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Kreis Soest: Laufzeiten von Naturschutzgebieten enden

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Von: Klaus Bunte

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Die Wasserbüffel in der Woeste werden auch nach dem September 2023 ungestört grasen können.
Die Wasserbüffel in der Woeste werden auch nach dem September 2023 ungestört grasen können. © Gemeinde Bad Sassendorf

Naturschutzgebiete im Kreis Soest werden aller voraussicht ihren Status verlieren. Was das bedeutet und wie es weiter geht im Überblick.

Kreis Soest – „Große, offene Wasserflächen, abwechslungsreich strukturierte Uferzonen sowie Buchenwälder und naturnahe Eichen-Mischwälder bilden das Naturschutzgebiet Hevesee im südlichen Teil des Möhnesees“, heißt es auf der Seite der Gemeinde Möhnesee. „In den Feuchtbereichen laichen im Frühjahr zahlreiche Amphibien, zum Beispiel die streng geschützte Kreuzkröte.“ Schaut man sich einige Dokumente aus der letzten Sitzung des Naturschutzbeirates beim Kreis Soest an, stellt sich die Frage, wie lange die Kreuzkröte noch ungestört vor sich hin laichen kann. Denn gemäß einer Tabelle wäre es dort im November 2023 vorbei mit dem Naturschutz, da dieser Status stets nur über einen Zeitraum von 20 Jahren erteilt wird.

Naturschutzgebiete im Kreis Soest: Zusammenkunft des Naturschutzbeirates

Auf den Umstand stieß der Grünen-Politiker Udo Müller-Christian. Für die letzte Kreistagswahl wurde er zwar nach 16 Jahren von seiner Partei nicht mehr aufgestellt, da er in seiner Enser Heimat im Gemeinderat Platz nehmen sollte. Dennoch schaute er sich, wenngleich auch mal mit Verzögerung, gerne die im Bürgerinformationssystem der Kreisverwaltung öffentlich zugänglichen Vorlagen und Protokolle der Sitzungen an, „denn wenn man 16 Jahre lang im Kreistag saß, geht das Interesse ja nicht verloren“. Und so schaut er sich auch Dokumente an zu Sitzungen, die manchmal etwas unter dem Radar laufen. Wie zum Beispiel die letzte Zusammenkunft des Naturschutzbeirates. Und bei Punkt 6 der Tagesordnung, dachte er, er lese nicht richtig: „Und das zum Beispiel bei Hattrop, ein Ort, bei dem man bei den Dorfwettbewerben doch so viel Wert auf den Naturschutz gelegt hat.“

Naturschutzgebiete im Kreis Soest: Schluss für Woeste im September

Betroffen sind gleich etliche Naturschutzgebiete im Kreisgebiet. Die besagte Laufzeit liefe bereits im August ab im Eichen-Buchenwald bei Haus Düsse (Bad Sassendorf) und im September in der Woeste, die sich auf Bad Sassendorfer und Lippetaler Gemeindegebiet befindet und wo eigens ein Aussichtsturm und Infotafeln Ausflüglern aus der Ferne einen Einblick ins Biotop geben sollen – das sie aber gefälligst nicht zu betreten haben. Im Sommer 2024 wäre auf Möhneseer Grund Schluss im Waldreservat Moosfelde und auf dem Gelände des früheren Standortübungsplatzes bei Büecke, im März 2025 dann auch im Möhnetal. Der Tabelle zufolge ist in folgenden Gebieten der Naturschutz bereits Geschichte: Steinbruch Lohner Klei (Bad Sassendorf, seit Juni 2019), die ehemaligen Klärteiche an der Zuckerfabrik und bei Hattrop (Soest, seit Januar 2021), seit dem vergangenen Sommer der Salzbrink (Soest, Welver) und die Rosenaue (Bad Sassendorf, Lippetal). Was aber bedeutet es, wenn die Laufzeit endet und nicht verlängert wird? Das Hevebecken ist ein beliebtes Ausflugsziel aufgrund seines Rundwanderwegs entlang dieses westlichsten Teilstücks des Möhnesees. Den darf man gefälligst nicht verlassen. Ab November dann vielleicht doch? Dürfen die Ausflügler aus dem Ruhrgebiet dann auch hier ihren Grill aufstellen und im Wasser planschen? Dürfte man rein rechtlich betrachtet und ungeachtet der Tauglichkeit der Böden Land in der Woeste erwerben, dort Landwirtschaft betreiben oder gar bauen?

Am Hevearm ist außer Laufen und Radwandern wenig erlaubt. Auch wenn der Status „Naturschutzgebiet“ offiziell bald ausläuft, wird sich daran wohl kaum etwas ändern.
Am Hevearm ist außer Laufen und Radwandern wenig erlaubt. Auch wenn der Status „Naturschutzgebiet“ offiziell bald ausläuft, wird sich daran wohl kaum etwas ändern. © Peter Dahm

