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Kreis Soest verhängt Streik-Verbot für den Rettungsdienst - „Einschüchterung der Mitarbeiter“

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Von: Daniel Schröder

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Der Kreis Soest hat Mitarbeitern des Rettungsdienstes ein Streik-Verbot auferlegt. Verdi ist empört. Ein Rettungsdienstler erklärt, worum es ihm im Streik wirklich geht.

Kreis Soest – Die Rettungsdienst-Mitarbeiter des Kreises Soest wurden von der Gewerkschaft Verdi zum Warnstreik aufgerufen. Doch die Mitarbeiter, die im Dienstplan für die Notfallrettung standen, bekamen vom Kreis ein schriftliches Streik-Verbot und wurden zum Dienst verpflichtet.

Am Dienstag machte der Streikaufruf von Verdi die Runde. In den jeweiligen Schichten zwischen Mittwoch und Freitag sollten die Einsatzkräfte ihren Dienst niederlegen. Laut Angaben des Kreises Soest beteiligten sich am Mittwoch sechs Mitarbeiter, von denen fünf zum Dienst eingeteilt waren, und am Donnerstag 23 Mitarbeiter, von denen sechs zum Dienst eingeteilt waren, an dem Warnstreik. Das hatte zur Folge, dass für jeweils rund 90 Minuten zwei Rettungswagen, zwei Notarzteinsatzfahrzeuge und ein Krankentransportwagen „kurzzeitig“ unbesetzt und somit nicht einsatzbereit waren. „Danach waren und sind alle Fahrzeuge besetzt“, sagt Kreis-Sprecherin Birgit Kalle. Sie wurden durch Mitarbeiter nachbesetzt, die sich in Rufbereitschaft befanden. „Zusätzlich mussten einige Kollegen betriebsintern umdisponiert werden, um die Besetzung aller Rettungsmittel zu gewährleisten.“

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Rettungsdienst-Streik: Kreis Soest sieht sich zu harter Maßnahme veranlasst

Durch diese Auswirkungen sah sich der Kreis am Mittwoch dazu veranlasst, ein Schreiben an 56 Mitarbeiter zu verschicken, die für den Rest des Streik-Zeitraums im Dienstplan für die Fahrzeuge der Notfallrettung standen. „Es handelte sich um eine sogenannte Notdienstbestellung.“ Die Mitarbeiter wurden darin aufgefordert, den vorgesehenen Dienst trotz ihres gesetzlichen Streikrechts anzutreten. Der Verfasser schließt das Schreiben mit dem Satz ab: „Ich weise darauf hin, dass Sie verpflichtet sind, Notdienst zu leisten.“

Rettungsdienst-Streik im Kreis Soest: „Arbeitsrechtliche Anhörung“ für drei Mitarbeiter

Drei Mitarbeiter, die das Schreiben erhalten haben, streikten trotzdem. Kreis-Sprecher Wilhelm Müschenborn sagt dazu: „Den drei für die Notfallrettung eingeplanten Mitarbeitern wird Gelegenheit gegeben, im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Anhörung Stellung zu ihrem Verhalten zu nehmen.“ Birgit Kalle erklärt: „Als der Kreis vom Streikaufruf erfahren hat, wurde umgehend eine Notdienstvereinbarung entworfen, in der die zum Notdienst eingeteilten Beschäftigten aufgeführt waren.“ Diese Vereinbarung, die im Streikrecht verankert ist, wurde Verdi laut Angaben des Kreises vorgelegt. Verdi habe jedoch die gesetzte Frist verstreichen lassen, um der Notdienstvereinbarung im Anschluss nicht zuzustimmen. „Um den Versorgungsauftrag der Bevölkerung sicherzustellen, wurde anschließend die Notdienstbestellung versendet.“

Müssen trotz Streiks besetzt sein: die Rettungswagen des Kreises Soest.
Müssen trotz Streiks besetzt sein: die Rettungswagen des Kreises Soest. © Daniel Schröder

