung von Schweinen in der Wohnung ist nicht artgerecht. Die Tiere brauchen Auslauf, Wühlmöglichkeiten und geistige Beschäftigung – sonst leiden sie körperlich und seelisch.

Quelle: www.petazwei.de/artikel/minischwein-teacup-schwein

Ihr Mann Dirk nahm beim Anblick des Borstenbabys seine ursprüngliche Aussage „Das Schwein kommt mir aber nicht ins Haus“ zurück. Am folgenden Morgen hatte es dann doch einen Namen: Albert Einschwein. Somit war klar: Der Kleine bleibt. Nachts schläft er zwar im Haus, weil er viel Wärme braucht, aber tagsüber ist er in einem Gehege mit Sichtkontakt zu den Gartenschweinen. Da er noch viel zu klein und noch nicht kastriert ist, kann er noch nicht vergesellschaftet werden.

Ferkel war mutterseelenallein

Dann wurde Deichmanns Farm auf Facebook in einem Beitrag des Tierheims Mühlheim verlinkt. Dort ging es um ein ausgesetztes rosa Schweinchen: „Mutterseelenallein stand dieses kleine männliche Ferkel in einer Transportbox mit Hundegeschirr und Flexileine“, heißt es in dem Beitrag. „Wer hat dieses kleine Würmchen verkauft oder verschenkt? Er wiegt grade vier Kilo und müsste noch bei seinen Geschwistern sein. Er ist vollkommen durch den Wind und hat Panik vor jeder Berührung“, heißt es in dem Beitrag.

Bianca Deichmann: „Ich habe ratzfatz meine Infos abgeglichen und wir wussten sehr schnell: Das ist er – Alberts vermisster Bruder. Wir schrieben das Tierheim an und baten um Übernahme.“ Ein Freundin fuhr nach Mülheim und brachte das Ferkel nach Lippetal. Und auch dieses Tierchen hat nun einen Namen: Gottfried.

Schwein gehabt

Die beiden wieder vereint zu sehen, „das sind so Momente, die uns daran erinnern, warum wir tun, was wir tun“, meint Bianca Deichmann. Ein solches Happyend wollen die Deichmanns den Verursachern nicht gönnen: „Ich hab viele Beweise gesammelt, mit dem dortigen Veterinäramt telefoniert und werde alle Beweise schriftlich einreichen und somit Anzeige erstatten. All das bedeutet viel Arbeit, viel Kopfkino, viele Emotionen, viele Helfer – aber die beiden nun so glücklich zu sehen, bestätigt all die Mühe.“ Wer Zeuge dieses Glücks werden möchte, muss sich nur das Video und die Fotos dazu auf Facebook anschauen.

Infos

www.facebook.com/DeichmannsFarm

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