Naturschutzgebiete im Kreis Soest: „Anachronistische Regelung“

Von solchen „Worst Case Szenarios“ könne die Realität nicht weiter entfernt sein, beschwichtigt Dr. Margret Bunzel-Drüke, Mitglied im Beirat und zudem wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest (ABU). Sie betreut gleich mehrere solcher Gebiete, darunter die Rosenaue oder die Ahse bei Lohne. „Zunächst einmal handelt es sich bei dieser Regelung um einen Anachronismus, den keiner versteht“, moniert sie. Die Bezirksregierung verweist auf einen allgemeinen Passus im Ordnungsbehördengesetz. Dort heiß es: „Die ordnungsbehördlichen Verordnungen sollen eine Beschränkung ihrer Geltungsdauer enthalten. Die Geltung darf nicht über 20 Jahre hinaus erstreckt werden. Verordnungen, die keine Beschränkung der Geltungsdauer enthalten, treten 20 Jahre nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.“ Bunzel-Drüke: „Wenn ein Naturschutzgebiet seinen Wert verliert, was aber noch nie passiert ist im Kreis Soest, dann kann man es zwar entwidmen wie eine Kirche. Das verursacht aber nur bürokratischen Aufwand, kostet Geld und ist völlig sinnlos. Und das wird auch nicht passieren, denn alle Gebiete wurden in ihrem Wert bestätigt, zumal die Landschaft ringsum zunehmend schlechter wird.“ Doch umgekehrt ist auch die Verlängerung mit einiger Bürokratie verbunden, das zeigt die Antwort der Bezirksregierung: „Um die Laufzeit zu verlängern, muss die ursprüngliche Verordnung aufgrund eingetretener Änderungen, unter anderem gesetzlicher und örtlicher Gegebenheiten, aktualisiert werden.

Naturschutzgebiete im Kreis Soest: Kritik

Der Entwurf der neuen Verordnung wird gemäß Paragraf 45 Landesnaturschutzgesetz NRW (LNatSchG) zunächst mit den betroffenen Behörden und öffentlichen Stellen abgestimmt, wonach sich die öffentliche Bekanntmachung und Anhörung gemäß Paragraf 46 LNatSchG anschließt. Unter Berücksichtigung der vorgebrachten Bedenken und Anregungen wird dann die überarbeitete Verordnung erlassen. Die Veröffentlichung erfolgt anschließend im Amtsblatt der Bezirksregierung Arnsberg.“ Dass die Bezirksregierung im Falle der heimischen Naturschutzgebiete zuständig ist, ist für Bunzel-Drüke ebenfalls etwas anachronistisch: „Früher legte Arnsberg das fest. Heute fällt es eigentlich in die Zuständigkeit der Kreise, Landschaftspläne aufzustellen. Sie machen Pläne für die einzelnen Kommunen, wie die Landschaft künftig aussehen soll, darunter fallen auch Naturschutzgebiete. Wenn die vorher schon von der Bezirksregierung festgelegt wurden, dann übernimmt man die natürlich. Andere Kreise haben damit eher angefangen und sind daher schon fertig damit. Der Kreis Soest allerdings noch nicht. Er hat einige Pläne fertig, aber nicht für die ganze Fläche, für Möhnesee zum Beispiel noch nicht. Das ist aber auch ein tierischer Aufwand, was da alles abgestimmt werden muss, wo was geschützt werden soll, wo was verboten ist, wo neue Wälder und Wasser entstehen sollen, um die Natur voranzubringen.“ Auch dies bestätigt, zumindest indirekt, die schriftliche Antwort der Bezirksregierung auf die Anfrage unserer Zeitung: „Nach dem Landesnaturschutzgesetz, Paragraf 7, sind die örtlichen Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Förderung der Biodiversität im Landschaftsplan darzustellen und rechtsverbindlich festzusetzen, so auch die Naturschutzgebiete. Das ist Aufgabe der unteren Naturschutzbehörde, also des Kreises oder der kreisfreien Stadt. Im Kreis Soest sind in einigen Gebieten noch keine Landschaftspläne aufgestellt worden. Hier kann die höhere Naturschutzbehörde bei der Bezirksregierung durch ordnungsbehördliche Verordnung Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Naturdenkmale oder geschützte Landschaftsbestandteile ausweisen, so wie es bei den benannten Schutzgebieten auch der Fall war.“

Naturschutzgebiete im Kreis Soest: Kommunen machen Hausrecht geltend

Die betroffenen Gebiete seien in keiner Weise dadurch bedroht. Laut Bunzel-Drüke befinde sich der überwiegende Teil in den Händen der Kommunen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, zumal die Kommunen in den vergangenen Jahren viel davon auch aufgekauft hätten: „Am Möhnesee etwa gehören sie dem Ruhrverband, die Woeste gehört der Gemeinde Bad Sassendorf und dem Kreis Soest, und dort gilt natürlich überall, was die Besitzer sagen.“ Sprich, die Eigentümer machen ihr Hausrecht geltend: Wenn sie ein Schild mit „Betreten verboten“ aufstellen, so können die Leute nicht einfach auf die Wiesen gehen und sich neben die Wasserbüffel oder die Kreuzkröte in die Sonne legen. Die Bezirksregierung verweist auf rechtliche Grundlagen: „Eine Gefahr, dass ohne den Status „Naturschutzgebiet“ die schutzwürdigen Gebiete zerstört werden, ist gering, da die bestehenden gesetzlichen Regelungen (Bundesnaturschutzgesetz, Landesnaturschutzgesetz, Landesforstgesetz, Baugesetzbuch und andere) dem entgegenstehen.“ Die Behörde habe mit der Verlängerung der Verordnungen begonnen. Der seitens des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen erwartete Erlass liege jedoch noch nicht vor.

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