Kreis: „Bestreiken eines Notfallrettungsmittels verstößt gegen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“

Die für den Krankentransport, der nicht zur Notfallrettung zählt, vorgesehenen Mitarbeiter wurden nicht angeschrieben. Birgit Kalle erläutert: „Aus Sicht der Dienststelle verstößt das Bestreiken eines Notfallrettungsmittels gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Schreiben diente somit dem Zweck, die Mitarbeitenden darauf hinzuweisen, dass die Notfallrettungsmittel besetzt werden müssen.“

Kreis Soest verhängt Streik-Verbot - Mitarbeiter fühlen sich unter Druck gesetzt

Durch das Schreiben sahen sich einige Mitarbeiter laut Informationen unserer Redaktion unter Druck gesetzt: „Niemand will seinen Job verlieren“, sagte einer im Gespräch mit unserer Redaktion.“ Der Kreis beteuerte: „Selbstverständlich erkennt der Kreis Soest das Recht zu streiken an. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – es geht um das hohe Gut der Versorgungssicherheit der Bevölkerung – und weil die Gewerkschaft nicht auf die angebotene Notdienstvereinbarung eingegangen ist, musste die Maßnahme ergriffen werden.

Es ist ein politisches Problem, das angegangen werden muss: Wer muss sich um welchen Bürger kümmern und warum muss der Rettungsdienst alles ausbaden?

Ein Rettungsdienst-Mitarbeiter.

Rettungsdienst-Mitarbeiter zum Streik: „Es geht gar nicht primär um Geld“

Laut Verdi gehe es bei dem Streik um Gehälter und unbefristete Übernahmen der Auszubildenden. Gegenüber unserer Redaktion erklärte ein Rettungsdienst-Mitarbeiter jedoch: „Es geht gar nicht primär um Geld. Wir wollen auch nicht, dass die Notfallrettung nicht läuft, denn wir alle haben diesen Beruf gewählt, um Menschen zu helfen. Vielmehr ist es die Wertschätzung. Ich kann für mich nur sagen, dass ich mit dem Kreis als Arbeitgeber zufrieden bin. Das Problem liegt anderswo. Es geht um Bagatelleinsätze, bei denen Menschen den Notruf beispielsweise wegen einer Erkältung rufen, es geht um unsere ‘Vollkasko-Gesellschaft’. Rettungswagen werden für Hausarzt-Tätigkeiten gerufen.“

Ebenso gehe es um Solidarität mit den Kollegen aus den Notaufnahmen: „Es ist traurig, dass man dort frisch motivierte, junge Kollegen kennenlernt, denen man die zu hohe Arbeitsbelastung bereits nach kurzer Zeit anmerkt. Wir schauen in den Notaufnahmen in genervte Gesichter, weil wir Arbeit – Patienten – bringen. Es ist ein politisches Problem, das angegangen werden muss: Wer muss sich um welchen Bürger kümmern und warum muss der Rettungsdienst alles ausbaden? Was ist mit dem hausärztlichen Notdienst? Was ist mit der Eigenständigkeit der Bürger?“

Kreis Soest verhängt Streik-Verbot - Verdi: „Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“

Verdi kündigte eine umfassende Unterstützung der betroffenen Mitglieder an und übte scharfe Kritik am Kreis. Dirk Riesner, Gewerkschaftssekretär der Geschäftsstelle Meschede, erklärte gegenüber unserer Redaktion: „Das Vorgehen des Kreises Soest ist ein starkes Stück. Das sorgt nicht zur Befriedung des Konfliktes. Ich weiß nicht, mit welchem Ziel dort vorgegangen wird - es wirkt wie Einschüchterung der Mitarbeiter. Dadurch wird keine Motivation erzeugt. Das Streikrecht ist ein Grundrecht der Beschäftigten. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“

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