Bisher, erläutert Christian Larisch, Geschäftsführer des Hospitalverbunds Hellweg und damit verantwortlich für das Mariannenhospital in Werl, das Soester Marienkrankenhaus und das Christliche Klinikum in Unna, stehen die Krankenhäuser in einem Wettbewerb um den Patienten. Weil die Finanzierung auf Fallpauschalen basiert – „das ist politisch gewollt“ – konkurrieren die Kliniken um die Patienten.
Beispiel Kardiologie: Das Marienkrankenhaus, Klinikum Stadt Soest und das Dreifaltigkeitshospital in Lippstadt sind rund um die Uhr für Herzpatienten da. Etwa 300 000 Menschen leben im Kreis Soest. Zum Vergleich: „Auch Wien zählt drei kardiologische Nachtversorger. Nur: In Wien haben sie ein Millionenpublikum zu versorgen.“
Hat Laumann also recht, wenn er den Wettbewerb der Häuser untereinander als „ruinös“ bezeichnet? Larisch stellt klar: „Wirtschaftlich ist so eine Angebotshäufung nicht.“ Und er führt noch weiter aus: Erfasse man das gesamte Versorgungsgebiet, nämlich die Kreise Soest und Unna und die Stadt Hamm, dann sind einige kardiologische Angebote sogar gleich sechsmal vertreten. „Das ist Quatsch, das muss man, ganz nüchtern betrachtet, sagen.“ Von „ruinös“ allerdings will Christian Schaug, Geschäftsführer des Klinikums Stadt Soest, nichts wissen. „Das Miteinander der Häuser ist außerordentlich gut.“ Und neben konkurrierenden gebe es eben auch ergänzende Angebote. Gleichwohl wird auch für die heimischen Häuser im September ein langer Prozess beginnen, an dessen Ende sich die Krankenhäuser eines Versorgungsgebietes mit den Krankenkassen darüber geeinigt haben werden, welche Leistungen an welchem Standort gebündelt werden sollen – und können.
Denn ein Haus muss auch in der Lage sein, die frei werdenden Kapazitäten aufzunehmen. Verliert ein Standort dagegen ein Fachgebiet, stellt sich die Frage, ob es weiter die Grundversorgung sicherstellen kann. Immerhin besteht das Gesundheitsministerium auf eine Erreichungsfrist von 20 Minuten.
Die Vorschläge gehen an die Bezirksregierung, die ihrerseits dem Land empfiehlt, entsprechende Versorgungsaufträge konkret zu vergeben. „Das ist das geplante Vorgehen, sofern es in der Abstimmung der Häuser mit den Krankenkassen einen Konsens gibt“, beschreibt Christian Larisch. Können sich die Beteiligten nicht einigen, entscheidet das Land – und betroffenen Krankenhäusern bliebe der Klageweg. „Ob das alles schnell geht?“, fragt Larisch. „Auf gar keinen Fall.“
Und selbst wenn: Mit dem Versorgungsauftrag des Landes werde es erst interessant, ergänzt sein kaufmännischer Direktor, Tobias Franke. Denn: „Wir reden ja nicht nur über eine Verschiebung von Ärzten. Wir reden auch von hochspezialisierter Pflege.“ Hier spielten auch „weiche“ Faktoren eine Rolle: Folgt das Pflegepersonal seinem Fachgebiet? Oder ist die Entfernung zu weit? Und was ist mit der Verbundenheit zum eigenen Haus? Franke warnt vor einer weiteren Verschärfung der Fachkräftekrise, wenn Pflegekräfte im Zuge der Reform für sich entscheiden, dass die Rahmenbedingungen für sie nicht mehr passen. „Und so einfach ist es oft auch nicht“, gibt Christian Schug zu bedenken, „häufig haben wir es mit interdisziplinären Teams zu tun. Die lassen sich nicht einfach transferieren.“ Tobias Franke sieht den Pflegeaspekt in dem dicken Reformpapier deutlich unterrepräsentiert, entsprechende Kritik sei aus Fachkreisen zu hören.
Christian Larisch hält den Ansatz der Krankenhausplanung für richtig: „So eine Konzentration von Kapazitäten ist erstmal ein positiver Lösungsansatz – auch wenn viele das nicht gern hören.“ Weniger gleiche Angebote bedeuteten eben auch weniger unnötige Behandlungen. Und trotzdem: „Personal, das nachkommen muss, ist nicht verfügbar. Wir brauchen also Regelungen des Zuzugs.“ Er veranschaulicht das am Beispiel der eigenen Pflegeschule: Auf 540 Plätze kam früher das Fünffache an Bewerbungen. Derzeit sind noch alle Stellen besetzt – „und das ist in vielen anderen Regionen schon ganz anders.“
337 Krankenhäuser gibt es in NRW, teils mit gleichen Behandlungsspektren. Der Hospitalverbund sieht seine Häuser gut aufgestellt, wenn es nun bald in die Verhandlungen geht. „Für das, was wir machen, sind alle Voraussetzungen erfüllt“, sagt Tobias Franke. Davon ist für sein Haus auch Christian Straub überzeugt, der neben Schug die Geschicke des Klinikums lenkt. Entsprechende Strukturprüfungen gebe es jährlich, „wir haben uns hinterfragt und optimiert.“ Verstecken wolle und werde man sich in dem nun anstehenden Prozess nicht, versichert Schug: „Wir sind das einzige kommunale Haus im Versorgungsgebiet. Und auch die Trägerpluralität wird ein Aspekt sein.“
Keine Schließungsszenarien treiben hier den Puls an, das, ist der Geschäftsführer überzeugt, sei eher ein Thema für Krankenhäuser in den Ballungszentren. Und er betont: „Die Kinderversorgung und die Geburtshilfe wollen wir weiter vorhalten können.“ Gut möglich, dass im Zuge der Umstrukturierungen eine alte Idee neuen Schwung erhält. So erinnert Christian Larisch an Fusionsüberlegungen beider Soester Häuser 2015 – „die haben wir damals ja auch aus der Erwartung heraus geführt, dass sich die Strukturen verändern werden.“ In der Börde wurde daraus – anders als in Unna – damals nichts. Doch wer weiß: „Wir wären ja arrogant, würden wir uns irgendwelchen Diskussionen verschließen“, sagt Christian Straub.
NRW geht mit seiner Krankenhausreform voran. Fast wortgleich stehe im Koalitionsvertrag der Ampel, wie man sich die Krankenhausstruktur im Bund künftig vorstelle, sagt Christian Larisch. Bliebe noch die Finanzierung. Zusammen mit einer Krankenhausfinanzierungsreform „könnte das Ganze gut werden.“ Ein Ende der Fallpauschalen würden die Krankenhauschefs auf einer Wunschliste sicher ganz oben notieren. Gleich neben dem Abbau von Bürokratie, die Verwaltung, Medizinern, Pflegern das Leben zunehmend erschwere und personelle Ressourcen verschwende, klagt Tobias Franke. Er möchte auch zu bedenken geben, wie die Situation überhaupt entstanden sei; schließlich spiele in der Medizin auch die ganzheitliche Betrachtung des Patienten eine Rolle.