1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Kreis und Region

Busfahrer-Mangel im Kreis Soest: „Wir fahren aktuell am Limit“

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Sarah Hanke

Kommentare

Wenn der Bus auf Fahrer wartet: Die Verkehrsunternehmen im Kreis Soest suchen nach Fahrpersonal.
Wenn der Bus auf Fahrer wartet: Die Verkehrsunternehmen im Kreis Soest suchen nach Fahrpersonal. © Dahm

Im Kreis Soest werden dringend Busfahrer gesucht. Doch Resonanzen auf Ausschreibungen gibt es kaum. Bei einigen Unternehmen ist die Lage bereits angespannt.

Kreis Soest – Bis zu 76 .000 Busfahrer könnten in den nächsten Jahren fehlen, rechnet der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen vor. Schon jetzt fehlen bundesweit 5.000 Männer oder Frauen am Steuer. Ganz so dramatisch ist die Lage im Kreis Soest zwar noch nicht. Doch bei so manchem Busunternehmen ist die Personallage bereits auf Kante genäht.

Busfahrerstaatlich anerkannter Beruf seit 1973, offiziell: Berufskraftfahrer
Ausbildungklassische duale Ausbildung, 3 Jahre
Verdienst des Busfahrerszwischen 16,06 und 18,08 Euro pro Stunde
Unterscheidungprivate und öffentliche Verkehrsunternehmen

„Wir fahren aktuell am Limit“, sagt Thorsten Karrie vom Familienbetrieb „Karrie Tours“ in Soest. Für sein Team, das aus 80 Beschäftigten besteht, bedeutet das mehr Überstunden, mehr spontanes Einspringen – letztlich mehr Arbeit. Lenk- und Ruhezeiten müssten trotz allem eingehalten werden – da bleibe wenig Luft für den Einzelnen.

Die Stimmung im Team kippt allmählich. „Das Betriebsklima wird spürbar angespannter. Wir kommen an unsere Belastungsgrenze“, sagt Karrie. Drei Fahrer fehlten ihm derzeit, um Entspannung im Team herbeizuführen. Doch mit einem Notfahrplan sei man noch nicht unterwegs gewesen. Lediglich zwei Fahrten seien im Frühjahr ausgefallen, als die Personallage wegen Corona ausgedünnt war. „Die Lage ist damit in meinem Betrieb nicht ganz so akut“, so der Geschäftsführer.

Busfahrer-Mangel: Vierstellige Summe investiert

Was Karrie bereits getan hat, um neue Mitarbeiter zu finden? „Es wird alles getan“, sagt er. „Mit mäßigem Erfolg.“ Eine vierstellige Summe habe er investiert und eine externe Firma mit der Rekrutierung potenzieller Busfahrer in den Sozialen Medien beauftragt. Lediglich zwei Bewerbungen seien dabei herumgekommen – trotz einfach gestaltetem Bewerbungsprozess.

Es ist kein normaler Bürojob. Wenn andere feiern, müssen Busfahrer fahren.“

Veit Schwertheim

Die Gründe, warum kaum noch jemand Mann oder Frau am Steuer sein möchte, kennt Karrie nur zu gut: Die Ausbildung ist anspruchsvoll und teuer: Sie kostet 10. 000 Euro. In Deutschland sind 300 Fahrstunden nötig, um diesen Führerschein zu erlangen. Hinzu kommen Sieben-Tage-Woche und ein wenig attraktives Gehalt – ein durchschnittlicher Stundenlohn von 16 Euro. Alles andere als gerecht, wie Thorsten Karrie findet: „Wir befördern das höchste Gut, was wir haben: Menschen.“ Ein Lkw-Fahrer, der Schweinehälften transportiert, verdiene beispielsweise mehr. Der jüngste Streik, bei dem bereits einige Busse nicht fuhren, sei deshalb absolut berechtigt, findet Karrie.

Zwei seiner Auszubildenden seien am Ende zur Ruhr-Lippe GmbH (RLG) gewechselt. Selbst das sei Karrie lieber, als wenn sie nach der Lehre gar keinen Bus mehr betreten wollen. Vier Busfahrer sind bereits über 70. Sie sind noch immer mit Herzblut dabei. Ersetzen können wird Karrie sie jedoch nicht.

Busfahrer-Mangel: Verkehrswende gefährdet?

Mit vielfältigen Maßnahmen sucht auch die RLG derzeit händeringend nach Busfahrern: Ob in der Tageszeitung, in den Sozialen Medien, auf Messen, mit der Laufschrift „Komm ins Team“ an Bussen oder als Ansage auf Knopfdruck an den Haltestellen.

„Wir benötigen Busfahrer, damit die Verkehrswende gelingt“, sagt RLG-Sprecherin Annette Zurmühl. Von autonom fahrenden Bussen sei man derzeit noch weit entfernt. Die Konkurrenz mit Betrieben der privaten Wirtschaft, die ebenfalls Fahrer benötigen, sei groß. „Die Auswahl ist momentan für die Bewerber sehr groß“, sagt Zurmühl. „Da muss man als Unternehmen dran bleiben.“ Grundsätzlich lohne es auch, sich bei blind bei der RLG zu bewerben.

Da geht es hin: Die RLG sucht Busfahrer.
Da geht es hin: Die RLG sucht Busfahrer. © RLG

Bislang sei das Busunternehmer ohne Notfahrpläne und Angebotskürzungen ausgekommen. Lediglich im Hochsauerlandkreis, wo die RLG neben Soest und Lippstadt unterwegs ist, seien vereinzelt Fahrten wegen Personalmangels ausgefallen.

Busfahrer-Mangel: Wenn Verwaltungsmitarbeiter den Bus fahren

Sonst versuche man, Ausfälle abzufangen – mit Personal aus der Werkstatt oder aus der Verwaltung. Doch längst nicht jeder hat einen Busführerschein. Die Not wird größer. Viele Busfahrer gehen bald in den Ruhestand. Zurmühl: „Wir müssen gucken, dass wir die Lücken rechtzeitig gefüllt kriegen.“

Nicht nur für den Linienverkehr fehlen Busfahrer, sondern auch im Fernverkehr. „Wir suchen händeringend Fahrer, die für ihren Beruf brennen und wissen, worauf sie sich einlassen“, sagt Veit Schwertheim von Schwertheim Touristik mit Sitz in Herzfeld. Bewerber sollten der deutschen Sprache mächtig und bereit sein, am Wochenende zu arbeiten. „Es ist kein normaler Bürojob. Wenn andere feiern, müssen sie fahren.“

Ausbildungen zum Busfahrer bietet Schwertheim nicht mehr an. Oft habe man die Erfahrung gemacht, dass die Leute sich dann doch umentscheiden, nachdem das Unternehmen viel Geld in den teuren Führerschein investiert hatte. Familie und Job als Busfahrer unter einen Hut zu kriegen, fällt nicht jedem leicht.

Auch interessant

Kommentare