„Bei Kindern beginnt eine Erkältung ja häufig mit Fieber“, erklärt der Soester Kinderarzt Dr. Holger Deisel. „Wir erleben jeden Tag, dass bestimmte Medikamente phasenweise nicht vorhanden sind.“ Es fehle vor allem an Fiebersäften mit dem Wirkstoff Ibuprofen. Dieser sei, wenn überhaupt, nur in einer zweiprozentigen, nicht aber in der vierprozentigen Konzentration erhältlich. Und auch Fiebersaft mit dem Wirkstoff Paracetamol, der als Alternative eingesetzt werden könnte, sei derzeit schwierig zu bekommen.
„Das trifft uns Kinderärzte natürlich gleich doppelt, weil wir die Medikamente nicht in der gewünschten oder benötigten Applikation beziehungsweise Konzentration verschreiben können.“ Wenn der Fiebersaft für den Nachwuchs nicht in der gewünschten Geschmacksrichtung „Erdbeere“ vorhanden ist, müssten die Eltern zuhause eben tricksen und die Alternative im Essen unterühren, sagt Deisel. „Zudem muss der Fiebersaft in der niedrigen Konzentration dann in einer größeren Menge verabreicht werden.“
290 Arzneimittel stehen derzeit auf der Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Situation sorgt für Diskussionsstoff in Arztpraxen und Apotheken. Und sie sorgt für Mehrarbeit. So kommt es aktuell vor, dass sich Dr. Horst Heidel selbst auf den Weg machen muss, um fehlende Arzneimittel zu besorgen – auch aus anderen Apotheken im Umkreis, wenn es nicht über den klassischen Bestellweg verfügbar ist. „Normalerweise werden die Lager automatisiert nachbefüllt. Immer wenn ein Medikamente weg ist, wird nachgeordert“, erklärt der Inhaber der Engel-Apotheke, der zudem Sprecher der Apotheker im Kreis Soest ist. Aktuell muss er oft selbst nachjustieren. So zeigt ein Blick ins System: Nur ein einziges fiebersenkendes Zäpfchen hat die Engel-Apotheke noch auf Lager. Hier sehe es derzeit ganz dunkel aus. „Es ist jeden Tag ein neues Spiel“, so Heidel. „Ich muss jetzt gucken, dass ich für den Sonntagsdienst genug am Start habe.“
Aus Sicht des Apothekers haben die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg wenig mit dem Engpass zu tun. Es sei eher eine Sache des Marktes, sagt Heidel. Es herrsche sehr viel Preisdruck, die Lieferketten seien eng gefasst. Davon, Fiebersaft und Zäpfchen zuhause zu bunkern, rät Heidel ab. „Nicht, dass wir jetzt hier so einen Klopapier-Effekt haben.“ Alternativ zum Fiebersaft gibt es Tabletten oder Granulat sowie die Möglichkeit, in der Apotheke selbst Fiebersaft herstellen zu lassen.