Das ist eine Zahl, die Demokraten nicht zufrieden stimmen kann. Tut sie auch nicht, versichert der Soester SPD-Vorsitzende Marcus Schiffer, der glaubt, die Politikverdrossenheit vieler sei auch mit den Kandidaten zu erklären: „Sie erscheinen eher profillos, ihre politischen Botschaften als austauschbar.“ Darin steckt viel Selbstkritik, denn die SPD dürfte am stärksten unter dem Wählerschwund gelitten haben. Dagegen bescheinigt Wahlsieger Frieling seiner Partei, „noch am ehesten“ deutlich gemacht zu haben, warum es wichtig sei, zur Wahl zu gehen. Noch eine weitere Zahl ist für die Analyse der Wahlergebnisse relevant: 32 232 Menschen im Wahlkreis 119 haben ihre Stimme per Brief abgegeben (2017: 21 036), weitere 30 423 im Wahlkreis 120 (2017: 18 939). Damit setzt sich der Trend, der zur Bundestagswahl schon dokumentiert war, fort: Im September nutzten 87 091 Menschen im ganzen Kreis das Angebot. „Zur Bundestagswahl haben wegen der Pandemie viele zum ersten Mal per Brief gewählt“, weiß Heiner Frieling, „und wer das einmal gemacht hat, macht das immer wieder.“
Schiffer sagt, es müsse besser gelingen, sich langfristig auf ein bestimmtes Ziel zu konzentrieren, um nicht nur auf Tagespolitik reagieren zu müssen. Genau hier erkennt FDP-Kreischef Fabian Griewel auch bei seiner Partei Schwächen. Der Landtagswahlkampf sei sicher geprägt gewesen durch die Ukraine und auch durch Corona. Seit der Bundestagswahl, als die Landes-FDP auch schon schlechter abschnitt, habe sie das Ruder nicht herumreißen können. „Fehler sind eher in den viereinhalb Jahren vorher passiert.“
Die Grünen sehen das grüne Themenspektrum breit vertreten. Doch vor allem der Klimaschutz sei beherrschend: „Die Wichtigkeit des Klimaschutzes ist jetzt allen bewusst geworden, durch Waldbrände, Dürre, Hochwasser. Alle merken, dass der Klimawandel nicht nur in der Arktis oder Bangladesch stattfindet, sondern auch bei uns direkt vor der Haustür“, sagt Dagmar Hanses, die über die Liste den Sprung in den Landtag geschafft hat. Auf dem Klimaschutz müsse nun bei den Sondierungen genau geschaut werden müsse „Wir müssen gucken, wie wir möglichst viel Grün in die neue Regierung einbringen können.“ Deswegen wolle man sich jetzt auch noch nicht festlegen, mit wem eine Koalition angestrebt werden sollte: „Auch Rot-Grün wäre kein Automatismus. Beim Klimaschutz müssen wir gucken, ob die SPD es ernst meint“, betonte Hanses.
Für Griewel ist die Regierung abgehakt: „Wir haben keine Berechtigung, jetzt nach einer Beteiligung zu suchen, das wäre fehl am Platz.“ Was ihn wurmt, ist der Vergleich mit der AfD, die die Liberalen auch im Kreis nur hauchdünn hinter sich lassen konnten. Die meisten Stimmen bekam die „Alternative“ übrigens in Anröchte, dort lag ihr Zweitstimmenanteil bei 8,4 Prozent. Im Westkreis wählten anteilig in Welver die meisten Wähler blau, wenn auch knapp.