Offensichtlich ist, dass inzwischen ein großer alter Baum mitten im Außenbereich des Kindergartens bis auf den Stamm abgesägt wurde. In diesem Baum hatten im Vorjahr Saatkrähen genistet. Erstaunlich erscheint es allerdings, dass die Vögel nicht in das obere Geäst der umstehenden Bäume des Kindergartens umgezogen sind, dort sind in diesem Frühjahr keine Nester zu finden. Dafür hat sich die Nachwuchs-Aufzucht in die Bäume südlich der Ida-Basilika entlang des Idenpatts bis hin zum Tüchgraben sichtbar deutlich verdichtet. Teilweise liegen mehrere Nester sehr dicht beieinander.
Das Krähen der Vögel ist weithin zu hören, wovon Pastor Jochen Kosmann, einer der nächsten Nachbarn der Kolonie zu berichten weiß. Ihm wäre es lieber, wenn die Krähen woanders brüten würden, nimmt das Frühjahrsgetümmel mit dem permanenten „Krah, Krah...“ jedoch als unvermeidbar hin, zumal die Kreaturen unter gesetzlichem Naturschutz stehen und zur Schöpfung dazu gehören.
Während die Erzieherinen vom Bertgerus-Kindergarten froh darüber sind, dass die täglichen Putzarbeiten an den Spielgeräten im Außenbereich in diesem Frühjahr nicht notwendig sind und somit auch die möglicherweise gesundheitsgefährdenden Exkremente die Kinder beim Spielen draußen nicht tangieren, gibt es auch kritische Stimmen von Naturschützern zu dem Verfahren.
Ist es gerechtfertigt, Bäume zu kappen oder gar zu fällen, auf denen sich Nester von Saatkrähen befinden? Diese Frage stellt sich schon lange Karl Rusche, der stellvertretende Sprecher der Bundes-Arbeitsgemeinschaft „Rabenvogelschutz“ beim Naturschutzbund (NABU), nachdem nahe der St.-Ida-Basilika in Herzfeld Nistbäume gefällt worden sind. Eine Genehmigung hierfür habe es nämlich im Jahr zuvor, als etliche private Brutbäume am Idenpatt der Säge zum Opfer fielen, nicht gegeben, berichtet Rusche. Somit sei die Nachfolge-Aktion für ihn auch nicht ohne Weiteres hinnehmbar.
Erst die Fällung der Brutbäume am Idenpatt habe die Saatkrähen ja dazu gebracht, in den Bäumen über dem Kindergarten zu nisten. Auch ist es für Rusche nicht erwiesen, dass von dem Vogelkot tatsächlich Gesundheitsgefahren ausgehen. Wissenschaftliche Beweise hierfür habe man ihm nicht vorlegen können. Die allgemeine Vermutung, dass im Kot der Rabenvögel gefährliche Bakterien lauern könnten, reicht ihm nicht aus.
Mit Sorge betrachtet Oliver Pöpsel die Ausbreitung und Vermehrung der Krähenvögel. Der Herzfelder Jäger und jagdpolitische Sprecher der CDU-Kreistagsfraktion macht die Rabenvögel auch für die Verdrängung anderer Arten verantwortlich. Zusammen mit den Elstern, die sich ebenfalls stark vermehrt hätten, bedrohten sie die Singvögel und auch Niederwild wie die Bodenbrüter wie Fasanen.
Krähen seien besonders schlaue Vögel, die die Gelege anderer Vögel geschickt ausbaldowerten und Eier oder Küken räuberten. Pöpsel macht sich dafür stark, dass die Gesetzeslage in NRW verändert wird und die Rabenvögel wieder stärker bejagt werden dürfen. Die Naturschutz-Behörde soll feststellen, inwieweit die zunehmende Population der Rabenvögel sich auf die Zahl ihrer Beutetiere auswirkt.
Damit stößt der Jäger freilich bei den Naturschützern auf wenig Gegenliebe. Birgit Beckers, Ornithologin der ABU, stellte zuletzt fest, dass die Krähen ein Bestandteil der hiesigen Natur sind. Wo sie geeignete Bäume fänden, ließen sie sich eben nieder. Für den Ärger der Nachbarn hat sie wegen der Belästigung Verständnis, das lasse sich naturgemäß aber nicht vermeiden.
Die Spuren der Exkremente der Krähen sind unter den Brutbäumen unübersehbar. Blätter und Baumstämme sind mit weißen Flecken der Exkremente übersät. Auch Nachbarn an der Lippestraße beschwerten sich über die Kotspuren an Fenstern, Hauswänden und auf abgestellten Pkw und natürlich über das dauernde laute Gekrächze in der Nachbarschaft.
Klare Ansichten vertritt in der Angelegenheit das Gesundheitsamt des Kreises Soest. Karl Rusche befragte zum Thema Gesundheitsgefährdung durch Krähenmist schon im Vorjahr Kreisveterinär Professor Dr. Wilfried Hopp. Der stellte in seiner Antwort fest: „Es sollte aus hygienischen und gesundheitsvorbeugenden Gründen alles getan werden, um eine Kontamination mit Vogelkot in der direkten Kontaktumgebung von Kindern zu vermeiden. Dies muss ja nicht dem gesetzlich verordneten Krähenschutz widersprechen.“
Allerdings seien Vögel und insbesondere auch Krähen als Aasfresser seiner Kenntnis in der Lage, auf den Menschen krankmachende Erreger wie zum Beispiel Salmonellen, Ornithoseerreger und Chlamydien zu übertragen. Dass dies natürlich von einem Kontakt mit infektiösem Kot abhänge, sei klar.
Wilfried Hopp weiter: „Ich finde es allerdings müßig, über Länge und Intensität des Kontakts zu diskutieren, da ein Kontakt allein aus hygienischen Gründen soweit wie möglich vermieden werden sollte, um eine Gefahr zu minimieren. Dies gilt insbesondere für kleine Kinder, deren Hygienebewusstsein noch wenig ausgeprägt ist und die ihre kotverschmutzten Hände oder Finger unbeabsichtigt in Mundkontakt bringen.“
Karl Rusche, stellvertretender Sprecher der Bundes-Arbeitsgemeinschaft „Rabenvogelschutz“ beim Naturschutzbund (Nabu) sagt: „Die Kindergartenleitung hat offensichtlich nachvollziehbar in Gesprächen darlegen können, dass der Krähenkot zu Gesundheitsgefahren führt. Ein Untersuchungsergebnis scheint es nicht gegeben zu haben. Die alleinige Behauptung ist aber eben nur das, eine Behauptung. Die laut Gesetz notwendige Prüfung einer ,anderen Lösung‘ wird nicht mal erwähnt, geschweige denn von der Behörde oder der Kindergartenleitung vorgestellt und als ,ungeeignet‘ bewertet.“
Warum die Krähen in Lippetal mal hier und mal dort vermehrt auftauchen, darauf hat auch der Experte keine präzise Antwort. Denn neben äußeren Einflüssen bestimmten die Erfolge bei der Nahrungssuche und bei der Aufzucht des Nachwuchses sowie die Familienverbände der Kolonievögel eine wichtige Rolle.